Innovativ: Biomimetische Membranen 2850mal dünner als Papier

Veröffentlichung in Nature

06.06.2024

Forschende des Adolphe-Merkle-Instituts (AMI, Université de Fribourg, Schweiz), der TU Darmstadt und weiterer internationalen Forschungsgruppen haben eine neue Methode zur Herstellung dünner, energieumwandelnder Membranen entwickelt, die die Struktur und Funktion biologischer Zellmembranen nachahmen. Diese Entdeckung könnte bedeutende Anwendungen in Bereichen haben, die von implantierbaren künstlichen elektrischen Organen bis zur Wasserentsalzung reichen.

Die neue Technik nutzt die Grenzfläche eines wässrigen Zweiphasensystems, um diese Membranen zu bilden und zu stabilisieren. Professor. Nico Bruns, Fachbereich Chemie der TU Darmstadt, entwarf mit dem Team in Fribourg die Idee für dieses Projekt. Unter seiner Leitung wurden die für die Membranbildung maßgeschneiderten Blockcopolymere entwickelt und synthetisiert. „Das besondere an diesen Membranen ist, dass sie mit 35 Nanometern superdünn sind – ein Blatt Papier ist über 2850mal dicker als diese Membranen – und wir sie trotzdem auf mehr als 10 Quadratzentimetern ohne Defekte und mit selbstheilenden Eigenschaften bilden können”, so Bruns. „Damit sind sie über 1000mal größer als bisher beschriebene Blockcopolymermembranen und ermöglichen Anwendungen wie die Energiegewinnung aus Salzlösungen.“

Die Methode verwendet Blockcopolymere (BCP), hochgradig optimierbare Polymere, die aus zwei oder mehr verschiedenen Polymersegmenten bestehen, um eine Doppelschicht an der Schnittstelle der beiden Phasen zu bilden. Die daraus resultierenden Membranen weisen bemerkenswerte mechanische Eigenschaften und Selbstheilungsfähigkeiten auf, die sie für den praktischen Einsatz robust und haltbar machen.

Das besondere an diesen Membranen ist, dass sie mit 35 Nanometern superdünn sind – ein Blatt Papier ist über 2850mal dicker als diese Membranen – und wir sie trotzdem auf mehr als 10 Quadratzentimetern ohne Defekte und mit selbstheilenden Eigenschaften bilden können.

Diese künstlichen Membranen ahmen die selektiven Ionentransportfunktionen natürlicher Zellmembranen nach. Durch den Einbau eines natürlichen Transportpeptids erreichen die Membranen eine hohe Ionenselektivität, die es ihnen ermöglicht, aus Lösungen verschiedener Salze elektrischen Strom zu erzeugen. Diese Funktion ist von den elektrischen Organen von Rochen und anderen elektrischen Fischen inspiriert, die ähnliche Prinzipien zur Stromerzeugung nutzen.

Diese Entwicklung, über die in der führenden Fachzeitschrift Nature berichtet wird, könnte bedeutende Anwendungen in verschiedenen Bereichen haben. Im Bereich der Energiespeicherung könnten diese Membranen die Entwicklung von Salzlösungen zur Speicherung elektrischer Energie ermöglichen. Bei der Wasserentsalzung könnten sie hochselektive Barrieren bilden, die Ionen effizient vom Wasser trennen. Bei medizinischen Behandlungen wie der Dialyse könnte die Fähigkeit der Membranen, Ionen selektiv zu filtern, zu effizienteren und weniger invasiven Verfahren führen. Und schließlich könnten diese Membranen implantierbare elektrische Energiequellen ermöglichen, die kontinuierlich durch die Stoffwechselenergie des Körpers aufgeladen werden.

Bedeutenden Schritt in Richtung biokompatibler Stromquellen

„Dieser Fortschritt bringt unsere früheren Bemühungen um von Fischen inspirierte künstliche elektrische Organe zu entwickeln einen bedeutenden Schritt in Richtung biokompatibler Stromquellen voran. Letztendlich ist es unser Ziel, dass diese vom Menschen geschaffenen Systeme die komplexen Funktionen biologischer Organismen genau nachahmen und mit ihnen interagieren", sagt der AMI-Lehrstuhlinhaber für Biophysik, Prof. Michael Mayer.

Zukünftige Iterationen dieser Membranen, die möglicherweise effizientere Ionenkanäle enthalten, könnten Leistungsniveaus erreichen, die mit dem elektrischen Organ biologischer Systeme wie dem Zitterrochen vergleichbar sind. Die Skalierbarkeit dieser Membranen deutet auch darauf hin, dass sie mit großen Flächen präpariert werden könnten, um ihre Transportrate zu erhöhen, und dass sie in Schichten organisiert werden könnten, um größere Systeme für hochwertige Trennungen oder Energieerzeugung und -speicherung zu schaffen.

Letztendlich ist es unser Ziel, dass diese vom Menschen geschaffenen Systeme die komplexen Funktionen biologischer Organismen genau nachahmen und mit ihnen interagieren.

„Unsere zukünftige Forschungsaufgabe an der TU Darmstadt besteht nun darin, durch innovative Polymerchemie die Membranen noch stabiler zu machen, um ihre Fläche deutlich zu vergrößern und sie damit für technische Anwendungen nutzbar zu machen, wie z.B. die Stromgewinnung aus Salz- und Süsswasser, für die Wasseraufbereitung oder für andere Filtrationsaufgaben“, sagt TU-Professor Bruns.

Diese Forschungsarbeit wurde von der Biophysikgruppe des Adolphe Merkle Instituts in Zusammenarbeit mit der Gruppe für Nachhaltige Funktionale Polymere von Nico Bruns an der Technischen Universität Darmstadt, einer Gruppe für Theorie und Computersimulation an der Universität Paris-Saclay, dem Labor für Bio- und Nano-Instrumente an der EPFL, sowie den Gruppen für Polymerchemie und Physik der weichen Materie des Adolphe Merkle Instituts durchgeführt.

Die Puplikation

Sproncken et al., “Large-area, self-healing block copolymer membranes for energy conversion” Nature, 2024. DOI: 10.1038/s41586-024-07481-2.

AMI/sip