Von Supercomputern, Atomkernen und Sternen

Joel Lynn wechselte für die Grundlagenforschung ans Institut für Kernphysik

22.06.2018 von

Vier junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurden in der dritten Förderrunde ausgewählt: Sie sind nun Teil des Nachwuchsförderprogramms Athene Young Investigator. Hier im Porträt: Kernphysiker Dr. Joel Lynn.

Kernphysiker Dr. Joel Lynn.

Wenn Joel Lynn seinen Arbeitsplatz beschreibt, spart er nicht mit Superlativen: „Experimentelle und theoretische Wissenschaft – vereint an einem Ort – das findet man weltweit in dieser Form nur ganz selten.“ Was Lynn in Begeisterung versetzt, ist eine Art siebter Himmel für Kernphysiker – bestehend aus dem Institut für Kernphysik der TU Darmstadt und dem Beschleuniger S-DALINAC der Universität sowie dem GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Wixhausen mit einer der weltweit führenden Teilchenbeschleunigeranlagen.

Idealbedingungen für Forscher und Theoretiker wie den US-Amerikaner, der sich mit Kernstrukturphysik und nuklearer Astrophysik befasst. „Das Institut für Kernphysik der TU ist eines der besten in der Welt“, ist Joel Lynn überzeugt. Grund für ihn, vor drei Jahren als Postdoc aus den USA nach Darmstadt zu wechseln. Dabei hat Joel Lynn zuvor selbst an einer renommierten Forschungseinrichtung für Kernphysik gearbeitet, dem Los Alamos National Laboratory – vielen bekannt, weil dort während des Zweiten Weltkriegs im Manhattan Project die Atombombe entwickelt wurde.

TU-Professor Achim Schwenk und Lynn hatten Kontakte geknüpft, weil vielfach bereits Kooperationen zwischen der Universität und der Einrichtung in New Mexico bestanden. „Wir haben über Skype kommuniziert“, erinnert sich Lynn. 2015 bot der Darmstädter Professor ihm eine Postdoc-Stelle an. „Ich kannte Deutschland bereits von Urlauben“, sagt der 38-Jährige. Trotz des reizvollen wissenschaftlichen Umfelds war der Wechsel jedoch keine leichte Entscheidung. Lynn hat Familie, mit ihm mussten seine Frau und drei Kinder umziehen.

Zentral gelegen und international

Bereut haben sie es nicht. Die Familie wohnt heute in Heppenheim, Lynn schwärmt von Fachwerk, Weinbergen und historischer Kulisse. Seine Kinder sprechen mittlerweile fließend Deutsch. Darmstadt liegt zentral: „Innerhalb eines Tages ist man von hier aus in Paris, London, Berlin.“ Oder in Italien, wo der Amerikaner beispielsweise gerade auf einer internationalen Physiker-Konferenz seine Arbeit vorgestellt hat. Die Internationalität fasziniert ihn. In seinem Team an der TU arbeiten Mexikaner, Südamerikaner, Belgier.

Lynns Arbeit als Postdoc gehört zum neuen TU-Sonderforschungsbereich (SFB) 1245, der sich mit der Physik der Atomkerne befasst. „Von fundamentalen Wechselwirkungen zu Struktur und Sternen“ lautet das Thema, Sprecher des SFB ist Professor Achim Schwenk. In 13 Teilprojekten beschäftigen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Institut für Kernphysik dabei mit Atomkernen auf Basis effektiver Feldtheorien. Diese ermöglichen es, Kernkräfte und elektroschwache Wechselwirkung in Kernen und Kernmaterie systematisch und präzise zu beschreiben. Begleitet werden die Untersuchungen von Experimenten etwa bei der GSI in Wixhausen und am Beschleuniger S-DALINAC der TU, der im Energiebereich der effektiven Feldtheorien einzigartig ist.

Lynn, der an der Arizona State University studiert und promoviert hat, befasst sich unter anderem mit den Monte-Carlo-Methoden und der Ab-Initio-Theorie. Die Monte-Carlo-Methoden etwa basieren auf einer sehr großen Zahl gleichartiger Zufallsexperimente. Sie sind der Versuch, Probleme, die nicht analytisch angegangen werden können, mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitstheorie und Supercomputern numerisch zu lösen. Der US-Amerikaner betreibt Grundlagenforschung. Ihn interessieren die Fragen nach dem Ursprung des Universums und der Elemente. Was geschah nach dem Urknall, was bindet Neutronen oder Elektronen zusammen? „Bei allem, was schwerer als Eisen ist beispielsweise, wissen wir nicht, wo es herkommt“, sagt er. Kleine Fragen, deren Lösung vielleicht einmal zu der großen Antwort führen wird, nach der die Wissenschaftsgemeinde der Astro- und Kernphysiker sucht.

Der 38-Jährige will Professor werden. Die Unterstützung durch das Athene-Young-Investigator-Programm erlaubt ihm die Betreuung und wissenschaftliche Begleitung von Masterstudierenden oder Doktoranden. „Das konnte ich bisher nicht in dieser offiziellen Position. Jetzt habe ich mehr Verantwortung“, freut sich Joel Lynn.