„Das Studium war die Grundlage, …“
TU-Alumnus Dr. Arno Antlitz ist heute Finanzvorstand der Volkswagen Group Deutschland
09.05.2025 von Astrid Ludwig
Die Kombination aus Technik und Wirtschaft hat ihn schon als Jugendlichen fasziniert. Ein Grund, warum Arno Antlitz’ Studienwahl auf die TU Darmstadt fiel, die in den 1980er Jahren als eine der wenigen Universitäten ein Wirtschaftsingenieurstudium mit Schwerpunkt Maschinenbau anbot. „Hinzu kam der erstklassige Ruf der Darmstädter“, betont der Alumnus, der später an der WHU Koblenz promovierte. Seit über 20 Jahren arbeitet der 55-Jährige für Volkswagen, seit 2021 ist er im Konzern-Vorstand für die Finanzen und das Operative Geschäft verantwortlich.

Seine Interessen entdeckte Arno Antlitz früh. Mathe und Physik waren das und ökonomische Themen. Mit Zahlen konnte er schon als Junge umgehen. Als Teenager erstarkte die Begeisterung für Technik. Aufgewachsen ist er in einem kleinen Ort mit knapp tausend Einwohnern in Unterfranken am Rande der Rhön. Im 20 Kilometer entfernten Bad Kissingen gab es eine Tankstelle mit angeschlossener Werkstatt. „Da habe ich häufig gearbeitet, vor allem in den Sommerferien“, erzählt der Mann, der heute einer der führenden Manager bei Deutschlands größtem Autobauer ist. Über Privates spricht der Familienvater nicht gern. Er spielte in der Jugend im Fußballverein. Im örtlichen Schützenverein wurde er Jugendmeister, gewann einen Pokal. Damalige Vereinsmitglieder erinnern sich an ihn als „verlässlich und gesellig, aber nicht ausschweifend“, wie die FAZ einmal schrieb. Er sei jemand mit klarem Verstand und gutem Gedächtnis. Eine Beschreibung, die der TU-Alumnus gelten lässt.
Eigenschaften, die ihm auch im Studium halfen. Es wundert nicht, dass eines seiner Lieblingsfächer die bei Kommilitonen viel gefürchtete Thermodynamik war. Gut war er auch in höherer Konstruktionslehre, die heute Produktentwicklung oder Product Design heißt. Herbert Birkhofer, langjähriger Leiter des Instituts für Produktentwicklung und Maschinenelemente, war einer der Professoren, die Arno Antlitz noch heute in positiver Erinnerung hat. Ebenso Bert Rürup, Wirtschaftsweiser und Politikberater, der drei Jahrzehnte Finanz- und Wirtschaftspolitik an der TU Darmstadt lehrte. Für den VW-Manager ein „Highlight“ seines Studiums. „Seine Kolumnen im Handelsblatt lese ich immer noch gerne.“
Ehrgeizig und international ausgerichtet
Arno Antlitz wirkt ruhig und überlegt. Dass er sein Studium an der TU Darmstadt mit Auszeichnung abschloss, möchte er nur ungern in den Vordergrund rücken. Vermutlich klingt ihm das zu strebsam, obwohl er den Wettbewerb schon zu Studienzeiten schätzte. Begeistert erinnert er sich an den International Design Contest (IDC). Jeweils zwei Studierende mussten aus einem Baukasten von Halbzeugen sowie Antriebs- und Steuerkomponenten einen Roboter entwickeln und bauen, der dann im Wettbewerb Geschicklichkeitsaufgaben zu bewältigen hatte. Fünf Sieger-Teams, darunter er, durften nach Boston ans MIT reisen, wo erneut ein Roboter dann in einem internationalen Team gebaut wurde. „Selten so wenig geschlafen, aber so viel Spaß gehabt“, erzählt Antlitz. Wobei er sich vage daran erinnert, dass der Roboter seines Teams am MIT recht schnell ausschied. „Man könnte meinen, dabei sein ist alles, aber am Ende bin ich wohl doch eher kompetitiv“, sagt er und lacht.
