Forschung im Einsatz: auf Brücken und bei Reaktionen

Kurt-Ruths-Preis 2025 geht an Dr. Leon Schumacher und Dr.-Ing. Steven R. Lorenzen

16.06.2025

Der mit 12.000 Euro dotierte Kurt-Ruths-Preis der TU Darmstadt wird in diesem Jahr zu gleichen Teilen an den Chemiker Dr. Leon Schumacher und den Bauingenieur Dr.-Ing. Steven R. Lorenzen verliehen. Die Forscher entwickelten neue Methoden, die direkt in der Katalysatorentwicklung und bei der Brückenüberwachung Anwendung finden.

Kurt-Ruths-Preisträger Dr. Leon Schumacher

Propylen ist für die chemische Industrie ein wichtiger Ausgangsstoff, zum Beispiel für die Kunststoffherstellung. Seine Herstellung ist jedoch energieaufwändig und erfordert den Einsatz von Katalysatoren. Die Suche nach geeigneten Katalysatoren ist besonders lohnend, da die chemischen Reaktionen zur Popylenherstellung umso effizienter verlaufen, je passgenauer die entsprechenden Katalysatoren gewählt werden. Dem Kurt-Ruths-Preisträger Dr. Leon Schumacher gelang es, in seiner Dissertation sowohl auf experimenteller als auch auf theoretischer Ebene, richtungsweisende neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Wirkungsweise von Katalysatoren bei der Propylenherstellung zu erhalten. Dafür stellte er neue Ansätze vor, die die aktuellen, energieaufwändigen technischen Prozesse ersetzen können. Zudem identifizierte er neue Methoden, um den Reaktionsmechanismus der Propylenherstellung zu analysieren und nutzte dieses Wissen, um neue, verbesserte Katalysatoren für die Propylenherstellung zu entwickeln.

„Die Forschungsergebnisse von Dr. Schumacher sind sowohl für die gezielte Katalysatorentwicklung für technisch relevante Selektivoxidationen als auch die grundlegende Entwicklung neuer spektroskopischer Methoden von herausragender Bedeutung“, sagt Professor Christian Hess vom Fachbereich Chemie, der die Dissertation betreute. Beides finde schon jetzt in der Scientific Community große Beachtung, einerseits über die zahlreichen Publikationen in renommierten internationalen Zeitschriften, andererseits über eingeladene Vorträge auf internationalen Kongressen. Zudem „ist es bemerkenswert, dass Leon Schumacher neben seinem Master-Studium in Chemie und der Doktorarbeit noch ein zusätzliches Studium in Wirtschaftswissenschaften absolvieren und kurz nach der Dissertation mit dem Bachelor erfolgreich abschließen konnte“.

Dr. Leon Schumacher studierte Chemie an der TU Darmstadt. Nach seinem Masterabschluss arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Eduard-Zintl-Institut für Anorganische und Physikalische Chemie im Arbeitskreis von Professor Christian Hess. Seine Dissertation „Mechanistic Insight into Hetero-geneous Oxidation Catalysts using Combined Operando and Transient Spectroscopies Supported by DFT“ zur heterogenen Katalyse schloss er mit dem Prädikat „mit Auszeichnung bestanden“ ab. Die Ergebnisse fanden in der Scientific Community große Beachtung und wurden in mehreren renommierten internationalen Zeitschriften publiziert. Für seine herausragende wissenschaftliche Leistung wurde Schumacher bereits 2024 der Dissertationspreis der Freunde der TU Darmstadt verliehen.

Kurt-Ruths-Preisträger Dr.-Ing Steven R. Lorenzen

Dr.-Ing Steven R. Lorenzen hat sich in seiner Dissertation mit Methoden zur Überwachung und Lebenszeitverlängerung von Eisenbahnbrücken mit Hilfe von „Drive-by Monitoring“ befasst. Die Überwachung von Brücken mit fest verbauten Geräten ist aufwändig und kostspielig. Beim „Drive-by Monitoring“ werden stattdessen die Züge mit Sensoren ausgestattet, die bei jeder Überfahrt Messungen vornehmen können. So lässt sich mit wenigen Zügen das gesamte Netz kontrollieren. Eine besondere Herausforderung sind dabei die oft kurzen Spannweiten der Brücken bei gleichzeitig hoher Geschwindigkeit der Züge. Lorenzen konnte dieses Problem mit Hilfe der Baudynamik lösen und hat im Rahmen seiner Promotion ein Verfahren entwickelt, bei dem am Zug angebrachte Beschleunigungssensoren beim Überqueren einer Brücke deren Resonanzfrequenz ermitteln.

