Internationale Mobilität fördern

Das Ernst-Ludwig-Mobilitätsstipendium ermöglicht jungen Forschenden einen Auslandsaufenthalt

29.07.2019 von

Hervorragende Postdocs, die spannende Forschungsprojekte verfolgen und diese mithilfe eines längeren Auslandsaufenthalts weiter vorantreiben und abrunden können: An solche Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der TU Darmstadt richtet sich das von der „Vereinigung von Freunden der Technischen Universität zu Darmstadt e.V.“ gemeinsam mit der Universität aufgelegte Förderprogramm „Ernst-Ludwig-Mobilitätsstipendium“.

Das Ernst-Ludwig-Mobilitätsstipendium unterstützt Auslandsaufenthalte von TU-Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern.

Die Stipendiaten Dr. Marco Tamborini, Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften, Dr. Simon Gehrmann, Fachbereich Architektur, und Raja Sangili Vadamalu, Fachbereich Maschinenbau, erzählen im Interview, welche Aufenthalte ihnen das Ernst-Ludwig-Mobilitätsstipendium ermöglicht und was sie sich von ihrer Zeit im Ausland erhoffen.

Was ist Ihr Forschungsschwerpunkt?

Raja Sangili Vadamalu: Mein Forschungsfokus liegt auf der Synthese und Analyse mechanischer Systeme unter Berücksichtigung von Unsicherheiten, die entweder durch den Betrieb entstehen oder den Verschleiß verursacht werden können. Mein besonderes Interesse gilt der Beschreibung des unsicheren Systemverhaltens auf Basis des Eingang-Ausgang-Verhaltens.

Raja Sangili Vadamalu ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Fahrzeugantrieb.
Raja Sangili Vadamalu ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Fahrzeugantrieb.

Dr. Marco Tamborini: Ich habe an der Universität Heidelberg in Wissenschaftsphilosophie und -geschichte promoviert. Nach einem Promotionsstipendium am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und einem „Postdoc“ am Museum für Naturkunde in Berlin bin ich zurzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie angestellt, wo ich an meiner Habilitationsschrift über „die Architektur der Evolution“ arbeite. Ich beschäftige mich mit Wissenschaftsgeschichte und -theorie, vor allem die der Biologie sowie der geologischen und paläontologischen Wissenschaften.
Mein aktuelles Hauptprojekt ist es, die philosophischen und historischen Voraussetzungen der Formenlehre des 20. Jahrhunderts zu untersuchen und offenzulegen. Diese Analyse wird durch eine tiefe historische und philosophische Auseinandersetzung mit den Strukturen des Wissensaustausches zwischen der Evolutionsmorphologie und anderen nichtbiologischen Disziplinen, wie Architektur und Design, während des 20. Jahrhunderts ermöglicht.

Dr. Simon Gehrmann: Die Idee urbane Strukturen zu erschaffen, die jeden vorhandenen Tropfen Wasser effizient nutzen, begleitet mich seit Beginn meiner wissenschaftlichen Laufbahn an der TU Darmstadt, wo ich seit 2012 am Fachgebiet für Entwerfen und Stadtentwicklung gemeinsam mit Professorin Annette Rudolph-Cleff über den Klimawandel und die daraus resultierenden Einflüsse auf unsere Städte forsche. Insbesondere die weltweit spürbare Zunahme von Starkregenereignissen und Trockenperioden sorgen dafür, dass die vorhandenen Systeme der Ver- und Entsorgung häufig an ihre Grenzen kommen – welches in den nächsten Jahren noch zunehmen wird.
Um vorhandene Wasserströme effizienter zu nutzen, betrachte ich diese jenseits eines technischen Konzeptes (z.B. dezentrales Grauwasserrecycling) auch im Kontext von naturbasierten Lösungen und Ökosystemen, um als Planer in einem ganzheitlichen Konzept sowohl Fragen nach optimierter Wasserversorgung, Hochwasserschutz, energetischen und gestalterischen Aspekten sowie Aufenthaltsqualitäten zu beantworten.

Welchen Auslandsaufenthalt ermöglicht Ihnen das Ernst-Ludwig-Mobilitätsstipendium? Was tun Sie vor Ort?

Gehrmann: Das Ernst-Ludwig-Stipendium ermöglicht mir einen Forschungsaufenthalt am Royal Melbourne Institute of Technology in Australien, um mich vertieft mit wassersensitiver Stadtgestaltung zu beschäftigen, welche dort seit den Trockenperioden der 1990er zu einem wichtigen Element in der dortigen Stadtplanung geworden ist. Aufgrund der begrenzt vorhandenen Wasserressourcen ist der nachhaltige Umgang mit Wasser besonders wichtig und wird über eine Reihe von liberalen Gesetzen stark unterstützt, welches im globalen Vergleich durchaus als Alleinstellungsmerkmal betrachtet werden kann. Neben innovativen realisierten Projekten, die insbesondere mit Grauwasserrückgewinnung arbeiten, möchte ich verstehen, welche Planungsleitlinien relevant sind, wie die Akzeptanz hinsichtlich der Wiederverwendung in der Bevölkerung ist und inwieweit die Schnittstelle zu Ökosystemen planerisch berücksichtigt wurde. Ich bin mir sicher, dass die dort gewonnenen Erkenntnisse eine hohe Relevanz haben für weitere Forschung in diesem Bereich – auch um irgendwann möglicherweise „zero water Cities“ planen zu können.