„Die TU hat immer viel Internationalität und Interaktion ermöglicht“, lobt der Alumnus. „Viele meiner Auslandsaufenthalte wurden durch die Universität befördert.“ So verbrachte er ein Semester an der TU Eindhoven in den Niederlanden und arbeitete als Summer Associate bei Deloitte&Touche im südafrikanischen Johannesburg. „Das war unglaublich bereichernd. Es herrschte Aufbruchstimmung im ganzen Land unter der neuen Regierung Nelson Mandelas.“ Mitarbeiten durfte er unter anderem an einem Projekt zur Optimierung des südafrikanischen Rundfunks. Der parallele Studiengang Maschinenbau und Wirtschaftswissenschaften der TU Darmstadt, bilanziert Arno Antlitz, habe seine Fähigkeit gestärkt, Gesamtzusammenhänge zu erkennen und zu verstehen – aber auch sich zu fokussieren und zu priorisieren, ohne den Überblick zu verlieren. „Das Studium war die Grundlage, um viele Bereiche analytisch zu durchdringen und gute Lösungen für komplexe Fragestellungen zu finden“, sagt der VW-Manager.
Antlitz sieht Chancen
In der anschließenden Promotion an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU) Koblenz konzentrierte sich Arno Antlitz dann mehr auf die kaufmännischen Aspekte und gründete gleichzeitig eine studentische Unternehmensberatung. Später – gerade den Doktortitel erworben – wechselte er zur Unternehmensberatung McKinsey&Company. Fünf Jahre betreute er dort Projekte, die sich vorwiegend mit Strategie, Organisations- und Kostenoptimierung in der Automobil- und Zulieferindustrie beschäftigten. Ein Schwerpunkt, der ihn für den Volkswagen Konzern empfahl, bei dem er 2004 anfing. Ein Jahr später übernahm er das weltweite Produktcontrolling der Marke VW. Seither hat er sich in Wolfsburg eine Karriere als Finanz-Manager und Stratege erarbeitet. 2010 wurde er Vorstand in der Marke Volkswagen für Controlling und Rechnungswesen. Nach kurzer Station als Chief Financial Officer von Audi übernahm er 2021 die Gesamtverantwortung für die Finanzen des Volkswagenkonzerns und seit 2022 dann auch die Leitung des operativen Geschäfts.
In Zeiten, in denen die Automobilbranche mit der Transformation zur Elektro-Mobilität, mit einer schwächelnden Wirtschaft, globalen Umbrüchen und einem härteren weltweiten Wettbewerb zu kämpfen hat, kein leichter Job. Zumal der Volkswagen Konzern als globales Unternehmen mit deutschen Wurzeln als eine Art Testfall für die deutsche Wirtschaft als Ganzes angesehen wird. Alle Augen richten sich auf Wolfsburg, wenn der Autobauer die Schließung deutscher Werke und einen notwendigen Spar- und Umbaukurs diskutiert. „Volkswagen hat beides: eine wirtschaftliche und eine gesellschaftliche Relevanz. Das ist etwas, was wir bei unseren Entscheidungen mitberücksichtigen“, sagt Arno Antlitz.
Antlitz steht im Fokus. Der TU-Alumnus deutet die aktuelle Situation jedoch positiv und sieht die Chancen. Er fühlt sich motiviert, „den Konzern in eine sichere Zukunft zu steuern, auch wenn es dafür der ein oder anderen harten Entscheidung bedarf“. Künstliche Intelligenz, die Konkurrenz aus China, eine sich verändernde wirtschaftspolitische Landschaft, das sind für ihn Wegpunkte und Herausforderungen, die das größtes Unternehmen des Landes zu meistern hat. Der Konzern müsse sich auf seine Stärken konzentrieren. „Wir haben starke Marken wie kaum ein anderes Unternehmen.“ Etwa Audi, Porsche, Lamborghini, VW – jetzt gelte es, mehr aus diesen Stärken zu machen. „Wir müssen wirtschaftliche Voraussetzungen schaffen und die Ertragsstärke verbessern, um uns die Transformation auch leisten zu können“, sagt Antlitz. Das bedeute, man müsse runter von den hohen Kosten. Den Blick will er jedoch nicht allein auf Werksschließungen fokussieren. „Manche Bereiche wachsen, andere werden restrukturiert.“ Wichtig sei, die Belegschaft mitzunehmen, so der TU-Alumnus.
Auch die globale Strategie steht laut dem Finanzvorstand: Mit neuen Produkten speziell entwickelt für die Regionen und gemeinsam mit Technologiepartnern vor Ort. Volkswagen werde kraftvoll in die E-Mobilität investieren, aber auch die Verbrenner-Technik wettbewerbsfähig halten. „Die E-Mobilität kommt langsamer als erwartet, aber die Zukunft wird elektrisch sein“, ist Antlitz überzeugt. Er selbst tankt Kraft auf Skitouren und gemeinsam mit der Familie. Wer ständig unter Beobachtung ist, braucht Rückzugsorte, um dann wieder voll einsteigen zu können.