„Mathematik ist ein sehr interaktiver Prozess“

Professor Richarz zu mathematischen Fragestellungen und Lösungen

19.05.2022

Professor Timo Richarz vom Fachbereich Mathematik der TU Darmstadt wurde für seine Arbeiten zu Algebraischer Geometrie und Zahlentheorie schon mehrfach ausgezeichnet – unter anderem mit einem ERC Starting Grant und einer LOEWE-Start-Professur. Im Interview erläutert er seine Forschung.

Professor Timo Richarz
Professor Timo Richarz

TU Darmstadt: Sie sind Professor für „Algebraische Geometrie und Zahlentheorie“ und arbeiten in der Grundlagenforschung Mathematik, genauer im Bereich des Langlands-Programm – um was geht es dabei?

Professor Timo Richarz: In meinem Bereich geht es darum, Lösungsmengen polynomieller Gleichungen zu untersuchen. Im einfachsten Fall ist das eine lineare Gleichung. Die kennen wir aus der Schule, die Geraden im zweidimensionalen Koordinatensystem. Später quadratische Gleichungen und Parabeln. Im Optimalfall, wenn man eine Gleichung wie x2 = 2 hat, kann man sofort eine Lösung hinschreiben. Also √2 oder – √2. Das ist der Traumfall. Aber wenn die Gleichungen schwieriger werden, mehrere Variablen oder auch einen höheren Grad x3 oder x4, dann wird es sehr schwierig.

Das faszinierende ist jetzt, dass diese Lösungsmengen bestimmte Symmetrien und Gesetzmäßigkeiten erfüllen. Die Gesetzmäßigkeiten zu studieren, weiter zu erforschen und qualitative Aussagen zu treffen, dafür interessiere ich mich. Besonders toll ist es, wenn man eine geometrische Interpretation von solchen Gesetzmäßigkeiten findet.

Ein ganz berühmtes Beispiel für eine Gleichung mit drei Variablen x, y und z ist die Fermatgleichung xn + yn = zn, wobei n eine natürliche Zahl ist. Da ist man im dreidimensionalen Raum unterwegs und beschreibt eine Fläche. Ich interessiere mich für die Frage, ob diese Gleichung ganzzahlige Lösungen hat. Das ist der Zahlentheoretische Aspekt. Geometrisch bedeutet das, ganzzahlige Gitterpunkte im Koordinatensystem.

Man hat also diese Fläche, dieses zweidimensionale Objekt, das sich durch diesen dreidimensionalen Raum schlängelt. Und stellt jetzt die Frage, wann und ob trifft diese Fläche die Gitterpunkte trifft. Das Langlands-Programm stellt sozusagen einen Rahmen bereit, solche Aussagen über qualitative Gesetzmäßigkeiten zu treffen. Aber auch mit sehr konkreten Auswirkungen für eine gegebene Gleichung wie die Fermatgleichung.

Mathematik ohne Tafel oder Notizzettel ist schwer vorstellbar. Wie arbeiten Sie?

Mathematik ist ein sehr interaktiver Prozess, der Austausch mit anderen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen erfordert. Man braucht ein Medium, um Gedanken festzuhalten und mit anderen zu kommunizieren. Gerade in der Forschung, wo man vielleicht noch nicht die richtige Fragestellung gefunden hat. Ich nutze Stift und Zettel, auch um Rechnungen durchzuführen und Daten zu generieren. Wenn man dann feststellt, die Daten reichen noch nicht, ich sehe noch kein Muster, dann ist der Computer sehr nützlich.

Was ermöglichen die Gelder des ERC Starting Grant und der LOEWE-Start-Professur Ihnen und Ihrem Team?

Die Gelder ermöglichen es, die Algebra-Aktivitäten und Forschung im Langlands-Programm in der Rhein-Main-Region weiter auf- und auszubauen. Gerade auch im Sonderforschungsbereich, bei dem wir mit den Universitäten in Mainz, Frankfurt und Heidelberg kooperieren. Wir benötigen ja hauptsächlich Mittel für Personal, also für Promovierende und Post-Doktorandinnen und -doktoranden, da wollen wir auch attraktiv für junge Forschende beispielweise aus den USA oder China sein.

Wie sind Sie zur Mathematik und zum Langlands-Programm gekommen? Was reizt Sie daran?

Ich habe während des Studiums festgestellt, dass die Formelsprache der Algebra, die klare Begriffsbildung und die Methodik, an Probleme heranzugehen, mich am meisten interessiert. Außerdem hatte ich ein unglaublich tolles Umfeld, um diese Art von Mathematik zu lernen. Das hat mich bei meiner Wahl stark geprägt. Aber ich habe auch das Gefühl, dass ich Glück hatte. Ich habe an den richtigen Stellen die richtigen Menschen getroffen. Sie haben mich in die richtige Richtung gestoßen und mich unterstützt. Für mich ist es unglaublich toll, Teil von diesem Abenteuer zu sein.

Die Fragen stellte Frau Schüttler-Hansper