Was hat Digitalisierung mit Geschlechterfragen zu tun?

Frauenvollversammlung 2021 an der TU Darmstadt

2021/03/10 von

Was hat Digitalisierung mit Geschlechterfragen zu tun? Mit dieser Frage beschäftigten sich gestern, am Internationalen Frauentag, über 400 weibliche Beschäftigte der TU Darmstadt im Rahmen der Frauenvollversammlung 2021. Thema der Veranstaltung war „Digitalisierung und Geschlechterfragen – Gestaltungsmöglichkeiten im Universitätskontext“. Input gab es in Form eines Vortrags von Professorin Dr. Ulrike Klinger (Europa-Universität Viadrina). Im anschließenden Podiumsgespräch diskutierten die Präsidentin der TU Darmstadt Professorin Dr. Tanja Brühl, die Leiterin der Stabstelle IT- und Prozesskoordination Dorothee Krohberger-Stock und Professorin Ulrike Klinger. Die Frauenvollversammlung wurde von der Gleichstellungsbeauftragten der TU Darmstadt Dr.‘in Uta Zybell veranstaltet und moderiert.

Traditionell wird jedes Jahr rund um den Internationalen Frauentag eine Frauenvollversammlung an der TU Darmstadt veranstaltet. Die diesjährige Frauenvollversammlung fand zum ersten Mal digital statt. Die Gleichstellungsbeauftragte Dr.‘in Uta Zybell betonte: „Wir hätten uns gerne mit Ihnen allen vor Ort getroffen, Sie gerne mal wieder live gesehen und einen Austausch ermöglicht.“

Nach einer kurzen gemeinsamen Einstimmung zum Thema Digitalisierung über eine Umfrage unter den Teilnehmerinnen gab es einen informativen, spannenden Input von Professorin Ulrike Klinger. Ulrike Klinger ist Professorin für Politische Theorie und Digitale Demokratie an der Europa-Universität Viadrina sowie assoziierte Forscherin am Weizenbaum Institut für die vernetzte Gesellschaft.

In ihrem Vortrag „Zwei Schritte vorwärts, ein Schritt zurück? Ein kritischer Blick auf Digitalisierung und Geschlechterfragen“ erläuterte Professorin Klinger anschaulich, warum die Digitalisierung mehr Fortschritt verspricht als sie hält und weshalb Algorithmen nicht neutral sind, sondern diskriminieren und Diskriminierung fortschreiben. Klinger vertrat zudem die These, Digitalisierung könne Geschlechterunterschiede verstärken. Ihre Argumentation stützte sie unter anderem auf Zahlen, die zeigen, dass digitale Technologien hauptsächlich von Männern gemacht werden. „Diejenigen, die Technologien produzieren, schreiben in diese Technologien auch gleich soziale Verhältnisse mit hinein.“ Geschäftsmodelle, Normen, Werte, Weltvorstellungen, Vorurteile seien in digitalen Technologien enthalten und reproduzierten bestehende Machtstrukturen und soziale Ungleichheiten. „Algorithmen arbeiten […] mit Datensätzen, die […] nicht neutral sind. Denn diese Datensätze bilden in Zahlen soziale Realität ab.“ Digitalisierung sei ein gesellschaftlicher und kein rein technologischer Prozess. In ihrem Fazit sprach sie sich für digitalen Kompetenzerwerb in allen Altersgruppen, insbesondere auch Algorithmenkompetenz aus und warb dafür, Machtasymmetrien vor und hinter den Benutzeroberflächen gezielt in den Blick zu nehmen.

Den vollständigen Vortrag von Professorin Klinger können Sie sich hier als Video ansehen.

In der anschließenden Podiumsdiskussion sprach die Präsidentin Professorin Tanja Brühl unter anderem über die Digitalisierungsstrategie der TU Darmstadt und beschrieb ihre Vision einer digitalen Universität: „Wir müssen Digitalisierung und Diversität unbedingt zusammendenken. Wir werden beide Strategien in diesem Jahr entwickeln – unter Beteiligung der gesamten Universität, damit die Strategien auch zu uns passen.“ Dorothee Krohberger-Stock, Leiterin der Stabstelle IT- und Prozesskoordination, gab einen Einblick in die Entwicklung digitaler Verwaltungsprozesse. Krohberger-Stock nimmt eine große Bereitschaft zur Gestaltung von Digitalisierungsprozessen an der TU Darmstadt wahr und sprach sich dafür aus „gemeinsam und im Dialog mutige Lösungen“ zu entwickeln. Professorin Ulrike Klinger ging in der Diskussion unter anderem auf die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf Geschlechtergleichstellung ein und betonte zum Ende der Diskussion noch einmal: „Digitalisierung ist ein gesellschaftlicher Großprozess, der unseren Alltag grundlegend verändert. Wir müssen ihn alle mitgestalten und diverse Perspektiven einbringen.“ Die Fragen der Teilnehmerinnen an die Podiumsgäste reichten thematisch von Influencerinnen und der Wirkung von Role Models über Sichtbarkeit in Zoom-Meetings bis hin zur Entwertung von Berufen, die zunehmend von Frauen ausgeübt werden.

Die Frauenvollversammlung endete mit einem Abschlussstatement der drei Podiumsgäste. Die Gleichstellungsbeauftragte Dr.‘in Uta Zybell verabschiedete die Teilnehmerinnen mit einem Zitat von Ada Lovelace in den Internationalen Frauentag: „Die Maschine kann nur tun, was wir ihr zu befehlen wissen.“