Ab der Gründung des Instituts für Tropisches Bauen an der damaligen Technischen Hochschule Darmstadt im Jahr 1970 reisten Architektur-Studierende und -Lehrende wiederholt in Länder des „Globalen Südens“, darunter Ghana, Kenia, Vietnam und Malaysia. Die Ziele waren vielfältig: Studierende legten Fotosammlungen an, führten Interviews mit der einheimischen Bevölkerung, suchten Stadtplanungsbehörden auf und nahmen an Workshops gastgebender Universitäten teil. Lehrende aus Darmstadt knüpften Netzwerke mit Wissenschaftler:innen und Behörden vor Ort, die nicht selten in Forschungsprojekte mündeten und erfolgreich Fördermittel mobilisieren konnten.

Behörden wie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit zeigten sich interessiert an einer Kooperation und unterstützten den Wissensaustausch zwischen der TH Darmstadt und anderen Forschungsinstituten in der Bundesrepublik und im Ausland. Auf diese Weise beteiligte sich die TH Darmstadt an der Entwicklungsarbeit der Bundesrepublik mit dem „Globalen Süden“, wobei durchaus auch neokoloniale Argumentationen zum Tragen kamen.

Heute rückt die Tätigkeit des Instituts für Tropisches Bauen und seiner Nachfolgerinstitution, des Fachgebiets Planen und Bauen in Entwicklungsländern, in den Blickpunkt der historischen Forschung. Die Teilnehmer:innen einer interdisziplinären Forschungswerkstatt im Wintersemester 2023/24 sichteten und systematisierten erstmals das überlieferte Quellen- und Bildmaterial sowie zeitgenössische Publikationen. Gespräche mit Zeitzeug:innen erweiterten die Informationsbasis. Das Seminar wurde von Dr. Frederike Lausch (Fachbereich Architektur) und Adrian Franco (Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften) gemeinsam mit Studierenden der Architektur umgesetzt.

Eine wissenschaftliche Beschäftigung mit der Vergangenheit von universitären Einrichtungen in Forschung und Lehre, die sich Planungsaufgaben im „Globalen Süden“ widmeten, ist vergleichsweise jung. Erste Forschungsarbeiten zu Architekturinstitutionen in Europa und Nordamerika bringen neue Erkenntnisse. Für die Bundesrepublik und die DDR finden aktuell entsprechende Forschungen statt.

Das Ziel der Forschungswerkstatt war eine Sichtung, Systematisierung und Veröffentlichung von historischen Quellen und Publikationen, die weitere Forschungsarbeiten ermöglichen können. Zu diesem Zweck wurde eine Anbindung an das europäische Blogportal für die Geistes- und Sozialwissenschaften hypotheses.org gesucht, das die Infrastruktur für den Forschungsblog bot. Der Forschungsblog wurde im Sommer 2024 veröffentlicht. Die Beteiligten der Forschungswerkstatt hoffen, dass die zusammengetragenen Informationen die Grundlage für weitere, auch vergleichende Forschungen bieten können.

Ein Gastbeitrag von Adrian Franco und Dr. Frederike Lausch