„Manchmal ist es ein bisschen wie Detektivarbeit“

Eric Maercker vom Energiemanagement im Interview

23.01.2024

Eric Maercker arbeitet daran, den Energieverbrauch der TU zu senken und den Weg für eine CO₂-neutrale Universität zu bereiten. Im Gespräch erklärt der 39-Jährige unter anderem, wie die TU mit Energie versorgt wird und was gerade seine dringlichsten Aufgaben sind.

Eric Maercker

TU Darmstadt: Die Abteilung Energiemanagement gibt es seit 2010, was hat sich seit der Energiekrise verändert?

Eric Maercker: Früher waren Wärme und Strom günstig und kein Problem. Seit der Klimawandel immer offensichtlicher wird, ist das Thema Energiesparen und Energiemanagement in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Auch an der TU Darmstadt haben sich das Bewusstsein und die Anforderungen erhöht. Die Energiekrise hat die Prozesse nochmals beschleunigt. Die Einsparziele der Universität lagen im Winter 2022/23 bei 15 Prozent bei der witterungsbedingten Wärme und fünf Prozent beim Strom.

Tatsächlich haben wir dann 23 Prozent weniger Wärme und circa zehn Prozent weniger Strom verbraucht. Im aktuellen Winter sind ähnliche Sparziele vorgegeben: 15 Prozent bei der Wärme, fünf Prozent beim Strom plus zwei Millionen Euro Einsparungen bei den Energiekosten. Das ist ein Mix aus verbrauchsorientierten und monetären Zielen. Insgesamt kann man sagen, dass das Energiemanagement an der TU an Bedeutung gewonnen hat. Das lässt sich auch an der Größe der Abteilung ablesen. Aktuell sind wir fünf Kollegen:innen, ab März kommt ein weiterer Ingenieur. Dann sind es sechs Fachkräfte, die sich um das Thema kümmern.

Welche Aufgabenfelder umfasst das Energiemanagement?

Zum einen geht es darum, eine sichere Energieversorgung der TU zu gewährleisten. Zu den Grundlagen eines aktiven Energiemanagement gehört aber auch, genau zu wissen und zu analysieren, wo welche Energie in der Universität verbraucht wird, und beispielsweise der Frage nachzuspüren, welche Anlagentechnik im Betrieb womöglich überdimensioniert ist und für Einsparungen optimiert werden kann. Ziel ist ebenso eine detaillierte CO2-Bilanzierung und ein Monitoring. Für alle diese Aufgabenfelder pflegen wir einen interdisziplinären Austausch und arbeiten auch mit Forschungsprojekten wie etwa dem „EnEff Campus Lichtwiese“ zusammen.

Das Energiemanagement ist der zentrale Baustein der Energiewende an der TU, und wir sind auf einem guten Weg.

Wie erfolgt die aktuelle Energieversorgung der TU?

Das Blockheizkraftwerk auf dem Campus Lichtwiese versorgt über 90 Prozent der Universitätsgebäude mit Fernwärme und Strom. An diesem Netz sind über 100 Gebäude auf der Lichtwiese, am Botanischen Garten und in der Innenstadt angeschlossen. Die Fernwärme wird allerdings zu einem Großteil mit Gas produziert, und wir müssen uns Gedanken machen, wie die TU CO₂-neutral werden kann. Dafür erstellt die Abteilung Energiemanagement einen Transformationsplan. Noch ist unklar, ob das Blockkraftwerk künftig mit Wasserstoff betrieben werden kann.

Das wäre eine elegante Methode, den Energieträger zu wechseln. Aktuell arbeiten wir daran, mehr erneuerbare Energien einzuspeisen. Beispielsweise Energie aus unserer bisher einzigen Photovoltaikanlage, die auf der Lichtwiese installiert wurde. Weitere 16 Anlagen sind bis 2025 an der TU geplant. Ebenso nutzen wird derzeit bereits die Abwärme, die beispielsweise unser Hochleistungsrechner „Lichtenberg II“ auf dem Campus erzeugt. Langfristig ist auch vorgesehen, die Temperatur der Fernwärme abzusenken, um Energie und Emissionen zu sparen. Dafür müssen aber auch die Gebäude energetisch saniert werden. Das Energiemanagement ist der zentrale Baustein der Energiewende an der TU, und wir sind auf einem guten Weg.

Der 39-Jährige arbeitet daran, den Energieverbrauch der TU zu senken und den Weg für eine CO₂-neutrale Universität zu bereiten.
Der 39-Jährige arbeitet daran, den Energieverbrauch der TU zu senken und den Weg für eine CO₂-neutrale Universität zu bereiten.

Den Energieverbrauch machen Sie in tagesaktuellen Grafiken auf der TU-Homepage anschaulich?

