Neuer Wirkstoff gegen Arthritis, neuer Speicher für Windenergie

Pioneer Fund unterstützt vielversprechende Projekte der TU Darmstadt

18.05.2021 von

Insgesamt 600.000 Euro fließen jährlich aus dem gemeinsamen Innovationsförderprogramm Pioneer Fund der TU Darmstadt und des Entega NATURpur Instituts in TU-Projekte. Demnächst starten zwei zukunftsträchtige Vorhaben aus der Medizin und der Energietechnik.

Blick ins Labor von Dr. Meike Saul.

Allein in Deutschland leiden über zwölf Millionen Menschen an Arthrose, einer entzündlichen Gelenkerkrankung, bei der körpereigene Zellen die Knochensubstanz zerstören. „Es ist bisher noch kein Medikament auf dem Markt, das den Knochenabbau hemmt und gleichzeitig die damit einhergehenden Gelenkschmerzen unterbindet“, erklärt Dr. Meike Saul, Gruppenleiterin im Fachbereich Biologie. Sie beschäftigt sich mit RNA-Wirkstoffen gegen Arthrose und verwandte Krankheiten wie die rheumatoide Arthritis. Angriffspunkt der innovativen Therapie ist eine Mikro-RNA mit dem Kürzel miR-574-5p. Dieses kurze Stück RNA ist an zwei wesentlichen Prozessen von arthritischen Leiden beteiligt: der Schmerzvermittlung und der Entstehung von knochenfressenden Zellen.

Dr. Meike Saul.
Dr. Meike Saul.

Zusammen mit der Gruppe von TU-Chemieprofessor Harald Kolmar hat Sauls Team einen Hemmstoff entwickelt, der an die Mikro-RNA bindet und sie so inaktiviert. Es handelt sich dabei um ein stabiles RNA-ähnliches Molekül mit einem Peptidrückgrat. „Im Laborversuch haben wir gesehen, dass die Substanz die Bildung von knochenfressenden Zellen erfolgreich reduziert“, berichtet Saul. Im Rahmen des Pioneer Fund-Projekts sind jetzt weitere Wirksamkeitsstudien geplant, darunter In-vivo-Untersuchungen in Kooperation mit dem Karolinska-Institut in Stockholm.

Außerdem soll geklärt werden, ob das Mittel regelmäßig in kleineren Dosen oder besser einmal in einer größeren Menge verabreicht werden sollte. Die Idee ist, den Wirkstoff direkt in das kranke Gelenk zu spritzen. „Durch die lokale Applikation erwarten wir deutlich weniger Nebenwirkungen“, erläutert Saul. Zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie in Frankfurt möchte sie zudem die chemische Struktur des Hemmstoffs optimieren, um dessen Effizienz und weitere Eigenschaften zu verbessern.

Das neuartige RNA-Therapeutikum könnte nicht nur gegen arthritische Leiden helfen, sondern vielleicht auch gegen Knochenmetastasen bei Krebserkrankungen. Erste Studien dazu laufen im TU-Labor bereits. Sie betreibe zwar Grundlagenforschung, sagt Saul, strebe aber immer die Anwendung ihrer Erkenntnisse an. Mit Unterstützung des Pioneer Fund kommt sie diesem Ziel nun etwas näher.

Wir freuen uns sehr, dass wir hier wieder zwei ausgezeichnete Projekte unterstützen können, die die Leistungsfähigkeit der TU Darmstadt im Bereich Deep-Tech unterstreicht. Wir überführen Ideen direkt aus der Forschung in die Wirtschaft und Gesellschaft. Wie erfolgreich RNA-Wirkstoffe eingesetzt werden können, wird uns aktuell in der Corona-Pandemie deutlich. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Biologie und Chemie arbeiten an der TU Darmstadt in der Wirkstoffentwicklung eng zusammen, denn interdisziplinäre Zusammenarbeit ist der Schlüssel für nachhaltige Innovationen. (Professor Jens Schneider, Vizepräsident für Transfer und Internationalisierung)

Windkraftanlagen: Nachrüstung mit Osmose-Pumpspeicher

Dr.-Ing. habil. Falah Alobaid.
Dr.-Ing. habil. Falah Alobaid.

