Die Uni-Welt unaufgeregt verbessern

Franziska Herbert und ihr Gespür für Einmischung

04.07.2019 von

Sie als quirlig und hochengagiert zu bezeichnen wäre untertrieben. Franziska Herbert, frische Absolventin der TU Darmstadt und nunmehr Doktorandin, liebt die akademische Selbstverwaltung und deren Freiräume des aktiven Mitgestaltens. Eine Erfahrung hat die 26-Jährige allen voraus: Sie leitete im März souverän die Sitzung der Universitätsversammlung, in der die neue TU-Präsidentin Tanja Brühl gewählt wurde.

Franziska Herbert an ihrem Lieblingsplatz auf dem Campus, Café 221qm.

Franziska Herbert redet nicht lange um die Dinge herum: Sie will stets pragmatische Lösungen für Sachverhalte, die sie an ihrer Universität als problematisch empfindet, und zwar schnell. Beharrlich in der Sache, unaufgeregt im Ton, offen für Ansichten anderer, fair im Umgang. Wenn man wechselseitig Empathie wecke, ließen sich thematische Differenzen leichter überwinden, lautet eine ihrer Erfahrungen in Gremien. Und oft sei man ja nur um Nuancen voneinander entfernt – man merkt ihr das Bachelor- und Masterstudium der Psychologie durchaus an.

Schon kurz nachdem Franziska Herbert im Wintersemester 2013/14 an der TU Darmstadt ankam, setzte sie sich für »ihre« Uni ein – erfahren als aktive Schülerin in der Schülervertretung und in der kirchlichen Jugendarbeit. Ihr Zwillingsbruder, damals bereits Student der Elektrotechnik an der TU, hatte sie überredet, sich mal auf dem Campus umzusehen. Denn das von ihr gewählte Duale Studium der Internationalen Wirtschaftsinformatik bei IBM schien nicht das Glückseligmachende zu sein. Schließlich entschied sie sich für Psychologie, begeistert durch ein Seminar, in dem es um das Erkennen von Lügen anhand der Gesichtsmimik ging.

Engagiert von Anfang an

Ihre beste Freundin schleppte sie bereits nach wenigen Wochen mit zu den wöchentlichen Treffen der Campusgrünen und blieb hartnäckig, wenn Franziska Termine schwänzte, weil sie mit einigen der Diskussionsthemen doch eher fremdelte. Wie auch immer – 2014 war Franziska Herbert bereits stellvertretendes Mitglied im Studierendenparlament, später rückte sie ins Stupa-Präsidium auf und führte schließlich den Vorsitz.

Im Gespräch sprudelt es aus ihr heraus, wie sehr ihr die akademische Selbstverwaltung gefällt. Der Senatsausschuss für Studium und Lehre »war mein Lieblingsgremium. Da kann man für gute Qualität von Studiengängen kämpfen und am meisten bewegen.« Auch konkrete, handfeste Verbesserungen sind ihre Sache – als Beispiele für gelungenes studentisches Engagement nennt sie das Call-a-Bike-Angebot oder die Vereinbarung mit dem Staatstheater über kostenlose Studi-Tickets.

Seit 2017 gehört Franziska Herbert dem Vorstand der Universitätsversammlung an: »Ich habe mich überreden lassen.« Eine gute Entscheidung, denn: »Das war die coolste Zeit mit einem super Vorstandsteam. « Die Zusammensetzung passte, der gemeinsame Spirit stimmte. Je näher die Phase der Findung und Nominierung von Kandidaten und Kandidatinnen für die Nachfolge von TU-Präsident Professor Hans Jürgen Prömel rückte, desto anstrengender wurde zwar die Arbeit, aber sie bereitete auch immer mehr Spaß. »Ich habe sogar Urlaub aufgebraucht, um an Sitzungen teilnehmen zu können.«

Ich mag diese Offenheit und Interdisziplinarität an der Uni, die auch weitgehend gelebt wird. Ich engagiere mich, weil ich das mitbewahren möchte.

Dann der Ernstfall: Sie sollte turnusgemäß die Sitzung der Universitätsversammlung mit dem TOP »Wahl einer Präsidentin / eines Präsidenten« führen. Alle in ihrem Umfeld ermutigten sie: »Es ist ein gutes Zeichen, wenn eine Studentin das macht.« Auch die beiden Nominierten signalisierten »positive Überraschung«. Franziska Herbert ließ sich in rechtlichen Details beraten, hielt Kontakt zur Bewerberin und zum Bewerber, erstellte mit dem Vorstand einen Ablaufplan, feilte mit ihm an einem »Sprechzettel«, den sie zu Hause mehrfach durchging. Natürlich war sie aufgeregt: »Was ist, wenn ich Fehler mache, das Wahlverfahren schiefgeht, etwas angefochten werden kann?« Nur: Die Anspannung merkte man ihr nicht an, sie leitete die Versammlung umsichtig und mit einer Portion Humor. »Im Nachhinein betrachtet hat es Spaß gemacht. Alles passte, es war ein guter Tag.«

Apropos Bilanz: Was reizt sie an der TU Darmstadt, sich in diesem Umfang einzubringen? »Ich will dieser Universität etwas zurückgeben«, hebt sie an. »Ich mag diese Offenheit und Interdisziplinarität an der Uni, die auch weitgehend gelebt wird. Ich engagiere mich, weil ich das mitbewahren möchte.« Schließlich hat sie schon als studentische Hilfskraft im Institut für Psychologie Bekanntschaft mit Kooperationen wie etwa mit den Bauingenieurwissenschaften gemacht, als es um Akzeptanzfragen der »gebauten Umwelt« oder um gute Formen des Bürgerdialogs ging.

Diskutieren auf Augenhöhe

Und dann berichtet Franziska Herbert von der bodenständigen und sachorientierten Art und Weise, wie die Statusgruppen »auf Augenhöhe diskutieren und gemeinsam etwas bewegen können«. Und endet mit dem Satz: »Ich mag die vielen Menschen, die so begeisterungsfähig sind, davon muss man einfach angesteckt sein.«

Im vorigen Jahr absolvierte die 26-Jährige nebenbei ein längeres Praktikum bei Daimler und bearbeitete ein Projekt zu Software Usability im Rahmen von »Human-Computer-Interaction« mit der Kernfrage: Wie können die Nutzenden bestmöglich in die Softwareentwicklung eingebunden werden? Seit einigen Wochen trägt Franziska Herbert den Master-Titel. In ihrer Abschluss-Thesis bei Informatikprofessor Kristian Kersting analysierte sie »Vertrauen in Künstliche Intelligenz«. Jetzt hat sie eine Promotionsstelle bei Professor Christian Reuter, Fachgebiet Wissenschaft und Technik für Frieden und Sicherheit, inne. Ihr Leitthema: Was bedeutet verantwortungsvolle Digitalisierung?

Das heißt auch: Abschied nehmen von den Mandaten im Senat und in der Universitätsversammlung. Eine schöne Gewohnheit behält sie bei – ihren Lieblingsplatz im Café 221 qm. »Mit diesem Ort verbinde ich immer gute, anregende Gespräche.«

Weitere spannende Themen finden sich in der aktuellen

hoch3 – Die Zeitung der Technischen Universität Darmstadt.