Ja, auf der TU-Webseite kann der aktuelle Wärme- und Stromverbrauch des Tages abgelesen werden. Das Vorhersage-Modell hat Mario Beykirch, M.Eng., aus dem Fachgebiet EINS unter Leitung von Professor Florian Steinke entwickelt. Die Grafiken zeigen den täglich aggregierten Gesamtverbrauch an elektrischer Energie und Heizenergie im Vergleich zum Vorjahr.

Dargestellt ist die Summe aller Energieverbräuche, nicht jedoch der Verbrauch einzelner Gebäude. TU-intern sind die Wärmedaten auch auf der Gebäudeebene einsehbar. Die rote Linie zeigt den tatsächlichen Wärmeverbrauch des Tages, die blaue Linie den erwarteten Verbrauch auf der Grundlage eines Regressionsmodels. An den Abständen zwischen den Linien lässt sich gut ablesen, welche Einsparungen die Universität erzielt hat. Wir wollen so die Wirksamkeit und Ergebnisse der Energiesparmaßnahmen transparent machen.

Die Verbesserung der Zähler-Infrastruktur ist eine ihrer aktuell dringlichen Aufgaben?

Ziel ist der Ausbau der Zähler-Infrastruktur bis 2026. Um Einsparpotenziale ausfindig zu machen, ist es wichtig zu wissen, wo an welcher Stelle in der Universität wieviel Energie verbraucht wird und warum. Derzeit erhalten wir über fernauslesende Zähler unserer Energieversorger alle 15 Minuten Werte über den Wärmeverbrauch in unseren Gebäuden, so dass wir genaue Berechnungen anstellen können. Beim Stromverbrauch hatten wir anfangs jedoch gar keine gebäudescharfen Messungen.

Oftmals wurde nur am Anfang und Ende des Jahres, teils von Hand und nicht digital abgelesen. Die Informationen zum Jahresverbrauch waren zu grob. Die Zähler-Infrastruktur ist an der TU sehr unterschiedlich. Auf dem Campus Lichtwiese wurde sie mittlerweile im Rahmen des Forschungsprojektes „EnEff Campus Lichtwiese“ ertüchtigt, und wir können nun gute Aussagen über den Wärme- und Stromverbrauch treffen. Auf dem Campus Stadtmitte ist der Bedarf an Nachrüstungen noch hoch. In rund 60 Gebäuden gibt es dort alte oder überhaupt keine Zähler. Da ist der Handlungsbedarf am größten.

Das Energiemanagement-System stützt sich auf eine Software. Wie sieht die Arbeit damit aus?

Die tägliche Datenmenge ist enorm. Darunter findet sich der tägliche Bericht der 15-minütig ausgelesenen Werte der Datenlogger, aber auch historische Daten, sowie von Hand oder digital ausgelesene Zählerwerte. Wir schauen uns jeden Tag diese Berichte genau an, und ich sorge dafür, dass die Qualität der Daten belastbar ist. Ablesbar sind daraus tagesaktuelle Daten, Monats- und Jahresvergleiche, Energieleistungen, Durchflüsse oder auch Temperaturen.

Erkennen Sie Ausreißer?

Ausreißer kommen immer wieder vor. Wenn ein Zähler ungewöhnlich hohe Werte anzeigt, wird automatisch ein Alarm gesendet. Wir prüfen dann, ob es sich um einen Übertragungs- oder Messfehler handelt oder ob es andere Gründe gibt.

Wir haben festgestellt, dass 20 Prozent des Stromverbrauchs nur der IT zuzuschreiben sind.

Wie reagieren Sie?

Wir analysieren, woran es liegt. An einer Technischen Universität gibt es naturgemäß viele Forschungsprojekte und Versuchsanlagen. Wir informieren uns dann bei Forschenden und Fachbereichen, ob vielleicht gerade Versuche laufen, die den Energieverbrauch ungewöhnlich verändern. Es ist ein bisschen wie Detektivarbeit, dem genauen Grund nachzuspüren.

Generell versuchen wir uns über alle technischen Anlagen an der TU wie beispielsweise auch Lüftungs- oder Klimaanlagen zu informieren, wie sie funktionieren, wann sie laufen und welchen Energieverbrauch sie haben. So können wir Vorschläge machen, wie sich der Betrieb optimieren und womöglich sparsamer machen lässt. Allgemein kann man bei einer Veränderung der Wärme (ein Grad weniger) oder Kälte (ein Grad mehr) von sechs Prozent Energieeinsparpotenzial ausgehen. Das ist ein großes Potenzial.

Die Ausreißer sind also nicht das Problem?

Nein, eher die Grundlast, die enorm ist. Wir haben festgestellt, dass 20 Prozent des Stromverbrauchs nur der IT zuzuschreiben sind. Höchster Stromverbraucher an der TU ist der Hochleistungsrechner. Auch hier sind Optimierungen möglich.

Die Fragen stellte Astrid Ludwig.