Von Supercomputern, Atomkernen und Sternen

Joel Lynn wechselte für die Grundlagenforschung an das Institut für Kernphysik

26.06.2018 von

Wenn Joel Lynn seinen Arbeitsplatz beschreibt, spart er nicht mit Superlativen: „Experimentelle und theoretische Wissenschaft – vereint an einem Ort – das findet man weltweit in dieser Form nur ganz selten.“ Was Lynn in Begeisterung versetzt, ist eine Art siebter Himmel für Kernphysiker – bestehend aus dem Institut für Kernphysik der TU Darmstadt und dem Beschleuniger S-DALINAC der Universität sowie dem GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Wixhausen mit einer der weltweit führenden Teilchenbeschleunigeranlagen.

Joel Lynn. Bild: Katrin Binner

Idealbedingungen für Forscher und Theoretiker wie den US-Amerikaner, der sich mit Kernstrukturphysik und nuklearer Astrophysik befasst. „Das Institut für Kernphysik der TU ist eines der besten in der Welt“, ist Joel Lynn überzeugt. Grund für ihn, vor drei Jahren als Postdoc aus den USA nach Darmstadt zu wechseln. Dabei hat Joel Lynn zuvor selbst an einer renommierten Forschungseinrichtung für Kernphysik gearbeitet, dem Los Alamos National Laboratory – vielen bekannt, weil dort während des Zweiten Weltkriegs im Manhattan Projekt die Atombombe entwickelt wurde.

Joel Lynn und TU-Professor Achim Schwenk hatten Kontakte geknüpft, weil vielfach bereits Kooperationen zwischen der Universität und der Einrichtung in New Mexico bestanden. „Wir haben über Skype kommuniziert“, erinnert sich Lynn. 2015 bot der Darmstädter Professor ihm eine Postdoc-Stelle an. „Ich kannte Deutschland bereits von Urlauben“, sagt der 38-Jährige. Trotz des reizvollen wissenschaftlichen Umfelds war der Wechsel jedoch keine leichte Entscheidung. Lynn hat Familie, mit ihm mussten seine Frau und drei Kinder umziehen.

Physik der Atomkerne

Bereut haben sie es nicht. Die Familie wohnt heute in Heppenheim, Lynn schwärmt von Fachwerk, Weinbergen und historischer Kulisse. Seine Kinder sprechen mittlerweile fließend Deutsch. Darmstadt liegt zentral: „Innerhalb eines Tages ist man von hier aus in Paris, London, Berlin.“ Oder in Italien, wo der Amerikaner beispielsweise gerade auf einer internationalen Physiker-Konferenz seine Arbeit vorgestellt hat. Die Internationalität fasziniert ihn. In seinem Team an der TU arbeiten Mexikaner, Südamerikaner, Belgier.

Lynns Forschungen als Postdoc in Darmstadt begann mit der Entwicklung von modernsten Kernkräften kombiniert mit innovativen Vielteilchenmethoden im Rahmen des ERC Grants “The strong interaction at neutron-rich extremes”. Lynn gelang es unter anderem zum ersten Mal, Quanten Monte-Carlo Simulationen von Kernen und Neutronenmaterie mit chiralen Dreiteilchenkräften zu realisieren. Daraus entwickelten sich auch Vorhersagen für Drei- und Vier-Neutronen Systemen, wie sie nur in Experimenten mit exotischen Atomkernen am RIKEN in Japan oder in Zukunft an der GSI und FAIR in Darmstadt untersucht werden können.

Der Ursprung des Universums

Lynn, der an der Arizona State University studiert und promoviert hat, befasst sich unter anderem mit den Monte-Carlo-Methoden und der Ab-Initio-Theorie. Die Monte-Carlo-Methoden etwa basieren auf einer sehr großen Zahl gleichartiger Zufallsexperimente. Sie sind der Versuch, Probleme, die nicht analytisch angegangen werden können, mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitstheorie und Supercomputern numerisch zu lösen. Der US-Amerikaner betreibt Grundlagenforschung. Ihn interessieren die Fragen nach dem Ursprung des Universums und der Elemente. Was geschah nach dem Urknall, was bindet Neutronen und Protonen zusammen? „Bei allem, was schwerer als Eisen ist beispielsweise, wissen wir nicht, wo es herkommt“, sagt er. Fragen, deren Lösung vielleicht einmal zu der großen Antwort führen wird, nach der die Wissenschaftsgemeinde der Astro- und Kernphysiker sucht.

Der 38-Jährige will Professor werden. Die Unterstützung durch das Athene-Young-Investigator-Programm erlaubt ihm die Betreuung und wissenschaftliche Begleitung von Masterstudierenden oder Doktoranden. „Das konnte ich bisher nicht in dieser offiziellen Position. Jetzt habe ich mehr Verantwortung“, freut sich Joel Lynn.