Bei Flaute liefern Windkraftanlagen keinen Strom, an stürmischen Tagen müssen sie teils abgeschaltet werden. Für eine verlässlichere Versorgung mit Windstrom will jetzt ein Team um Privatdozent Dr.-Ing. habil. Falah Alobaid sorgen. Die Forscher aus dem TU-Fachgebiet Energiesysteme und Energietechnik haben ein Speichersystem für überschüssige Windenergie konzipiert, das in die Türme der Windräder eingebaut werden soll. „Wir nutzen dabei die Höhe und den leeren Raum im Innern der Türme. Eine Nachrüstung bestehender Anlagen ist ohne weitere Eingriffe in das Landschaftsbild möglich“, betont Alobaid. Die Innovation basiert auf der Osmose, einem natürlichen Vorgang, mit dem zum Beispiel Pflanzenwurzeln Wasser aufnehmen. Unterstützt wird die Osmose in diesem Fall durch die in der Energietechnik bereits etablierte Pumpspeicherung.

Der Osmosespeicher besteht aus einem Reservoir mit Salzwasser und einem mit reinem Wasser. Dazwischen befindet sich eine Membran, die nur für Wassermoleküle durchlässig ist. Überschüssiger Windstrom wird zunächst dazu genutzt, das Salzwasser per Umkehrosmose aufzukonzentrieren. Bei diesem Schritt wird der natürliche Osmoseprozess, der einen Konzentrationsausgleich in den beiden Reservoirs anstrebt, mit Druck überwunden. Die so gespeicherte Energie lässt sich wieder in Strom verwandelt, wenn das reine Wasser dank der Osmose in das Salzwasser-Reservoir drängt. Dadurch entsteht dort ein Druck, der für den Antrieb einer Turbine mit Generator genutzt werden kann. Um die Effizienz der Osmosetechnik weiter zu steigern, kombinieren die TU-Forscher sie mit der Pumpspeicherung: Das Salzwasser-Konzentrat sowie das reine Wasser werden – ebenfalls mit überschüssigem Windstrom – in die Höhe des Kraftwerkturms gepumpt. Die so gespeicherte potenzielle Energie ergänzt die Osmose und steigert dadurch den Wirkungsgrad des Speichersystems.

Das Konzept wurde im Rahmen mehrerer Bachelorstudien ausgearbeitet und ist bereits zum Patent angemeldet. „Unser hybrider Osmose-Pump-Energiespeicher, den wir kurz HOPES nennen, ist kostengünstig und umweltfreundlich. Er benötigt weder Batterien noch seltene Metalle, sondern lediglich eine Membran“, fasst Alobaid die Vorteile zusammen. Mit den Mitteln des Pioneer Fund wollen er und seine Kollegen jetzt eine etwa zehn Meter hohe Pilotanlage bauen.

Die effiziente Speicherung von elektrischer Energie hat im Rahmen der Energiewende eine herausragende Bedeutung. In der Energieforschung arbeiten unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Forschungsfeld „Energy & Environment“ an neuen Technologien, Prozessen und deren Überführung in die praktische Anwendung. Wir fördern mit dem Pioneer Fund die Weiterentwicklung von Osmose-Pumpspeicher für Windkraftanlagen. Diese könnten zukünftig die Volatilität des Angebots von Windenergie reduzieren und so zu einer stabileren Versorgung mit erneuerbaren Energien beitragen. (Harald Holzer, Geschäftsführer des Innovations- und Gründungszentrums HIGHEST der TU Darmstadt)

Pioneer Fund

Der Pioneer Fund leistet einen wichtigen Beitrag zum Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der TU Darmstadt in Wirtschaft und Gesellschaft. HIGHEST fördert zusammen mit dem Partner ENTEGA NATURpur Innovationen in einer sehr frühen Phase und steigert somit die Innovationsfähigkeit der TU Darmstadt.

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