In der Kunst stimmt die Chemie

Nobelpreisträger Roald Hoffmann zu Gast an der TU Darmstadt

28.01.2015 von

Professor Roald Hoffmann, Nobelpreisträger für Chemie des Jahres 1981, sorgte am 27. Januar für einen überfüllten Hörsaal im Fachbereich Chemie der TU Darmstadt. Unter dem Titel „Chemistry in Art, Art in Chemistry, and the Spiritual Ground They Share“ gab er einen Einblick in die Interaktion zwischen Kunst und Chemie.

Nobelpreisträger Roald Hoffmann begeisterte mit seinem Vortrag die zahlreich gekommenen Zuhörer. Bild: Claus Völker

Kunst und Chemie sind eng verwandt. Kaum jemand kann das besser verdeutlichen als Nobelpreisträger Roald Hoffmann von der Cornell University in Ithaka (USA), der einst mit einem Studium der Kunstgeschichte liebäugelte, sich dann aber für die Chemie entschied. Auf Einladung der TU Darmstadt und der Gesellschaft Deutscher Chemiker sprach Hoffmann im Rahmen der Veranstaltungsreihe „DA stimmt die Chemie“ am 27. Januar im überfüllten Kekulé-Hörsaal am Fachbereich Chemie über die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen bildender Kunst und Chemie.

Die Bedeutung der Chemie für die Malerei erschließt sich leicht. Das Pigment Ultramarinblau etwa wäre ohne chemische Synthese noch heute unerschwinglich. Auch die Geschichte der Fotokunst ist ohne Chemikalien und Entwicklerlösungen undenkbar. Aber bedienen sich Chemiker auch künstlerischer Methoden? Hoffmann zeigte eine Serviette, voll gekritzelt mit chemischen Strukturen, und machte klar: Chemiker zeichnen ständig.

Tendenz zur Abstraktion

Die Zuhörer im übervollen Kekulé-Hörsaal warten auf den Vortrag des Nobelpreisträgers. Bild: Claus Völker
Die Zuhörer im übervollen Kekulé-Hörsaal warten auf den Vortrag des Nobelpreisträgers. Bild: Claus Völker

Eine darüber hinaus gehende Gemeinsamkeit von Kunst und Chemie ist laut Hoffmann die Tendenz zur Abstraktion. Abstrakte Gemälde zeigen nicht mehr das, was wir in der Natur tatsächlich sehen. In Analogie dazu produzieren Chemiker – und mittlerweile auch Biologen mit gentechnisch veränderten Organismen – Substanzen, die natürlicherweise nicht vorkommen. Dass dieses „Spiel mit der Natur“ in Chemie und Biologie andere Konsequenzen hat als in der Kunst, verhehlte Hoffmann zwar nicht, ging aber nicht näher darauf ein. Das hätte auch den Rahmen gesprengt.

Professor Christian Hess (rechts), Vorsitzender des GDCh-Ortsverbandes Darmstadt, im Gespräch mit Roald Hoffmann. Bild: Claus Völker
Professor Christian Hess (rechts), Vorsitzender des GDCh-Ortsverbandes Darmstadt, im Gespräch mit Roald Hoffmann. Bild: Claus Völker

Ohnehin standen Facherkenntnisse und deren Anwendung nicht im Vordergrund des Vortrags. Stattdessen sah man Molekülstrukturen und Reaktionsgleichungen neben bekannten Werken der Kunstgeschichte: Pfeile aus gezeichneten Reaktionsgleichungen ließen sich so in einem Bild von Paul Klee wiederentdecken. Moleküle standen plötzlich in Beziehung zu abstrakten Gemälden von Frank Stella und Gerhard Richter. Und Künstler, deren gesamtes Werk sich mit einem einzigen Thema beschäftigt, verglich Hoffmann mit jenen Chemikern, die ihr ganzes Forscherleben der Verknüpfung von Kohlenstoffatomen widmen – als hätte das Periodensystem keine anderen Elemente zu bieten.

Kurzum: Hoffmann betrachtete die Chemie aus einem erfrischend anderen Blickwinkel. Die Zuhörer, unter denen alle Altersstufen vom Schüler bis zum Rentner vertreten waren, dankten es ihm mit viel Applaus.