Dr. Simon Gehrmann ist Postdoc am Fachgebiet Entwerfen und Stadtentwicklung.
Dr. Simon Gehrmann ist Postdoc am Fachgebiet Entwerfen und Stadtentwicklung.

Vadamalu: Das Stipendium ermöglicht mir einen Aufenthalt als Gastwissenschaftler im Labor von Professor Peter Seiler an der University of Minnesota, USA. Mein Fokus liegt auf der Entwicklung von virtuellen Sensoren, die einen Einblick in das unsichere System ermöglichen, um dadurch Systemverhalten voraussagen zu können. Darüber hinaus werden die Stabilitätsgrenzen der Kopplung zwischen physikalischen Systemen und simulierter Dynamik untersucht.

Tamborini: Das Ernst-Ludwig-Mobilitätsstipendium ermöglicht mir einen Auslandsaufenthalt am Department of History and Philosophy of Science der University of Cambridge und am Clare Hall College Cambridge. Während meines Forschungsaufenthaltes dort werde ich an einem Kapitel meiner Habilitationsschrift arbeiten. Dabei geht es um die Schnittstelle zwischen Evolutionsbiologie, Architektur und den breiteren philosophischen Auffassungen von Maschine, Konstruktion und Organismus, die in der britischen Morphologie des 20. Jahrhunderts entwickelt wurden. In dieser Zeit arbeiteten Biologen und Architekten daran, physikalische und chemische Eigenschaften und Einschränkungen der organischen Form aufzuzeigen. Philosophisch gesehen wurden diese Bemühungen in einen ingenieurtechnischen Ansatz für den Organismus eingebettet. Dies bedeutete eine Ablehnung der Prozessphilosophie von Alfred Whitehead und eine Rückkehr zu Immanuel Kants Begriff der „Technik der Natur“.

Was ermöglicht Ihnen der Forschungsaufenthalt?

Vadamalu: Der Forschungsaufenthalt bietet mir die Möglichkeit, mein Wissen sowohl in theoretischer als auch in praktischer Hinsicht zu erweitern. Er bietet auch eine ideale Gelegenheit, sowohl interdisziplinäre Kompetenzen zu entwickeln als auch sich mit anderen Forschern zu vernetzen und meine Kompetenzen für zukünftige Forschungsarbeiten zu erweitern.

Für wie wichtig halten Sie Auslandsaufenthalte für die wissenschaftliche Arbeit? Warum?

Tamborini: Die Forschung kann in höchstem Maße vom Austausch mit ausländischen Nachwuchs- und renommierten Wissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern profitieren. Thesen, die an der Heimatuniversität aufgestellt und erarbeitet wurden, können in einem anderen Umfeld auf den Prüfstein gestellt, diskutiert und weiterentwickelt werden. Außerdem können sich neue Perspektiven eröffnen durch dortige Forschungs- und didaktische Methoden.
Von großer Bedeutung ist allerdings, dass die Erfahrungen und Erkenntnisse im Anschluss an den Auslandsaufenthalt in die Heimatinstitute getragen werden, so dass diese letztendlich davon mitprofitieren. Deshalb plane ich etwa, die in Cambridge erworbenen Kenntnisse in zukünftige Lehrveranstaltungen und in die Konzeption weiterer Forschungsprojekte an der TU Darmstadt einbringen. Zum Beispiel habe ich vor, im Sommersemester 2020 ein Seminar über die Beziehung zwischen Wissenschaftstheorie und -geschichte zu halten.

Dr. Marco Tamborini ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie.
Dr. Marco Tamborini ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie.

Gehrmann: Als Stadtplaner halte ich Auslandsaufenthalte für sehr wichtig, um die Herausforderungen unserer Zeit aus einer anderen, globaleren Ebene studieren zu können – auf welcher diese auch gelöst werden sollten. Bereits 2012 hatte ich als Teil des interdisziplinären Forschungsprojektes „Semizentral“ unter der Leitung von Professor Peter Cornel und Professor Martin Wagner (IWAR, Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften) die Gelegenheit, die asiatische Perspektive der infrastrukturellen Ver- und Entsorgung kennenzulernen, welche neben wertvollen Eindrücken auch maßgeblich meine weiteren Forschungsschwerpunkte als Stadtplaner geprägt hat. Durch die großartige und permanente Unterstützung insbesondere von Professorin Rudolph-Cleff und Professor Martin Wagner hatte ich darüber hinaus die Möglichkeit, durch Forschungsreisen nach Singapur, Vietnam und China mein Wissen über Klimawandel, Wasserkreisläufe und Resilienz zu vertiefen und ich bin der festen Überzeugung, dass die Erfahrungen in Australien auch für Europa äußerst relevant sind, da wir gerade erst beginnen, unsere urbanen Wasserkreisläufe zukunftsfähig zu überarbeiten – ein Schritt, der in Australien bereits seit den 90er Jahren angegangen wurde.

Ernst-Ludwig-Mobilitätsstipendium

Das von der „Vereinigung von Freunden der Technischen Universität zu Darmstadt e.V.“ gemeinsam mit der Universität aufgelegte Ernst-Ludwig-Mobilitätsstipendium ermöglicht eine umfassende finanzielle Unterstützung von drei- bis sechsmonatigen Auslandsaufenthalten an einer Hochschule, in einer außeruniversitären Einrichtung oder in einer Forschungsabteilung in der Industrie.

Das Programm hat jährlich 90.000 Euro zur Verfügung und läuft bis zum Jahr 2023.

Kontakt an der TU Darmstadt:

Dr. Angela Müller, Dezernat Forschung und Transfer
06151/16-57222

feu