Die Verbindung von Lernen und Technik im Blick

Kevin Liggieri leitet neue Emmy-Noether-Forschungsgruppe

13.10.2022 von

Dr. Kevin Liggieri vom Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften der TU Darmstadt, Fachgebiet Technikgeschichte, leitet seit September 2022 eigenverantwortlich die Forschungsgruppe „Ko-Konstruktionen von Lernen und Technik. Zum Wandel von ‚Lernsubjekten‘ im 20. Jahrhundert“ (KoLT). Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt im Rahmen des renommierten Emmy Noether-Programms (ENP) die Einrichtung und Leitung der Gruppe mit Fördermitteln.

Dr. Kevin Liggieri

Die Emmy-Noether-Forschungsgruppe (wird in neuem Tab geöffnet) um Postdoktorand Liggieri untersucht die spannende Verbindung von „Lernen“ und „Technik“. In der Gegenwart wird diese insbesondere auf zwei Ebenen debattiert: Auf der einen Seite steht das E-Learning, welches mithilfe von elektronischen Medien, etwa Plattformen mit Selbstlerntools, neue Möglichkeiten sowie Motivationen zum Lernen bereitstellt. Auf der anderen Seite steht Maschinelles Lernen, bei dem Maschinen trainiert werden, aus einer Vielzahl von Informationen selbst zu „lernen“.

Beide Konzepte basieren auf Quantifizierungs-, Verwissenschaftlichungs- und Technisierungsprozessen des Lernens, die im 20. Jahrhundert traditionelle Konzepte des „Lernsubjekts“ maßgeblich veränderten: Das Lernsubjekt wurde zum Objekt.

Lernen und Technik wurden lange Zeit als Gegensätze gedacht.

Dr. Kevin Liggieri

Lernen optimieren

Liggieris Forschungsgruppe macht es sich zur Aufgabe, diese Prozesse und damit die Ko-Konstruktionen von Lernen und Technik zu analysieren. „In der von mir geleiteten Emmy-Noether-Forschungsgruppe geht es darum zu schauen, wie sich unterschiedliche Vorstellungen von Lernen und Technik – die lange Zeit als Gegensätze gedacht wurden – im 20. Jahrhundert verbunden haben“, sagt Liggieri. „Lernen war sehr stark mit Bildung oder Erziehung verknüpft, Technik eher mit materiellen Kulturen, wie Maschinen oder Experimenten. Mich interessiert, wie es dazu kam, dass diese beiden Programme eine Verbindung eingingen und was dadurch mit unseren Vorstellungen von lernenden Menschen und lernenden Maschinen passierte.“

Ziel des Forschungsprojekts ist es, herauszuarbeiten, wie durch Quantifizierung des Lernens messbare sowie vergeschlechtlichte Lernsubjekte konstruiert wurden, die wiederum durch Technisierung optimiert und kontrolliert werden sollten. Die Bedeutung von Experimenten, technischen Objekten (Lehr- und Lernmaschinen, Lehr- und Lernprogrammen) und technischen Umwelten (Virtual Reality, Simulation) in der Wissensproduktion und der Entwicklung von Lerntheorien stehen dabei im Zentrum der historischen Analysen.

Liggieri promovierte 2017 zum Thema „Zur Kultur- und Begriffsgeschichte der ,Anthropotechnik‘. Eine Untersuchung programmatischer Diskurse zwischen ,Menschenzucht‘ und ,Menschenbehandlung‘“ an der Ruhr-Universität Bochum. Danach war er als DFG-Forschungsstipendiat an der Professur für Wissenschaftsforschung der ETH Zürich.

Am Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften der TU Darmstadt liegen Liggieris Forschungsschwerpunkte auf Mensch-Maschine-Interaktionen und Menschenbildern in der technologisierten Gesellschaft.

Emmy Noether-Programm

Im Rahmen des Emmy Noether-Programms fördert die DFG seit 1997 exzellente Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler mit internationaler und mindestens zweijähriger Postdoc-Erfahrung. Durch die Leitung einer Emmy-Noether-Forschungsgruppe mit einer maximalen Förderdauer von sechs Jahren qualifizieren sie sich direkt für eine Tätigkeit als Hochschullehrer.

Das Programm ist nach Emmy Noether benannt, eine der herausragendsten Mathematikerinnen und Mathematiker des 20. Jahrhunderts und eine der ersten deutschen Wissenschaftlerinnen, die sich habilitieren durften.

Emmy Noether-Programm