Gelernt, meine Forschung selbst zu planen

Professor Yun Chien Cheng über seine Promotion in Deutschland

15.12.2021

Yun Chien Cheng absolvierte das PhD-Programm am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg und an der TU Darmstadt. Heute arbeitet er als Associate Professor for Medical Engineering an der National Chiao Tung University in Taiwan.

Professor Yun Chien Cheng

Professor Cheng, bitte erzählen Sie uns von ihrer aktuellen Tätigkeit und Forschung.

Ich lebe derzeit in Hsinchu (Taiwan) und arbeite an der National Chiao Tung University als Associate Professor. Mein Forschungsgebiet ist die Medizintechnik, insbesondere der Einsatz von Plasma (ionisierten Gasen) zur Krebs- und Wundbehandlung und die Nutzung von Deep Learning für Analysen in der medizinischen Bildgebung.

Was ist der besondere Nutzen von Deep Learning?

Ich nutze Deep Learning zur Unterstützung in der Krebszytologie und zur Früherkennung von Lungenembolien anhand von CT-Bildern.

Darmstadt war eine Ihrer Karrierestationen: Warum haben Sie sich für ein Studium an der TU Darmstadt entschieden?

Schon im Grundstudium wollte ich für mein Promotionsstudium nach Deutschland gehen. Nach meinem Master habe ich mich für PhD-Programme in Deutschland beworben und eine PhD-Stelle am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg bekommen. Weil ich Ingenieurstudent war, hat mich mein Betreuer zur TU Darmstadt geschickt, die ja in Sachen Ingenieurwesen und Engineering Support einen guten Ruf hat. Meiner Meinung nach war das eine sehr gute Kombination mit der Medizintechnik, denn die TU Darmstadt ist sehr stark in den Ingenieurwissenschaften und Heidelberg ist sehr stark in der Biomedizin.

Wo hatten Sie vorher studiert?

Ich war Elektrotechnik-Student an der National Taiwan University in Taipeh.

Wie haben Sie Ihre Zeit in Darmstadt erlebt?

Die meisten Deutschen waren sehr freundlich. Wenn ich zum Beispiel in einen Lift gestiegen bin, haben selbst Fremde in der Kabine „hallo“ gesagt und sogar die richtige Etage für mich gedrückt, selbst wenn man sich gar nicht kannte. Die Autos haben immer Fußgänger passieren lassen. Ich hatte das Gefühl, dass die meisten Deutschen sehr ruhig und ausgeglichen sind. Ich war auch bei der Hochzeit eines Labor-Kollegen auf der Rosenhöhe dabei, habe Fußball auf dem Platz gespielt, ebenso wie Tischfußball mit meinen Labor-Kollegen. Das sind alles unvergessliche Erinnerungen für mich, aber es gab natürlich auch hin und wieder Probleme wegen der Sprachbarriere oder mit der Bürokratie.

Wie würden Sie die Unterschiede zu Ihrer Heimatuniversität oder Ihrem Heimatland beschreiben?

Die Ausbildungsphilosophie ist ganz anders. Ich habe in Taiwan meinen Master gemacht und an der TU Darmstadt und am DKFZ auf „Dr.-Ing.“ studiert. Mein Master-Betreuer hatte mein Master-Thema und die entsprechenden Aufgaben für mich klar und detailliert vorgegeben. Ich habe mich immer mit ihm getroffen und seine Aufgaben Schritt für Schritt erledigt, bis zur mündlichen Prüfung.

Was war noch anders?

Als ich an der TU Darmstadt ins Labor kam, sah die Sache komplett anders aus. Um mit meinem Doktorvater zu sprechen, musste ich bei seiner Sekretärin einen Monat im Voraus einen Termin machen. Die meiste Zeit hat mir niemand gesagt, was ich tun sollte. Am Anfang war das sehr schwer für mich, und ich habe nicht verstanden, warum es für meine Labor-Kollegen offenbar so gut lief. Nach und nach habe ich dann gelernt, dass ich meine Forschung selbstständig und unabhängig planen und definieren sollte. Wenn ich Fragen hatte, sollte ich Papers lesen und mit allen aktiv diskutieren, die mir dabei helfen könnten. Als ich anfing, das zu tun, habe ich gemerkt, dass alle meine Labor-Kollegen total bereit waren, mir zu helfen und ihre Arbeit untereinander zu diskutieren. Zuerst ist es mir schwer gefallen, mich an diese andere Arbeitsweise zu gewöhnen, aber es war eine sehr wichtige Erfahrung, die meine Einstellung zur Forschung entscheidend geprägt hat.

Welchen Stellenwert hatte die TU Darmstadt für Ihre weitere Karriere?

Die TU Darmstadt hat einen sehr guten Ruf in den Ingenieurwissenschaften, und das hat mir bei der Jobsuche sehr geholfen. Zusätzlich zum reinen Ingenieurwissen habe ich noch mehr wichtige Dinge an der TU Darmstadt gelernt. Von meinem Doktorvater, Professor Edgar Dörsam, habe ich gelernt, wie wichtig es für Forscher in den Ingenieurwissenschaften ist, ein Umfeld zu schaffen, in dem jeder bereit ist, dem anderen zu helfen. Mein Doktorvater hat jeden einzelnen PhD-Studenten respektiert und sie wie Kollegen behandelt. Ich habe auch gelernt, dass ein Lehrender Geduld mit seinen Studenten haben sollte und es abwarten können muss, sie wachsen zu sehen. Als ich meine eigene Forschungsgruppe in Taiwan aufgebaut habe, habe ich entsprechend versucht, meine Studenten genau so zu behandeln.

Stehen Sie noch in Kontakt mit ehemaligen Kommilitoninnen und Kommilitonen oder Lehrenden an der TU Darmstadt?

Ja, ich habe noch Kontakt zu Nan Xu. Er war mein bester Freund an der TU Darmstadt. Als ich ganz neu in Darmstadt war, habe ich ihn im Studentenwohnheim getroffen. Er hat mich in vielerlei Hinsicht unterstützt und mir dabei geholfen, mit dem ganz neuen Lebensstil zurechtzukommen. Auch wenn ich jetzt in Taiwan lebe und er in Stuttgart, chatten wir doch hin und wieder online miteinander. Ich bin auch noch mit Professor Dörsam in Kontakt. Ich bin inzwischen zweimal an die TU Darmstadt zurückgekommen, um Nan Xu und Professor Dörsam zu besuchen. Professor Dörsam hat mich auch schon an meiner Uni besucht, als er selbst in Taiwan war. Allerdings finde ich es wirklich sehr schade, dass ich die meisten meiner Labor-Kollegen aus Darmstadt aus den Augen verloren habe. Aber von Professor Dörsam habe ich zum Glück erfahren, dass die meisten von ihnen sehr gute Jobs gefunden haben und in ihrem eigenen Leben gut aufgestellt sind.

Die Fragen stellte Astrid Ludwig.