Simulation von Eisschilden, Elektromotoren und Lebensmitteln

Spitzenkonferenz des Computational Engineering an der TU Darmstadt

20.09.2024

Hochkarätige Forschende aus den Ingenieurswissenschaften und der Mathematik kommen ab dem 30. September 2024 zur fünften International Conference on Computational Engineering (ICCE 2024) in Darmstadt zusammen. Die dreitägige Veranstaltung mit rund 100 Teilnehmenden wird von der Graduiertenschule und dem Profilthema Computational Engineering (CE) der TU Darmstadt organisiert. Die drei dem Board of Chairs angehörenden TU-Professoren Michael Schäfer, Sebastian Schöps und Oliver Weeger erläutern Programm und Perspektiven.

Welche Entwicklung hat Computational Engineering (CE) in den vergangenen Jahren genommen? Wie lässt sich deren Relevanz in der Praxis, in Wirtschaft oder unserem Alltag an einem Beispiel verdeutlichen?

Sebastian Schöps.
Sebastian Schöps.

Sebastian Schöps: Computergestützte Simulation und Optimierung werden heute überall in der Industrie eingesetzt, z. B. im Produktdesign als virtuelle Prototypen oder als digitale Zwillinge danach. Der genaue Anteil der Simulation am Prozess ist ein Firmengeheimnis, aber man weiß z. B. von Boeing, dass für die 767 in den 1980er Jahren 77 Flügel gebaut und getestet wurden, aber durch den Einsatz von Supercomputern zur Simulation der Flügeleigenschaften bei neueren Modellen wie der 787 und der 747-8 nur noch sieben Flügel entworfen wurden. Das erlaubt eine enorme Zeit- und Kostenersparnis, zumal die Kosten für Windkanaltests in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen sind.

Michael Schäfer.
Michael Schäfer.

Welche Bedeutung hat die Konferenz für das wissenschaftliche CE-Netzwerk?

Michael Schäfer: Die CE-Community wird natürlich seit den 2000er Jahren stark von den USA getrieben, aber Deutschland ist hier von Anfang an sehr präsent. So startete z. B. der Bachelorstudiengang CE an der TU Darmstadt ebenfalls 2001 und damit vor vielen vergleichbaren Studiengängen in den USA. In Deutschland bringt die ICCE-Konferenzreihe, die gemeinsam mit den anderen deutschen Leuchttürmen RWTH Aachen, TU München und Universität Stuttgart veranstaltet wird, die deutsche Community zusammen und in Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen weltweit.

Oliver Weeger
Oliver Weeger

Wer und welche Forschungsgebiete treffen aufeinander?

Oliver Weeger: Die Konferenz bietet einen Treffpunkt für Forscherinnen und Forscher, die sich mit Berechnungsmethoden in allen Disziplinen der Ingenieurwissenschaften, der Informatik und der angewandten Mathematik befassen, mit besonderem Augenmerk auf jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Ziel der Konferenz ist es, den Stand der Technik in diesem anspruchsvollen Bereich zu diskutieren, vielversprechende Perspektiven für die künftige Forschung zu entwickeln und Kooperationen zu initiieren.

Sie konnten international herausragende Referentinnen und Referenten gewinnen…

Schäfer: Ja, zum Beispiel Joris Degroote von der Universität Gent, der sich mit der numerischen Simulation von Fluid-Struktur-Interaktionen beschäftigt, und Somata Goswami von der Johns Hopkins University in Baltimore, die sehr erfolgreich am hochaktuellen Thema des wissenschaftlichen maschinellen Lernens im Kontext von CE arbeitet. Angelika Humbert vom Alfred-Wegener-Institut und der Universität Bremen ist eine führende Expertin auf dem Gebiet der Modellierung und Simulation von Eisschilden. Besonders stolz sind wir, dass wir mit David Keyes von der König-Abdullah-Universität für Wissenschaft und Technologie in Saudi-Arabien einen der Väter des Computational Engineering in den USA als Redner gewinnen konnten. Er wurde kürzlich als einer der 35 „Inaugural Legends of High-Performance Computing“ ausgezeichnet.

Sie haben sich auch ein neues Format ausgedacht?

Schöps: Wir haben in die Tagung eine Studierendenkonferenz integriert, bei der Bachelor- und Master-Studierende des Computational Engineering oder fachlich nahestehender Disziplinen die Gelegenheit erhalten, ihre Forschung zu präsentieren. Auf Anregung der Studierendenvertretungen und Fachschaften haben wir uns für ein neues Format entschieden: Nach einer Kurzpräsentation der Themen im Plenum (jeweils zwei bis drei Minuten) stehen die Studierenden an individuellen „Project Desks“ zur fachlichen Diskussion bereit. Hier werden dann Exponate, Folien, Skizzen oder Poster gezeigt. Aktuell haben sich mehr als 35 Studierende der beteiligten Universitäten für eine Teilnahme an der ICCE 2024 angemeldet, von denen etwa 20 ihre Forschung präsentieren werden.

Welche Ergebnisse und Erkenntnisse der Konferenz sind zu erwarten?

Weeger: Wir erwarten auf der Konferenz viele neue und spannende Beiträge – von der Simulation von Eisschilden über Elektromotoren bis hin zur Simulation von Lebensmitteln. Die daraus resultierenden Erkenntnisse werden durch die Diskussionen mit den Kolleg:innen noch einmal an Qualität gewinnen. Nach der Konferenz sind die Teilnehmenden dann eingeladen, die Ergebnisse als Beiträge in der Buchreihe „Recent Advances in Computational Engineering“ zu publizieren, so dass sie für jeden zugänglich werden. mih

Was ist CE?

Die computergestützte Modellierung, Simulation, Analyse und Optimierung in den Ingenieurwissenschaften ist heute neben Theorie und Experiment die etablierte, dritte Säule im wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn ebenso wie in der ingenieurwissenschaftlichen Praxis. Die computergestützte Simulation ermöglicht die Untersuchung komplexer, ingenieurwissenschaftlicher Systeme und Naturphänomene, bei denen der direkte Zugang durch Experimente zu aufwändig, zu teuer, zu gefährlich oder gar unmöglich ist. Computational Engineering beschriebt diese rasant wachsende, neue Wissenschaftsdisziplin mit engen Verbindungen zur Angewandten Mathematik, der Informatik und den Ingenieurwissenschaften.