Athene-Preise 2024: Innovation und Vielfalt in der Lehre

TU Darmstadt zeichnet herausragende Best-Practice-Modelle aus

21.11.2024

An der TU sind am Mittwoch (20.) die „Athene-Preise für gute Lehre“ vergeben worden. Damit zeichnet die Carlo und Karin Giersch-Stiftung seit 2010 Einzelpersonen, Gruppen oder Organisationseinheiten aus, die vorbildliche und herausragende Formate in die akademische Lehre eingebracht haben. Die Preise sind mit insgesamt 46.000 Euro dotiert. Die Preisverleihung findet im Anschluss an den jährlich stattfindenden „Tag der Lehre“ statt.

Den mit 5.000 Euro dotierten Hauptpreis erhielt in diesem Jahr ein interdisziplinär aufgestelltes Team: Adrian Franco, Doktorand im Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften, und Dr. Frederike Lausch, seinerzeit Postdoc am Fachbereich Architektur, verfolgten in ihrer „Forschungswerkstatt zur Geschichte des Instituts für Tropisches Bauen in Darmstadt (1960er–1990er Jahre)“ ein Stück TU-Historie: die Geschichte und das Arbeiten des Instituts für Tropisches Bauen, später Fachgebiet Planen und Bauen in Entwicklungsländern.

Lausch und Franco gingen mit ihren Studierenden weit in die Vergangenheit: 1970 reiste eine Gruppe von Architekturstudierenden aus Darmstadt mit dem Auto bis nach Accra, der Hauptstadt der Republik Ghana, um klimaangepasste Bautechniken vor Ort zu dokumentieren. Zur selben Zeit nahm ein „Institut für Tropisches Bauen“ im Fachbereich Architektur Gestalt an. Bis in die 1990er Jahre setzten sich Studierende dort mit Bauaufgaben im sogenannten Globalen Süden auseinander. Das Institut und später das Fachgebiet „Planen und Bauen in Entwicklungsländern“ zog internationale Studierende an, und ein globales Netzwerk von Forschenden und Institutionen wurde geknüpft. Die umfangreichen Materialien, die in Bibliotheken und Archiven der TU verblieben, inspirierten Franco und Lausch zu ihrem Lehrformat.

Das Seminar im Wintersemester 2023/24 fragte nach dem historischen Blick auf „Entwicklungsländer“ und nach Formen des Wissenstransfers in Lehre und Forschung. Ziel war, die überlieferten Quellen zu erschließen und sie kritisch zu analysieren. Die Ergebnisse machten Lausch, Franco und die Studierenden in einem aufwendig gestalteten und reich bebilderten Blog – gleichsam einer digitalen Ausstellung – für die Öffentlichkeit zugänglich. Aus heutiger Sicht erscheint die in den akademischen Quellen dokumentierte Sicht auf Ausbildung, Wissen und Bausituation in damaligen Entwicklungsländern gelegentlich herablassend. Und auch handfeste marktwirtschaftliche Interessen sowie die westdeutsche Wirtschafts-, Entwicklungs- und Außenpolitik spielten in Forschung und Lehre ihre Rolle.

Die Lehrveranstaltung leistete damit ein Stück Aufarbeitung der globalen TU-Geschichte aus interdisziplinärer Perspektive. Für den Athene-Preis vorgeschlagen wurde das Seminar von einem studentischen Teilnehmer: „Die Organisation von Gastvorträgen mit verschiedenen Hintergründen und die damit verbundene Diskussion zu Themen von Diversität und Rassismus in der Lehre und Architektur sowohl im Rückblick auf die archivierten Materialien, die dem Seminar zu Verfügung standen, als auch mit Ausblick auf die heutige Lehre und Architektur, war besonders bereichernd“, heißt es in seiner Begründung.

Die Sonderpreise – dotiert jeweils mit 5.000 Euro

Sonderpreis Digitale Lehre

Die Mathematik-Professoren Moritz Egert und Robert Haller wurden für ein internationales Großprojekt mit dem „Sonderpreis Digitale Lehre“ ausgezeichnet, das maßgeblich im virtuellen Raum stattfand: Das „International Internet Seminar on Evolution Equations“ im Rahmen einer Reihe, die seit 1997 besteht und die die beiden Wissenschaftler im Wintersemester 2023/24 erstmals an die TU Darmstadt holten. Die Ausgestaltung der Seminare variiert jedes Jahr. Bei der nun mit dem Sonderpreis ausgezeichneten Veranstaltung nahmen über die TU-Plattform guest-moodle 381 Studierende und Forschende aus 47 Ländern an einer virtuellen Vorlesung zum Thema „Harmonic Analysis Techniques for Elliptic Operators“ teil. Im Anschluss arbeiteten sie in kleinen Teams an 15 Forschungsprojekten unter der Leitung internationaler Wissenschaftler:innen. Große Bedeutung hatte dabei die Internationalität. So bot das Projekt Masterstudierenden und Promovierenden eine wertvolle Möglichkeit zur internationalen Vernetzung und Zusammenarbeit in der frühen Phase ihrer wissenschaftlichen Karriere. Im Juni 2024 endete die Veranstaltung mit einer Konferenz in Luminy, Frankreich.

