Räumliche Folgen des Patriarchats
Diskussionen über geschlechtergerechte Stadtentwicklung bei der Frauenvollversammlung 2025
12.03.2025
Das Gleichstellungsbüro hatte alle Mitarbeiterinnen der TUDa zur diesjährigen Frauenvollversammlung eingeladen und ein gut gefüllter Wilhelm-Köhler-Saal lauschte zunächst dem lebensnahen Vortrag von Dr.’in Mary Dellenbaugh-Losse, bevor untereinander und später auch auf dem Podium eigene Hürden bei der Raumaneignung, aber auch neue Ansätze der Raumgestaltung diskutiert wurden.
Die Stadtforscherin Mary Dellenbaugh-Losse schärfte den Blick auf die historisch männliche Stadtentwicklung und darauf, wie die gleichen Räume von verschiedenen Menschen etwa aus Gründen heterogener Tagesabläufe oder Bedürfnisse ganz unterschiedlich wahrgenommen werden. Viele Beeinträchtigungen im öffentlichen Raum blieben für Vollzeit-Arbeitende Entscheidungsträger:innen schlicht unsichtbar, einfach weil man zu unterschiedlichen Zeiten unterwegs sei. Normen und Stereotype äußerten sich auch in räumlicher Gestaltung, daher sei die Herausforderung in der Stadtentwicklung, nach Dellenbaugh-Losse, Veränderungen zu schaffen ohne Stereotype zu reproduzieren. Sie verfolgt deswegen einen gendertransformativen Ansatz, welcher versucht an die Wurzeln der Problematik zu gelangen und nicht etwa mit Frauenparkplätzen genderspezifische Angebote innerhalb eines kaputten Systems zu schaffen.
Dabei stellte sie ihre vier Leitplanken für diesen Ansatz vor. So sind Frauen über den größeren Anteil an der Care-Arbeit im öffentlichen Raum häufiger von nicht barrierefreien Zugängen betroffen, etwa wenn Dienstleistungen Gehwege blockieren. Der Gender Pay und Pension Gap wirkt sich auf die ökonomische Gerechtigkeit aus, der begegnet werden kann, indem konsumfreie Räume bereitgestellt werden. Die Aspekte Sicherheit und Sicherheitsempfinden haben einen starken Einfluss auf die Mobilität von Frauen und TIN* Personen, wenn u.a. längere Wege in Kauf genommen werden aus Gründen unzureichender Beleuchtung oder sie nachts den öffentlichen Nahverkehr meiden. Dellenbaugh-Losse stellte hierzu simple Veränderungsmaßnahmen vor, wie etwa Abrundungen, welche die Sichtbeziehungen fördern oder weiße, großflächige Beleuchtungen, die das Sicherheitsempfinden erhöhen. Die vierte Leitplanke, die auch in der darauffolgenden Podiumsdiskussion hervorgehoben wurde, war die der Nutzer:innenfreundlichkeit, welche vorsieht, die Erfahrung der Nutzenden in die Gestaltung mit einzubeziehen.
Diesen Punkt sah auch Dr.-Ing.‘in Marianne Halblaub Miranda aus dem Fachbereich Architektur in ihrer Arbeit mit dem Fokus auf Gesundheitsfördernde Stadtgestaltung als zentral an. Sie versuche die Studierenden in der Lehre erfahren zu lassen, was Räume mit uns machen und Beteiligung mitzudenken, d.h. das Gespräch zu suchen mit allen, die den zu planenden Raum nutzen, auch Kinder etwa hinsichtlich der Planung von Schulen. Auch Anja Einsiedler, Leiterin des Dezernats Baumanagement und Technischer Betrieb, berichtete von Beteiligungsformaten an der TU Darmstadt, bspw. erarbeiten im Rahmen des Projektes „Grüner Campus“ Studierende in Stegreif Seminaren zu grünen Seminarräumen den Grundstein für die späteren Umsetzungen. Anja Einsiedler gab auf dem Podium ebenso erkenntnisreiche Einblicke in die Campusentwicklung an Lichtwiese und in der Stadtmitte. Die zwei größten Campus haben sich seit der Bauautonomie 2005 von autogerechten Orten mit viel Fläche zum Parken hin zu grünen Räumen, die besser zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden können, entwickelt.
Einig waren sich die Podiumsteilnehmerinnen auch darüber, dass bestehende Zielkonflikte stets ausbalanciert werden müssen. So gilt es beispielsweise auch dunkle Oasen für Tiere, gerade an waldnahen Orten wie der Lichtwiese, zu erhalten. Gleichzeitig müssen Räume so gestaltet und ausgeleuchtet sein, dass sich alle Menschen mit diversen Bedarfen dort gleichermaßen aufhalten möchten.
Die Frauenvollversammlung 2025 hat verdeutlicht, dass eine Stadt nicht genderneutral ist. Vielmehr ist es ein Qualitätsmerkmal wenn die Perspektive von Frauen* und ihre Lebensrealitäten berücksichtigt werden, sodass eine Stadt für alle geschaffen wird.