„Magnete sind Schlüsselwerkstoffe für eine erfolgreiche Energiewende“
Professor Oliver Gutfleisch zur bevorstehenden Magnetismus-Konferenz JEMS 2025
22.08.2025
Am kommenden Sonntag (24. August) beginnt die sechstägige JEMS 2025 oder Joint European Magnetic Symposia, die führende Konferenz zum Thema Magnetismus in Europa. Die Organisation liegt in den Händen des Fachgebiets Funktionale Materialien der TU Darmstadt unter Leitung von Professor Oliver Gutfleisch. Im Interview spricht er darüber, was er von der Konferenz erwartet und welche Rolle der Magnetforschung zukommt.

Lieber Herr Gutfleisch, warum ist die JEMS 2025 so wichtig für die Magnetforschung?
Es ist die größte europäische Konferenz zum Magnetismus und magnetischen Materialien. Wir sind sehr stolz darauf, uns in einem internationalen Bewerberfeld behauptet und diese zentrale Veranstaltung, zu der wir 800 Teilnehmende erwarten nach Hessen geholt zu haben. Gastgeber zu sein, zeigt unsere internationale Sichtbarkeit und würdigt unsere enormen Anstrengungen im Sonderforschungsbereich/Transregio „Magnetische Materialien für effiziente Energiewandlung“.
Welche zentralen Themen und Symposien werden bei der JEMS 2025 behandelt?
Die enorme Vielfalt der Themen wird durch 19 eigenständige Symposien ausgedrückt. Ein guter Hinweis sind die Themen der Plenarvorträge. Der Elektronen-Spin beschäftigt uns in allen Bereichen, zum Beispiel in der Spintronik für die neuromorphe – also vom Gehirn inspirierte – Datenverarbeitung. Neuartige datenzentrierte Technologien sind entscheidend für leistungsstärkere und energieeffizientere Computer, insbesondere im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI). Weitere Beispiele sind kabellose magnetische Mikro- und Nanoroboter, die sich mithilfe von Magnetfeldern in den engen Räumen des menschlichen Körpers fortbewegen können, um Medikamente zu verabreichen oder andere medizinische Aufgaben auszuführen, sowie neue disruptive Kühltechnologien, die auf dem magnetokalorischen Effekt basieren.
Welche Rolle spielen Magnete bei der Energiewende?
Magnete sind Schlüsselwerkstoffe für eine erfolgreiche Energiewende. Als vermutlich die am wenigsten öffentlich diskutierten Klimaretter sind sie entscheidend für die effiziente Energieumwandlung in Elektromotoren und Generatoren. Magnetische Materialien werden seit Jahrtausenden genutzt. Sie reichen vom ersten Einsatz von meteoritischem Eisen und der Erfindung des Kompasses in China bis hin zu Anwendungen in der heutigen Informationstechnologie. Windräder, die größten und effizientesten Off-Shore-Turbinen, haben standardmäßig 14 Megawatt Leistung, benötigen aber auch sieben Tonnen Permanentmagnete. Insgesamt 30 Masseprozent davon sind Seltene Erden. Man findet ein Kilogramm Permanentmagnete im E-Fahrzeug und zwei Gramm im Mobiltelefon. Die Problematik des chinesischen Versorgungsmonopols bei den Seltenen Erden ist uns seit mindestens 15 Jahren bewusst, dringt durch die globalen Krisen aber nun in die tägliche Diskussion und in das Bewusstsein der Politik.
Warum ist die Forschung zu neuen Magnetmaterialien so wichtig? Was sind die größten Herausforderungen im Zusammenhang mit den Rohstoffen für Magnete? Wie will die Forschung die Abhängigkeit von kritischen Seltenen Erden reduzieren?
Die Forschung zu neuen Magnetmaterialien geht weit über „unsere“ Arbeiten in Darmstadt hinaus. Der komplexe Zusammenhang von strategischen, versorgungskritischen Metallen und der Transformation des Energiesektors, der Mobilität und der Elektrifizierung lässt sich hervorragend an der Schlüsselrolle der Seltenen Erden für Hochleistungs-Permanentmagnete erklären. Wir beschäftigen uns intensiv damit, diese kritischen Metalle in ihrer Verwendung zu reduzieren, ganz zu ersetzen oder zu recyceln. Wir entwickeln neue Magnetmaterialien, nicht nur für Elektromotoren und Generatoren, sondern auch für klimafreundliche Kühlung. Diese „magnetischen Kühlschränke“ gibt es bereits in Darmstädter Supermärkten, entwickelt durch unsere TU Darmstadt Ausgründung Magnotherm GmbH, in Zukunft vielleicht auch für die Kühlung von Rechenzentren oder zur energieeffizienten Verflüssigung von Wasserstoff.
Wie werden die Ergebnisse der Magnetforschung von heute unser Leben in Zukunft beeinflussen?
Magnete sind schon jetzt überall im täglichen Leben, ob bewusst oder unbewusst. Jeder von uns nutzt etwa 100 Magnete. Neue magnetische Materialien werden verändern, wie wir immer größere Datenmengen verarbeiten und speichern, wie wir Krankheiten behandeln, wie wir Energie speichern und effizient umwandeln, wie wir kühlen, rechnen und Robotik bauen und automatisieren und vieles mehr.
Um den Kreis zur JEMS 2025 zu schließen: Welche Ergebnisse erwarten Sie von der Konferenz?
Wir wollen ein Zeichen setzen: Die wissenschaftliche Gemeinschaft soll sich auf der JEMS 2025 für einen Moment zusammenschließen und unser Engagement für Nachhaltigkeit, wissenschaftliche Integrität und globale Zusammenarbeit angesichts der Krisen unseres Planeten bekräftigen. Wir organisieren spezielle Veranstaltungen für junge Wissenschaftler:innen, zu Diversität und einen Industrietag mit Jobmarkt. Ich erwarte viele inspirierende Vorträge und Diskussionen zu den oben genannten Zukunftsthemen.
Letztlich möchte ich mich bei der strategischen Allianz der Rhein-Main-Universitäten (RMU) bedanken. Durch die Unterstützung der RMU ist es uns möglich, für die JEMS 2025 die Konferenzräume auf dem wunderbaren Campus Westend der Frankfurter Goethe-Universität kostengünstig zu nutzen. mih/dor
Die (Joint European Magnetic Symposia) ist Europas führende Konferenz zum Thema Magnetismus. Die Veranstaltung findet vom 24. bis 29. August 2025 statt und wird als hybride Konferenz sowohl in Frankfurt am Main auf dem Westend Campus der Goethe-Universität Frankfurt als auch online abgehalten. JEMS 2025
Die Konferenz bietet eine Plattform für Wissenschaftler, Experten aus der Industrie und Studierenden, um sich über aktuelle Entwicklungen im grundlegenden und angewandten Magnetismus auszutauschen. Im Fokus stehen dabei unter anderem neue grundlegende Phänomene und neuartige magnetische Materialien sowie deren Anwendungen. Die Themen reichen von Energieeffizienz und Informationsspeicherung über biomagnetische und biomedizinische Anwendungen bis hin zu Quantentechnologien.
Das Programm umfasst Vorträge, Poster-Sessions und Präsentationen renommierter Gastredner:innen sowie einen Kunstwettbewerb und eine Industriemesse. Die Organisation der JEMS 2025 liegt in den Händen des Fachgebiets Funktionale Materialien der TU Darmstadt unter der Leitung von Professor Oliver Gutfleisch. Die Konferenz läuft unter der Schirmherrschaft der European Magnetism Association (EMA) und wird von der unterstützt. Allianz der Rhein-Main-Universitäten (RMU)