Mehr Licht in das Design von Keramiken bringen

Zukunftsforum Elektrokeramik an der TU Darmstadt

06.03.2025 von

An der TU Darmstadt treffen sich Materialwissenschaftler:innen und Industrievertreter:innen, um über einen neuen Ansatz zur Erforschung der Eigenschaften von Elektrokeramiken zu diskutieren. Ein besseres Verständnis der Materialien auf atomarer Ebene soll bessere Werkstoffe für Sensoren, Batterien oder Brennstoffzellen bringen.

„Defekt – das klingt eigentlich nicht gut“, sagt Andreas Klein. Doch in den Keramiken, die der Materialwissenschaftler erforscht, sind Defekte oft erwünscht. Menschen nutzen Keramiken seit Jahrtausenden – für Kunst oder Gefäße. In der modernen Technik sind sie zentral, etwa als Implantate, Schneidewerkzeuge oder Lager. Andreas Klein erforscht Elektrokeramiken, die als Isolatoren, Sensoren, LEDs, Datenspeicher oder Batteriekomponenten unverzichtbar sind. Er will sie auf atomarer Ebene besser verstehen, um ihre Eigenschaften gezielt zu designen.

Das ist auch das Ziel des Sonderforschungsbereichs „FLAIR“, der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Österreichischen Wissenschaftsfonds gefördert wird. „Was wir machen, steht in keinem Lehrbuch“, sagt Klein. Um sich besser mit der Industrie zu vernetzen, luden die FLAIR-Wissenschaftler:innen zum „Zukunftsforum Elektrokeramik“. Firmen wie Bosch, Ceramtec oder TDK folgten der Einladung in das Georg-Christoph-Lichtenberg-Haus der TU Darmstadt.

Viel Potenzial für Verbesserungen

Keramiken bestehen meist aus mehreren Stoffen wie Barium, Titan und Sauerstoff. Schon kleinste Veränderungen in Zusammensetzung und Herstellung beeinflussen Eigenschaften wie Leitfähigkeit oder Festigkeit. Heute entstehen gewünschte Eigenschaften oft durch Ausprobieren – ein langwieriger Prozess mit teils unbefriedigenden Ergebnissen. Es bleibt viel Potenzial für Verbesserungen und Innovationen. So möchten Forschende etwa Elektrokeramiken entwickeln, die langsamer altern. „Auch energiesparendere, kostengünstigere Prozesse wären wünschenswert“, sagt Klein. Zudem werden nachhaltigere Lösungen gesucht, etwa bleifreie Keramiken für medizinische Anwendungen.

Defekte spielen eine entscheidende Rolle für die Eigenschaften von Keramiken. Dazu zählen fehlende oder fremde Atome im Kristallgitter sowie Grenzflächen zwischen Kristallkörnern. Oft beschleunigen sie das Altern, können aber auch gezielt Eigenschaften wie die elektrische Leitfähigkeit beeinflussen. Das Problem: Ihre Auswirkungen sind schwer vorherzusagen.

Schulterschluss mit der Industrie

Yue Liu, Doktorandin bei Andreas Klein, skizzierte in ihrem Vortrag einen Ausweg aus dem Dilemma. „Alle Arten von Defekten lassen sich über die Fermi-Energie beschreiben“, erklärt Liu. Die „Fermi-Energie“ charakterisiert die elektronischen Eigenschaften eines Festkörpers. Sie lässt sich relativ leicht messen und könnte laut Liu als Schlüssel dienen, um den Einfluss von Defekten auf die Eigenschaften zu erforschen. „Wir wollen die Teilnehmer_innen aus der Industrie überzeugen, dass dieser Ansatz der Richtige ist“, sagt Klein. Er hofft auf einen „Aha-Effekt“.

Wer einen Schlüssel zum besseren Verständnis von Elektrokeramiken in der Hand hat, kann Werkstoffe planvoll designen, die Forschenden von FLAIR sprechen von „Fermi-Level Engineering“. Als Beispiel nennt Jurij Koruza leistungsfähigere piezokeramische Aktoren oder Sensoren aus nachhaltigen Materialien. „Innovation kommt aus Verständnis“, betont der Materialwissenschaftler von der Technischen Universität Graz. Die Vertreter:innen der Industrie zeigen sich im Lichtenberghaus interessiert, wie intensive Diskussionen zwischen den Vorträgen beweisen. „Hier werden genau die Herausforderungen angesprochen, die wir in der Praxis haben“, sagt Dr. Paula Huth von der Thüringer Firma PI Ceramic GmbH.

Doch das Wissen soll nicht nur in einer Richtung fließen. „Auch wir als Grundlagenforscher lernen aus den Fragen der Industrie“, erklärt Klein. Sie dienen den Forschenden als Orientierungshilfe. „Es geht darum, eine gemeinsame Sprache zu entwickeln“, betont Klein. Denn heute klaffe oft noch eine Lücke zwischen der akademischen Forschung und der Industrie. In einer Zeit, in der die deutsche Industrie noch innovativer werden muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben, ist ein solcher Schulterschluss unverzichtbar.