Die Ästhetik der Demokratie

Neues Graduiertenkolleg an der Goethe-Uni Frankfurt mit Beteiligung der TU Darmstadt

17.06.2025

Demokratie ist nicht nur eine Staatsform, sondern auch eine Form des Zusammenlebens: Auf dieser Grundannahme basiert das neue Graduiertenkolleg „Ästhetik der Demokratie“ an der Goethe-Universität Frankfurt, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) bewilligt hat. Im Sprecher:innen-Team ist auch TU-Professorin Sophie Loidolt vom Institut für Philosophie.

Protestbewegungen bedienen sich häufig an literarischen und populärkulturellen Werken. Die roten Roben und weißen Hauben aus Margaret Atwoods‘ Roman „The Handmaid’s Tale“ etwa lieferten im vergangenen Jahrzehnt das Symbol für die weltweiten Demonstrationen für körperliche Selbstbestimmungsrechte von Frauen. Hier eine Demonstration 2017 in Texas.

„Die Demokratieforschung führt in den geisteswissenschaftlichen Fächern bislang ein eher randständiges Dasein. Das wollen wir ändern“, sagt Professor Johannes Völz, Amerikanist an der Goethe-Universität und Sprecher des neuen Graduiertenkollegs „Ästhetik der Demokratie“. Praktiken, Rituale und Normen der gelebten Demokratie seien durch die sozialwissenschaftlichen Disziplinen ausgiebig erforscht, nicht jedoch die sinnliche Dimension. Gerade in Zeiten, da die demokratisch verfassten Gesellschaften weltweit in die Defensive gerieten, sei aber das Wissen um die ästhetisch-emotionalen Bedingungen demokratischen Zusammenlebens wichtig. Die kritische Auseinandersetzung, das ständige Ringen um die richtige Form des Zusammenlebens gehöre zum Wesenskern des demokratischen Prinzips: „Die Aushandlung ihrer Form ist ihre Form“, heißt es im Antrag. Während die Ästhetik des Faschismus gut erforscht sei, gebe es zur Ästhetik der Demokratie kaum Literatur, betont Johannes Völz.

Dies soll sich mit Hilfe des neuen Graduiertenkollegs nun ändern. Was macht die Demokratie jenseits von Institutionen und Prozessen aus? Wie manifestiert sie sich in sinnlichen Erfahrungen? „Solange uns nicht bewusst ist, was das demokratische Zusammenleben ausmacht, wird es uns schwerfallen, die Demokratie zu verteidigen“, so Völz. Der geisteswissenschaftliche Blick auf die Demokratie verspricht dabei auch ungewohnte Perspektiven. So gehen die Antragstellenden davon aus, dass sich auch in autoritären Staaten vereinzelt demokratische Formen des Zusammenlebens ausmachen lassen, etwa in der Populärkultur Chinas, in der Casting Shows im Staatsfernsehen Anfang der 2000er Jahre als demokratische Praxis verstanden und gefeiert wurden.

Internationaler Schwerpunkt für ästhetische und kulturelle Demokratieforschung

Knapp sechs Millionen Euro hat die DFG für die erste Förderphase zugesagt. Zwei Kohorten von je zwölf Doktorand:innen werden in den nächsten fünf Jahren an einschlägigen Themen arbeiten. Zum Sprecher:innenteam gehört neben dem Amerikanisten Völz, der an der Goethe-Universität die Professur für Amerikanistik mit Schwerpunkt „Demokratie und Ästhetik“ innehat, die Philosophin Sophie Loidolt von der Technischen Universität Darmstadt.

Hinzu kommen zehn weitere Wissenschaftler*innen aus einem breiten Fächerspektrum der Geisteswissenschaften. Vertreten sind Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften, Amerikanistik, Film- und Medienwissenschaften, Germanistik, Kunstgeschichte, Neuere Geschichte, Philosophie, Skandinavistik und Sinologie. Hervorgegangen ist das Graduiertenkolleg aus dem Verbund „Democratic Vistas: Reflections on the Atlantic World“ am Forschungskolleg Humanwissenschaften, dem sämtliche beteiligten Wissenschaftler*innen angehören. 18 internationale Partnerinstitute auf fünf Kontinenten werden mit dem Kolleg kooperieren. Zudem werden die Doktorand*innen ihre Forschung mit regionalen Einrichtungen aus Kultur und Politik in der Zivilgesellschaft verankern. Die Ausschreibung wird im Spätsommer beginnen, der Start ist für April 2026 geplant.

Strategische Allianz der Rhein (RMU)

TU Darmstadt und Goethe-Universität Frankfurt bilden gemeinsam mit der Johannes Gutenberg-Universität Mainz seit 2015 die strategische Allianz der RHEIN-MAIN-UNIVERSITÄTEN (RMU). Mit über 95.000 Studierenden und 1.500 Professuren kooperieren sie eng in Forschung, Studium und Lehre. Als renommierte Forschungsuniversitäten gestalten sie Frankfurt-Rhein-Main als integrierte und global sichtbare Wissenschaftsregion.

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GU/bjb