„Praxis und Universität ist die ideale Kombination“
Honorarprofessor und TU-Alumnus Jan Hilligardt ist seit März neuer Regierungspräsident
26.07.2024 von Astrid Ludwig
Jan Hilligardt hat gleich mehrere Berufungen: Der Alumnus der TU Darmstadt ist neuer Chef des Regierungspräsidiums Darmstadt und zugleich seit fast 20 Jahren Privatdozent und Honorarprofessor am Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften der Technischen Universität. Die Arbeit als politischer Beamter und seine akademische Lehrtätigkeit fußen auf der Passion für das Fachgebiet Stadt- und Raumentwicklung.
„Die tägliche Lebenswelt der Menschen und ihr Umfeld mitgestalten, was kann es Besseres geben?“ hat diese Frage für sich schon früh beantwortet. Schon als junger Student, als er sich im Studium der Raum- und Umweltplanung für die Vertiefungsrichtung Stadt- und Regionalentwicklung entschied. Und auch Ende vergangenen Jahres, als die neue schwarzrote hessische Landesregierung den Koalitionsvertrag besiegelte und klar war, dass ein Sozialdemokrat in das Chefbüro des Jan Hilligardtam Luisenplatz in Darmstadt einziehen würde. „Als der Anruf kam, habe ich nicht gezögert“, sagt der 53Jährige. Obwohl: „Zwei Telefonate habe ich vorher geführt. Das erste davon mit meiner Frau“, erzählt der Familienvater lachend. Regierungspräsidiums
„IN DER REGION VERWURZELT“
Als Honorarprofessor lehrt Hilligardt am Fachbereich der TU Darmstadt die wissenschaftlichen Grundlagen, mit denen er in seiner täglichen Arbeit als Regierungspräsident für die Region Südhessen und RheinMain nun konfrontiert ist. Sein Fachwissen hat der Alumnus aber auch schon zuvor in kommunale und politische Ämter einbringen können. So war er sechs Jahre lang Referent im Büro des Landrates im Landkreis Darmstadt-Dieburg, dort zusätzlich Leiter der Abteilung Wirtschaft, Standortentwicklung, Bürgerservice und anschließend fast 16 Jahre lang Geschäftsführender Direktor des Hessischen Landkreistages in Wiesbaden. Bau- und Umweltingenieurwissenschaften
Hilligardt kam 1997 als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand an die Technische Universität, die noch für kurze Zeit Technische Hochschule Darmstadt hieß. Studiert hatte der gebürtige Baden-Württemberger in Kaiserslautern, „aber Darmstadt und die Promotion hatte ich schon länger im Blick“ , erinnert er sich. Hans Reiner Böhm, damals Professor für Umwelt und Raumplanung, wurde sein Doktorvater und zugleich prägender Begleiter. „Die Verbindung von Praxis und Forschung, die praxisnahe Tätigkeit war ihm als Doktorvater von Beginn an wichtig“, erzählt der TU-Alumnus. „Das war ein großes Qualitätsmerkmal für mich und auch ein Grund, dass ich bis heute der Universität treu geblieben bin“, betont er.
HERAUSFORDERNDE THEMEN
Die Praxis beinhaltete für den Doktoranden während der Millenniumzeit so herausfordernde und in der Region auch umstrittene Themen wie den Ausbau des Frankfurter Flughafens, wo Hilligardt und sein Doktorvater, aber auch TU-Präsident Jan Wörner mit fachlichen Expertisen involviert waren. Seine Promotion schrieb er zum Thema 'Nachhaltige Regionalentwicklung durch freiwillige regionale Zusammenarbeit'. 2002 beendete er erfolgreich seine Doktorarbeit, bei der der damalige TU-Präsident einer der drei Gutachter war.
Danach wechselte Hilligardt ins Büro von Landrat Alfred Jakoubek im Landkreis Darmstadt-Dieburg, aber der Universität blieb der Alumnus verbunden. 2005 schloss er auch seine Habilitation im Fach Stadt und Regionalentwicklung/Raumplanung ab, im selben Jahr wurde ihm der akademische Titel Privatdozent und 2017 die Bezeichnung Honorarprofessor verliehen. „Meine Lehrtätigkeit habe ich nie aufgegeben“, betont er, auch wenn eine alleinige akademische Laufbahn für ihn nie in Frage kam. „Die Verbindung aus Praxis und Universität ist für mich die ideale Kombination.“
Selbst als Regierungspräsident wird Hilligardt künftig Seminare für Bachelor und Masterstudierende geben zum Thema Stadt und Raumentwicklung, und er will auch weiterhin Abschlussarbeiten als Betreuer begleiten. „Der Umgang mit jungen Menschen ist enorm motivierend. Ich möchte ihnen mein akademisches Wissen und meine berufliche Erfahrung mit auf den Weg in den Beruf geben“, erklärt der TU-Alumnus.
GROSSE OFFENHEIT
Ähnlich geht er nun auch seine neue Aufgabe als RP an. Die ersten Wochen im Amt hat er damit verbracht, möglichst viele der 1.500 Beschäftigten in den verschiedenen Standorten wie in Darmstadt, Wiesbaden und Frankfurt kennenzulernen. Er wird Landräte und Oberbürgermeister:innen aufsuchen sowie mit Akteuren und Akteurinnen der Region sprechen. Schwerpunkte will er noch nicht setzen. „Mein Ziel ist eine nachhaltige und zukunftsfähige Region. Ich gehe alle Themen mit großer Offenheit an“, formuliert Hilligardt seine Arbeitsweise. Die meisten davon – seien es nun Fragen der Infrastruktur, der Wirtschaft oder Umweltentwicklung – sind ihm durch jahrzehntelange Mitarbeit und eigene Anschauung vertraut. Auf ein Thema konnte ihn zuvor jedoch auch eine lange akademische und berufliche Laufbahn nicht vorbereiten: Covid-19 und die Pandemie. Als Direktor bekleidete er zu der Zeit mit dem Hessischen Landkreistag eine Schlüsselfunktion bei der Kommunikation zum Beispiel mit vielen Gesundheitsämtern. „Das war schon eine ganz besondere Herausforderung“, sagt der TU-Alumnus im Rückblick. Und hoffentlich eine, die sich nicht so schnell wiederholt.