Sonderpreis Gender- und Diversitysensible Lehre

Den Sonderpreis Gender- und Diversitysensible Lehre erhielten Dr. Olga Zitzelsberger, Tatjana Kasatschenko und Dr. Ece Kaya (Fachbereich Humanwissenschaften) für das auf fünf Jahre angelegte Projekt „Vibi!“ („Vielfalt bildet! Rassismuskritische Bildungsarbeit gemeinsam gestalten“). Mit dem Preis wurde die bedeutende Arbeit in der diversitätssensiblen Lehre und Forschung gewürdigt. In Zusammenarbeit mit der Fachschaft Pädagogik und dem AStA-Referat für Antidiskriminierung fördert Vibi! seit fünf Jahren die kritische Auseinandersetzung mit Diskriminierungsformen wie Rassismus, Antisemitismus und Sexismus, insbesondere in der Lehrer:innenbildung. Dabei stehen die Sensibilisierung und Bildung angehender Lehrer:innen und Pädagog:innen im Mittelpunkt. Das Projekt bringt außeruniversitäre Bildungseinrichtungen, zivilgesellschaftliche Organisationen sowie Minderheitenvertretungen zusammen und dient als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und pädagogischer Praxis sowie zwischen Hochschule und Zivilgesellschaft. Insgesamt konnten im Rahmen des Projekts über 700 Personen, darunter Studierende, Lehrende und Fachleute aus verschiedenen Bereichen erreicht werden.

Die Angebote von Vibi! umfassen multiperspektivische, mehrsprachige und multimediale Formate wie Vorträge, Podiumsdiskussionen, Workshops, Exkursionen und Lehrkräftefortbildungen. Auch digitale Formate und internationale Kooperationen, wurden erfolgreich erprobt.

Sonderpreis Interdisziplinäre Lehre

Für die Organisation der Ringvorlesung „(Digitaler) Faschismus?“ wurde Dr. Kai Denker (Institut für Philosophie, Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften) mit dem Sonderpreis Interdisziplinäre Lehre ausgezeichnet. Die Vorlesungsreihe fand im Sommersemester 2023 statt und beschäftigte sich interdisziplinär mit dem aktuellen Phänomen des Rechtsextremismus und der „Neuen Rechten“ – ein Thema mit großer gesellschaftlicher Bedeutung, das in seiner Komplexität die Grenzen einzelner Disziplinen überschreitet. Dem wurde die Ringvorlesung gerecht. Beiträge aus Philosophie, Ethnologie, Soziologie, Informatik, Politik- und Geschichtswissenschaft beleuchteten das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven. Die Veranstaltung war eng mit dem Forschungsprojekt „MISRIK“ (Meme, Ideen, Strategien rechtsextremistischer Internetkommunikation) verknüpft, das die digitale Kommunikation von Rechtsextremisten untersucht. Im Rahmen der Ringvorlesung setzten Studierende sich kritisch mit der Frage auseinander, ob der gegenwärtige Rechtsextremismus als „digitaler Faschismus“ bezeichnet werden kann, und entwickelten eigene fundierte Positionen. Ein besonderer Fokus lag auf der Verknüpfung von Online- und Offline-Strategien im Spektrum der extremen Rechten, die darauf abzielen, ihre ideologische Dynamik anschlussfähig zu machen.

Die Fachbereichspreise sind mit jeweils 2000 Euro dotiert. Ausgezeichnet wurden:

Professorin Carolin Bock und Team für das Modul „Project in Entrepreneurship and Innovation Management“ das Interdisziplinarität, Zusammenarbeit und lösungsorientiertes Handeln von Studierenden fördert.

Professor Nicolai Hannig für das besondere Engagement im kooperative Lehrforschungsprojekt mit digitaler Ausstellung „Kino in Darmstadt“.

Thomas Sommer, Jan Carl Strack und Catherine Janssen für die hervorragende Organisation und Betreuung der Praxisphase 1 und des Grundpraktikums im Lehramtsstudium.

Dr. Anton Guethge für die hervorragende Assistenz und Übungsleitung zur Vorlesung „Algebraische Geometrie 2“

Professor Jens Braun für die herausragenden Leistungen und das große Engagement als Studiendekan

Krenare Ibraj und Yannick L. Legscha für die kompetente Umsetzung einer innovativen „Bildung für nachhaltige Entwicklung“-Lehrkräftefortbildung mit Studierenden

Kai Kabuth, Antonia Schetle und Melina Baur für das herausragende studentische Engagement bei der Etablierung und Organisation des CompuGene Student Labs, einem innovativem Lehrformat

Jürgen Mutzl und Dr. Kai Nitzsche für das „Project Seminar“ im internationalen Masterstudiengang TropHEE, ein innovatives Lehrformat für fachliche und fachübergreifende Kompetenzen

Dr.-Ing. Kaja Beer für außergewöhnliches Engagement, insbesondere in Zeiten besonderer Herausforderungen wie der Corona-Pandemie und der Energiekrise

Dr. Frederike Lausch und Adrian Franco für die Aufarbeitung der globalen TU-Geschichte aus interdisziplinärer Perspektive mit der „Forschungswerkstatt zur Geschichte des Instituts für Tropisches Bauen in Darmstadt (1960er–1990er Jahre)“

Professor Christian Mittelstedt für die sehr gute Lehre, die enge und persönliche Betreuung sowie den besonderen Prüfungsmodus im Rahmen der Lehrveranstaltung „Composite Structures“

Professor Michael Muma für die gute Lehre im Bereich „Robust Data Science with Biomedical Applications“ durch die Verzahnung von Theoriebasis mit moderner Forschung

Professor Thomas Schneider, Andreas Brüggemann, Nora Khayata, Daniel Günther und Sebastian Engel für die praxisorientierte Restrukturierung der Erstsemester-Lehrveranstaltung „Digitaltechnik“ im Sinne der Studierenden