Brücken sind nicht starr, sondern Strukturen, die sich konstruktionsbedingt bewegen beziehungsweise schwingen können. Diese freie Schwingung nennt sich Eigenfrequenz. Wirkt nun eine Kraft mit der gleichen Frequenz von außen auf die Brücke ein – zum Beispiel durch einen Zug – kann Resonanz entstehen, die Schwingungen intensivieren sich, was im schlimmsten Fall zum Einsturz führen kann. Dank der neuen Methode, mit der sich nun die Resonanzfrequenzen von Brücken ermitteln lassen, können die gefährlichen „Resonanzüberfahrten“ vermieden werden, etwa durch minimale Geschwindigkeitsanpassungen. Die Lebensdauer von Brücken erhöht sich dadurch signifikant.

„Angesichts des schlechten Zustands vieler Brücken in Deutschland und der Belastungen durch neue Zugtypen sind innovative Methoden zur Überwachung und Lebenszeitverlängerung dieser Brücken erforderlich und gesellschaftlich höchst relevant“, sagt der Leiter des Instituts für Statik und Konstruktion, Professor Clemens Hübler vom Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften. „Was Steven R. Lorenzen zudem auszeichnet, ist nicht nur die reine Leistung, sondern die Fähigkeit und der Wunsch, darüber hinaus zur Wissenschaft und dem Hochschulbetrieb beizutragen. Meiner Einschätzung nach wird Dr. Lorenzen in Zukunft durch seine Kreativität und Leistungsfähigkeit bedeutende Beiträge zur Weiterentwicklung des Bauwerksmonitorings und der Baudynamik leisten.“

Dr.-Ing. Steven R. Lorenzen studierte Bauingenieurwesen mit der Vertiefung Konstruktiver Ingenieurbau an der Frankfurt University of Applied Sciences (UAS). Für seine herausragenden Leistungen erhielt er den Dreßlerbau-Preis für den besten Abschluss seines Jahrgangs sowie den Absolventenpreis des Fördervereins für sein außergewöhnliches Engagement innerhalb der Hochschule. Anschließend setzte er sein Studium an der TU Darmstadt im Studiengang Konstruktiver Ingenieurbau fort. Während seines Masterstudiums arbeitete er Teilzeit in einem Projektsteuerungsbüro, um praktische Erfahrungen in der Wirtschaft zu sammeln. Zudem hatte er direkt nach dem Bachelorstudium einen Lehrauftrag an der UAS, wo er über sieben Jahre Vorlesungen und Übungen in Baustatik und Stahlbau hielt.

Nach dem Masterstudium begann Lorenzen eine Beschäftigung als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Statik und Konstruktion (ISM+D) des Fachbereichs Bau- und Umweltingenieurwissenschaften der TU Darmstadt. Seine Dissertation „Railway Bridge Monitoring with Minimal Sensor Deployment: Virtual Sensing and Resonance Curve-Based Drive-by Monitoring“ schloss er mit dem Prädikat „mit Auszeichnung bestanden“ ab. Mit seiner Dissertation war er außerdem 2023 Finalist des Deutschen Studienpreises der Körber-Stiftung, seine Arbeit zählte zu den elf besten im Bereich Naturwissenschaft und Technik. Seit 2024 ist Lorenzen Professor für „Künstliche Intelligenz im Bauwesen “ an der UAS.

Kurt-Ruths-Preis an der TU Darmstadt

Der seit 1989 jährlich verliehene Kurt-Ruths-Preis ist mit 12.000 Euro dotiert. Er würdigt herausragende wissenschaftliche Leistungen aus den Fachbereichen Architektur, Bau- und Umweltingenieurwissenschaften sowie Chemie und wird an Early-Career-Forschende der TU Darmstadt verliehen, die sich durch herausragende Dissertationen ausgezeichnet haben. Der Preis geht zurück auf Kurt Ruths, den langjährigen Sprecher der Geschäftsführung der Braas-Gruppe.

cst