KI für automatisiertes Fahren

Aus der Forschung in die Praxis: Kooperation PRORETA 5 erfolgreich abgeschlossen

26.10.2022

Bausteine für automatisiertes, urbanes Fahren zur Verbesserung der Verkehrssicherheit in der Stadt zu entwickeln – unter diesem Ziel stand das Projekt PRORETA 5, das nun zu einem erfolgreichen Abschluss gekommen ist. Damit endete zugleich auch die 20-jährige interdisziplinäre Forschungskooperation zwischen Continental und der Technischen Universität Darmstadt. In den vergangenen fünf Jahren waren auch die Universität Bremen und die Technische Universität Iaşi in Rumänien an dieser Kooperation beteiligt.

Bereits aus den vergangenen vier PRORETA-Projekten wurden viele Forschungsergebnisse von Continental bis zur Serienreife weiterentwickelt. Diese sind heute zum Beispiel im Notbremsassistent oder beim automatisierten Fahren auf der Autobahn Teil moderner Fahrzeuge. Das zeigt: Kooperationen zwischen Industrie und Forschung helfen, Lösungen zu entwickeln, die dabei unterstützen, Unfälle zu vermeiden, Fahrerinnen und Fahrer zu entlasten und die autonome Mobilität Realität werden zu lassen.

„Die PRORETA Projektfamilie hat über 20 Jahre mit interdisziplinärer Forschung und direktem Transfer in den Bereichen assistiertes und automatisiertes Fahren Maßstäbe gesetzt und Lösungen vorgedacht, die heute in Serie sind“, so Professor Steven Peters, Leiter des Fachgebiets Fahrzeugtechnik (FZD) am Fachbereich Maschinenbau der TU, das an Proreta maßgeblich beteiligt war.

Komplexe Verkehrssituationen erkennen mit künstlicher Intelligenz

Ziel des Forschungsprojekts PRORETA 5 (2019 bis 2022) war die Untersuchung von Methoden der künstlichen Intelligenz für das automatisierte Fahren. Unter dem Motto „Bausteine für automatisiertes, urbanes Fahren zur Verbesserung der Verkehrssicherheit in der Stadt“ konzentrierte es sich auf das Situationsverständnis und die Bewegungsplanung automatisierter Fahrzeuge im Stadtverkehr. Das Projekt widmete sich dabei einer der anspruchsvollsten Aufgaben für das automatisierte Fahren: dem Erkennen komplexer Verkehrssituationen in Innenstädten und der Frage, wie Algorithmen aus Sensordaten die richtigen Fahrentscheidungen in diesen Situationen ableiten können.

Beispielsweise kann es an einer ungeregelten Kreuzung eine Herausforderung darstellen, alle Objekte in Bezug auf Bewegungsrichtung, Absicht und Priorität – ohne menschliches Zutun – korrekt zu interpretieren. Um dafür Lösungsansätze zu schaffen, wurden im Rahmen des Projekts neue Module für die künstliche Intelligenz entwickelt. Anhand eines von Continental mit Sensoren und Hochleistungsrechner ausgestatteten Fahrzeugs konnten die Forschenden die entstandenen Funktions- und Verifikationsmethoden für das automatisierte Fahrsystem auch direkt unter Realbedingungen testen. Zu den Methoden gehörten unter anderem die multimodale Vorhersage von dynamischem Verhalten eines Objektes, das Spezifizieren und Testen der Einhaltung von Verkehrsregeln sowie die logikbasierte Prüfung zur Erkennung von unsicherem Verhalten von KI-Modulen.

Projektbeteiligungen der TU Darmstadt

Die TU Darmstadt war mit zwei Doktoranden aus dem Fachgebiet Fahrzeugtechnik (FZD) des Fachbereichs Maschinenbau und einem Doktoranden aus dem Fachgebiet Regelungsmethoden und intelligente Systeme (ris) des Fachbereichs Elektrotechnik und Informationstechnik an dem Projekt beteiligt. Am ris wurde im Rahmen des Projekts ein neuartiger Trajektorienplaner entwickelt, der mittels „Monte Carlo Tree Search“ stets die zukünftige Trajektorie des Testfahrzeugs berechnet.

