Ein E-Bike fürs Gehen

Martin Grimmer forscht an einer neuen Generation von Exoskeletten

17.05.2019 von

Werden ältere oder kranke Menschen sich in Zukunft mit Exoskeletten fortbewegen statt mit Rollatoren? Ermöglichen die motorisierten Gehhilfen eine neue, leichtere Art der Mobilität im Alter? Der TU-Sportwissenschaftler Dr. Martin Grimmer hofft, auf diese Fragen bald eine positive Antwort geben zu können. Der Athene Young Investigator entwickelt derzeit einen Simulator, mit dessen Hilfe Exoskelette individueller und optimaler an den Körper angepasst werden sollen.

Forscht an einer neuen Generation von Exoskeletten: Dr. Martin Grimmer im TU-Lauflabor.

Das erste Modell eines möglichen Prototyps steht im Institutskeller an der Magdalenstraße. Es sieht aus wie ein konventionelles Laufband, doch Einfallsreichtum, Informatikkenntnisse sowie mehrere kleine Motoren und Displays am Handlauf machen daraus einen künftigen Exoskelett-Simulator. Schwarze Datenkabel und Schnüre aus Hochmodul-Polyethylenfasern münden in ein Geschirr, das sich der Läufer bei der Ganganalyse um die Hüfte schnallt. Das Laufband funktioniert ähnlich einer Körperwaage, gemessen wird jedoch, wie und mit welcher Kraft die Versuchsperson ihre Schritte auf dem Untergrund platziert. Kameras an den Seiten zeichnen zusätzlich die genauen Bewegungsabläufe auf.

„Elektronik und Technik sind noch etwas improvisiert und fehleranfällig“, beschreibt Martin Grimmer sein erstes Versuchsmodell. Mit der Förderung durch das Athene Young Investigator-Programm der TU hofft der 38-Jährige jedoch, die Hardware verlässlicher und die Datenbasis präziser machen zu können. Dazu zählt beispielsweise auch das Einspeisen von aktuellen Daten zur Herzfrequenz und der Muskelaktivität, um die körperliche Anstrengung zu messen. Aktuell bestimmen Forscher diese über Atemgasmessungen mit Hilfe einer Gesichtsmaske, „aber so etwas will man ja nicht in der Öffentlichkeit tragen“, sagt Grimmer. Stattdessen stellt der Sportwissenschaftler Vergleichsmessungen zwischen den Messmethoden an und überträgt später die jeweiligen Werte der Anstrengungslevel in sein System. „Der Athene Young Investigator ist die Initialzündung für mein Projekt“, freut sich der junge Forscher.

Foschungsschwerpunkt Exoskelette

Martin Grimmer und Doktorand Guoping Zhao bei Arbeiten am Exoskelett-Simulator.
Martin Grimmer und Doktorand Guoping Zhao bei Arbeiten am Exoskelett-Simulator.

Exoskelette gibt es schon länger auf dem Markt. Entwickelt werden die motorisierten Bewegungshilfen unter anderem für das Militär als Kraftverstärker für Soldaten, „doch auch Kliniken setzten sie heute bereits zur Reha und Therapie ein“, sagt Martin Grimmer. Der 38-Jährige, der an der Friedrich Schiller Universität in Jena Sportwissenschaften studiert und 2015 an der TU Darmstadt promoviert hat, befasst sich seit Studienbeginn mit dem Thema Bewegung, Leistung, Rehabilitation und Prävention.

Schon während seiner Zeit als Postdoc am Institut für Robotik und intelligente Systeme an der ETH Zürich und am Biodesign Lab der Harvard University in den USA drehte sich seine Forschung um Exoskelette und die Frage, wie sich diese in tragbare Modelle für kranke, verletzte oder ältere Menschen umwandeln lassen.

„Die meisten Exoskelette auf dem Markt wiegen zwischen acht und 30 Kilogramm“, berichtet er. Das ist zu schwer und nicht handelbar für Ältere oder Kranke.

Grimmer, der seit 2011 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Lauflabor der TU Darmstadt arbeitet, forscht an einem deutlich leichteren Ansatz für die „Mensch-Maschine-Schnittstellen“. Ihm schwebt ein „Exosuit“ vor, der nicht nur weniger wiegen, sondern auch unkompliziert anzulegen sein soll. Für dessen Entwicklung braucht es jedoch zunächst den Simulator, „an dem wir ganz gezielt testen können, welches Gelenk und welcher Muskel wie unterstützt oder welche Kraft, wo eingesetzt werden muss“, erklärt er. Der Motor für das Exoskelett ließe sich in diesem Fall auch bequem außerhalb, am Laufband anbringen. „Ziel ist ein selbstlernendes System, das prüft, wie sich die Muskeln verhalten und sich mit jedem Schritt des Läufers an eine optimale Unterstützung herantastet und die Ergebnisse auf das Exoskelett überträgt“, erläutert Martin Grimmer seine Idee.

DFG-Forschungsprojekt zur Steuerung von Fußprothesen

Sich auch im Alter oder bei Krankheit leichter und besser bewegen zu können, einen solchen Ansatz verfolgt der Sportwissenschaftler bereits an anderer Stelle zusammen mit TU-Prof. Ullrich Konigorski vom Fachgebiet Regelungstechnik und Mechatronik. In dem DFG-Forschungsprojekt entwickeln sie gemeinsam eine robuste Steuerung für eine Fußprothese, mit der ihr Träger sicher und fehlerfrei eine Treppe steigen soll.

Für Martin Grimmer hat seine Arbeit auch eine soziale Komponente. „Alte Menschen trauen sich oftmals nicht mehr aus dem Haus, weil sie die Anstrengung fürchten.“

Walk-Run Ankle an einem Bypass-Adapter mit dem gesunde Personen den motorisierten Prothesenfuß testen können.
Walk-Run Ankle an einem Bypass-Adapter mit dem gesunde Personen den motorisierten Prothesenfuß testen können.

Die Unterstützung durch Exoskelette, ist er sicher, würde nicht nur die Leistung, sondern auch die Geselligkeit und Gemeinsamkeit fördern. Er vergleicht das mit einem E-Bike, das Rentnern den Radausflug mit den Kindern wieder möglich macht. Der 38-Jährige, der gerade Vater geworden ist, hat persönliche Motive: „Ich will mit meinen Enkeln schließlich mit 80 noch in den Bergen wandern gehen“, lacht er. Vielleicht wird das mit Exoskeletten aus Darmstadt einmal Realität werden.

Athene Young Investigators

Das Nachwuchsprogramm Athene Young Investigator fördert die wissenschaftliche Selbstständigkeit von herausragenden Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern der TU Darmstadt, die das Karriereziel Professur verfolgen.

In loser Folge stellen wir aktuelle Athene Young Investigator vor.