„Die TU hat mich geprägt“
TU-Alumnus Chen Shen zu Gast beim Lindau Nobel Laureate Meeting
18.06.2024
Alumnus Dr. Chen Shen hat am Fachbereich Material- und Geowissenschaften promoviert, forscht heute als Postdoc in den USA und wurde zum Lindauer Treffen mit Nobelpreisträgern eingeladen. Im Interview berichtet er von seinen Erfahrungen an der TU Darmstadt.

Warum haben Sie sich für die TU Darmstadt entschieden und wie würden Sie Ihre Erfahrungen beschreiben?
Ich habe meinen Master und meine Promotion an der TU gemacht. Eine Zeit, die mich geprägt und meine Sicht auf die Welt verändert hat. Entschieden habe ich mich für die Universität, weil sie in meinem Fachgebiet einen hervorragenden Ruf genießt und mir die Möglichkeit bot, mit einigen der klügsten Köpfe der Wissenschaft zusammenzuarbeiten. Die starke Betonung von Forschung und Innovation entsprach genau meinen akademischen Zielen. Die TU war der ideale Ort, um mein Studium fortzusetzen und reine Forschung zu betreiben. Inspiriert hat mich mein Doktorvater, Professor Hongbin Zhang. Er sagte, dass man mit einem Doktortitel nicht mehr Geld verdienen kann, aber er dazu erziehen kann, vernünftig zu denken und mit jeder Kleinigkeit im Leben umzugehen. Die TU Darmstadt hat mir geholfen, dies zu erreichen.
Wie verliefen die ersten Wochen?
Die Eingewöhnung in eine neue Umgebung kann immer eine Mischung aus Aufregung und Unsicherheit sein. Meine erste Zeit in Darmstadt war da keine Ausnahme. Die einladende Atmosphäre an der Universität und in der Stadt haben jedoch den Übergang erleichtert. Ich habe viele freundliche Menschen kennengelernt. Die lebendige Kultur und neue Freundschaften haben mir geholfen, mich schnell heimisch zu fühlen. Gerne erinnere ich mich an die Live-Bands in der Krone oder das Hefeweizen im Ratskeller. Mit dem Essen in der Mensa konnte ich mich aber nie anfreunden.
Was hat Ihnen besonders gefallen?
Ich habe acht Jahre in Darmstadt verbracht. Wenn ich zurückblicke, macht mich vieles immer noch glücklich. Unvergesslich sind die Ausflüge im Sommer mit Freunden. Was die Arbeitsatmosphäre angeht, so ist mir vor allem der kollegiale Geist aufgefallen. Es herrschte ein echtes Gefühl der Kameradschaft innerhalb der akademischen Gemeinschaft, wo Ideen frei ausgetauscht wurden und die Zusammenarbeit florierte. Diese Arbeitsatmosphäre förderte Innovation und Kreativität, was meine Forschungserfahrung sehr bereichert hat.
Wie hat die TU Ihren beruflichen Werdegang beeinflusst?
Die Zeit an der TU hat meinen beruflichen Werdegang entscheidend geprägt. Das strenge akademische Umfeld und die Betreuung durch meinen Doktorvater haben mich mit den notwendigen Fähigkeiten und Kenntnissen ausgestattet, um in meinem Fachgebiet zu brillieren. Die Möglichkeit, an innovativen Forschungsprojekten mitzuarbeiten, hat mein Fachwissen erweitert und spannende Karrieremöglichkeiten eröffnet.
Sie forschen nun an der Universität von Wisconsin. Eine ganz neue Erfahrung?
Ja, die Kultur in den USA und in Deutschland ist völlig verschieden und ich habe eine Weile gebraucht, um mich daran zu gewöhnen. Mein Wechsel an die University of Wisconsin–Madison entsprang dem Wunsch, neue akademische Horizonte zu erkunden und zu bahnbrechenden Forschungsinitiativen beizutragen. Derzeit bin ich an einem Projekt von Molten Saltz Design beteiligt, das sich auf den Einsatz von maschinellem Lernen konzentriert, um unser Verständnis und unsere Verwendung von geschmolzenen Salzen zu verbessern.
Diese Salze sind wichtig für saubere Energietechnologien wie Salzschmelzreaktoren und konzentrierte Solarenergie. Sie speichern und übertragen Wärme, die in andere Formen von Energie umgewandelt werden kann. Um sicherzustellen, dass diese Salze sicher und effektiv funktionieren, müssen wir eine Menge über ihre Eigenschaften wissen, etwa wie heiß sie werden können, bevor sie schmelzen, wie viel Wärme sie speichern oder wie gut sie diese leiten können. Wir müssen auch sicherstellen, dass sie mit schwierigen Bedingungen und Verunreinigungen zurechtkommen.
Sie arbeiten aber auch weiterhin an einem Projekt an der TU Darmstadt mit? Worum geht es da?
Dabei handelt es sich um ein Programm, das fortschrittliche Computertechnologie und materialwissenschaftliche Kenntnisse miteinander verbindet, um die Entdeckung, Erforschung und Entwicklung neuer Materialien zu beschleunigen. Ziel ist, neue Werkstoffe zu entwerfen, die verschiedene industrielle und wissenschaftliche Anforderungen erfüllen. Speziell für Energieanwendungen etwa arbeiten wir mit Forschenden in der Abteilung Materialwissenschaft zusammen, um sie bei der Entwicklung neuer Funktionsmaterialien zu unterstützen und die Leistung bestehender Materialien zu verbessern. Fortschrittlichere Werkstoffe wie thermoelektrische Materialien, neuartige Magnete oder Optoelektronik können uns helfen, mehr Energie zu sparen.
Sie sind als junger Forscher zum Lindauer Treffen mit Nobelpreisträgern eingeladen. Was bedeutet diese Einladung für Sie?
Ich bin Professor Reinhold Walser und Professor Hongbin Zhang dankbar, dass sie mich nominiert haben. Die Einladung zum Lindauer Treffen ist eine unglaubliche Ehre, Anerkennung und Bestätigung für meinen Beitrag zur wissenschaftlichen Gemeinschaft. Eine großartige Gelegenheit, mit einigen der klügsten Köpfe der Wissenschaft in Kontakt zu treten, Ideen auszutauschen und Erkenntnisse zu gewinnen, die zweifelsohne meine künftigen Forschungsbemühungen beeinflussen werden. Diese Einladung ist ein Ansporn, die Grenzen des Wissens in meinem Bereich zu erweitern.
Was erhoffen Sie sich von dem Treffen?
Ich denke, dass die eine einzigartige Gelegenheit für führende Nachwuchswissenschaftler:innen ist, sich zu bilden, sich inspirieren zu lassen und über kulturelle und politische Grenzen hinweg Kontakte zu knüpfen. Ich möchte meine Ideen zur Wissenschaft und Gesellschaft mit anderen jungen Forschenden teilen. Schon als ich ein Teenager war, wollte ich immer jemand sein, der einen Beitrag zur Gesellschaft leistet und die Welt zu einem besseren Ort macht. Lindau-Tagung
Das Interview führte Astrid Ludwig