Am Fachgebiet FZD wurde ein logikbasiertes Modul zur Absicherung der KI-basierten Modulergebnisse entwickelt, das im Falle von Unsicherheiten im automatisierten System eine Nottrajektorie wie beispielsweise ein Bremsmanöver in den Stillstand anfordert, um Unfallrisiken zu minimieren. Zudem übernahm das Fachgebiet FZD die Integration und das Testen des gesamten automatisierten Systems. Dabei wurde auch eine Methode zum Spezifizieren und Testen der Verkehrsregelkonformität entwickelt.

Gemeinsame Entwicklung von Zukunftstechnologien über Doktorarbeit hinaus

Viele Forschungsergebnisse aus den fünf PRORETA-Projekten sind in Praxisanwendungen wie automatisiertes Fahren auf der Autobahn oder den automatischen Notbremsassistenten eingeflossen. Andree Hohm, Doktorand bei PRORETA 2 und mittlerweile Leiter des Innovationsbereichs „Driverless“ im Geschäftsfeld Autonomous Mobility bei Continental, sagt: „Was wir in den ersten Projekten entwickelt haben, ist heute im Straßenverkehr zu sehen und sorgt Tag für Tag für Sicherheit auf unseren Straßen.“

PRORETA: Eine Übersicht

PRORETA wurde benannt nach dem vor Untiefen warnenden Oberbootsmann auf antiken römischen Schiffen. Die bereits abgeschlossenen Teilprojekte:

PRORETA 1 – Unfallvermeidung durch autonomes Bremsen und Ausweichen

Im ersten PRORETA-Projekt (2002 bis 2006) wurde untersucht, wie ein Fahrzeug drohende Gefahren in Form von stehenden oder einscherenden Hindernissen mittels Umfeldsensorik selbsttätig erkennen und diesen durch Notbremsen oder Notausweichen entgehen kann. Ein wichtiger Forschungsaspekt dabei, auch für die folgenden Projekte: Akzeptiert der Fahrer die Systemeingriffe?

PRORETA 2 – Prototyp eines Überhol-Fahrerassistenzsystems

In der zweiten Stufe (2006 bis 2009) forschten die Teams an den Prototypen eines Fahrerassistenzsystems, das dem Fahrer hilft, Unfälle bei Überholmanövern auf Landstraßen zu verhindern. Dazu wurde ein System entwickelt, das anhand der Sensor- und Fahrdynamikdaten die Position des eigenen, des vorausfahrenden und des eventuell entgegenkommenden Fahrzeugs bestimmt und permanent berechnet, um so festzustellen, ob die freie Wegstrecke für ein sicheres Überholmanöver ausreicht.

PRORETA 3 – Fahrerassistenzsystem für den Stadtverkehr

Im dritten PRORETA Projekt (2011 bis 2014) wurde die Umsetzung eines „Sicherheitskorridors" erforscht, um die aktive Sicherheit im Stadt- und Landstraßenverkehr zu erhöhen. Die Herausforderungen hierbei waren die hohe Komplexität des Stadtverkehrs und die Frage: Wie muss ein Sicherheitssystem beschaffen sein, das ein Hindernis oder eine plötzlich auftauchende Gefahr erkennt und aktive Assistenzmaßnahmen wie Lenk- und/oder Bremseingriffe vornimmt, so dass es vom Fahrer akzeptiert wird?

PRORETA 4 – Die intelligenten lernenden Fahrzeugsysteme

In Phase vier des PRORETA-Projekts (2015 bis 2018) lag die Konzentration auf intelligenten lernenden Fahrzeugsystemen, um die Fahrsicherheit und den Fahrkomfort weiter zu erhöhen. Diese Assistenzsysteme unterstützen den Fahrer in schwierigen Situationen wie Links-Abbiegen, Einfahrt in Kreisverkehre oder Rechts-vor-Links-Kreuzungen mit individuellen und adaptiven Empfehlungen. Die Systeme lernen dabei, wie der Fahrer in der Regel reagiert, um mit gezielten Eingriffen eine maximale Akzeptanz zu erreichen.

PRORETA-Projektseite der TU Darmstadt

Continental/sip