Pitch it, Baby!

Investorensuche in der „Höhle der Löwen“

17.10.2022 von

Die Geschäftsidee steht. Die Erfindung wurde bereits patentiert. Das Start-up ist gegründet. Was fehlt? Das Kapital, um mit der jungen Firma durchzustarten. Es gilt, Investoren zu finden. Möglichkeiten gibt es viele: Familie und Freunde, Business-Angels, Gründer- oder Venture-Capital-Fonds, um nur einige Beispiele zu nennen. Einer der besten Wege, potenzielle Investoren zu finden: Gründer- und Start-up Events besuchen. Oder an der Fernseh-Show „Höhle der Löwen“ teilnehmen. Ganz unkonventionell.

Professorin Dr. Carolin Bock

Sie ist der wohl bekannteste TV-Wettbewerb: die Sendung „Höhle der Löwen“ des Privatsenders VOX – beliebt und quotenstark. Eine Unterhaltungsshow gepaart mit einem gewaltigen Vermarktungsapparat, redaktionell konzipiert nach dem Prinzip einer „Heldenreise“: Start-ups, Erfinder:innen und Unternehmensgründer:innen pitchen um die Gunst, sprich Investments der „Löwen“, erfolgreiche Investor:innen, die eigenes Geld in Firmen ihrer Wahl stecken. Es gibt Gewinner:innen und Verlierer:innen. Die Zuschauer:innen lieben das. So funktioniert mediale Zuspitzung.

Öffentlichkeit schaffen, Gründerspirit etablieren

Carolin Bock, Professorin für Entrepreneurship an der TU Darmstadt, findet das Konzept der Sendung trotzdem spannend: „Überzeugen die Teilnehmer:innen, haben sie hier die Möglichkeit, zum Teil wirklich große Investments zu erzielen. Selbst wenn das nicht funktioniert, erreichen sie mit ihrer Idee Millionen von Zuschauern. Ein super Marketing-Instrument für Start-ups, die gerade in der Anfangsphase kein Geld für PR-Maßnahmen haben.“ Es ist ein eher ungewöhnlicher Weg, Investor:innen zu suchen, Carolin Bock weiß das. Deutsche Gründer:innen, vor allem diejenigen aus der universitären Forschung tun sich schwer, aus ihrem akademischen Umfeld herauszutreten, Firmenanteile an Investor:innen abzutreten und das auf marktschreierischem Niveau.

Die Professorin selbst hat damit keine Berührungsängste. „Wer wachsen will, um sich am Markt zu behaupten, kann das nur mithilfe von Investor:innen, deren Geld und Knowhow“, so die Wirtschaftswissenschaftlerin. Da böten sich prominente wie potente „Löwen“ mit ihren großen und belastbaren Netzwerken durchaus an. Immerhin erhielten rund 40 Prozent der Teilnehmenden tatsächlich Investorengelder. Bock weiß das aus einer studentischen Analyse der Sendung.

„Natürlich reden die dann bei unternehmerischen Entscheidungen mit, natürlich möchten sie als Berater bestimmte Strategien anders umgesetzt wissen, als die unerfahrenen jungen Gründer:innen es eigentlich vorhatten. Aber von den Erfahrungen dieser Business Angels können Start-ups nur profitieren“, da ist sich Carolin Bock sicher. Ein Pitch in der „Höhle der Löwen“ lohne sich zwar vorwiegend für Start-ups, die Produkte für Endverbraucher verkaufen, B2C-Geschäftsmodelle. Der Mehrwert der Sendung liege jedoch auf der Hand: Publicity – Öffentlichkeit für eine Idee, die eigene Erfindung schaffen. Der Erfolg des Darmstädter Start-ups Xeem in „Die Höhle der Löwen“ belegt das.

Seminararbeit Start-up-Entwicklung

Carolin Bock ist Expertin für Gründungen, genauer gesagt Gründungsfinanzierung. Wie kann man Start-ups substanziell finanzieren? Worauf achten Investoren besonders? Was macht ein Unicorn aus? Das erforscht sie seit 2015 an der TU Darmstadt, lehrt sie ihre Studierenden. „In meinen Seminaren erwerben sie Kompetenzen, die explizit darauf ausgerichtet sind, zu gründen. Ich mache Gründungsausbildung, ein anderes Wort für Entrepreneurship“, sagt Bock und weiß sich damit auf einer Linie mit dem Präsidium der Universität. Wissenstransfer ist hier neben Lehre und Forschung die dritte Säule wissenschaftlicher Arbeit.

„Wir fördern Ausgründungen und wir wollen, dass unsere Entwicklungen in der Wirtschaft Fuß fassen. Aus Studien wissen wir, dass so etwas wie Gründerspirit in der universitären Kultur verankert werden muss. Wenn das nicht gefördert wird, warum sollte man Spin-Offs dann betreiben und machen?“ Bock bietet für Masterstudierende beispielsweise Seminare an, in denen Studierenden-Teams eine Gründungsidee ausarbeiten, über ein Semester hinweg, ganz spielerisch. „Sie müssen das nicht in ein Start-up umsetzen. Sie pitchen aber am Ende ihre Gründungsidee vor Expert:innen und sogar Investor:innen, erhalten Feedback von diesen ‚Löwen‘ und erfahren so, wie eine Gründung ablaufen würde.“ Carolin Bocks Begeisterung für Gründungsvorhaben wirkt ansteckend: sie brennt für neue Ideen und dafür, junge Menschen auf ihrem Weg zu begleiten, diese umzusetzen. Mit dem Gründungszentrum HIGHEST der TU Darmstadt arbeitet sie deshalb eng zusammen.

Blaupause für Pitches

Das Ziel von Carolin Bock: sie möchte schon Erstsemester für Gründungen, für Start-ups sensibilisieren. Start-ups, davon ist sie überzeugt, sind für die deutsche Wirtschaft extrem wichtig, um nachhaltig wettbewerbsfähig zu bleiben. Doch Ausgründungen aus der Wissenschaft haben es schwerer als andere Start-ups. Sie haben längere Entwicklungszyklen, die Produkte sind häufig komplexer, sie benötigen Labore, Ausstattungen oder Maschinen, die einen gewaltigen Kapitaleinsatz erfordern. „Sie tun sich aber auch schwerer, weil sie ihren ganzen Fokus auf die wissenschaftliche Forschung und Entwicklung legen“, erzählt Carolin Bock. Finanzen, Vertrieb, Marketing kommen in dieser Umgebung oft nicht vor.

Elevator-Pitch! One Pager! Pitch Deck! Businessplan!

Pitches beispielsweise, sie sind für die jungen Gründer:innen eine gewaltige Herausforderung. In kürzester Zeit rhetorisch eloquent die eigene Idee potenziellen Förderern und Investor:innen zu präsentieren, dazu gehört Redegewandtheit, Überzeugungskraft und Enthusiasmus. Bachelor-Studierende von Carolin Bock haben bei der Analyse einer ganzen Staffel von „Die Höhle der Löwen“ herausgefunden: Die meistgenannten Gründe für ein Investment-Angebot waren die Persönlichkeit der Gründer:innen, die Produkteigenschaft, das Thema des Produkts und dessen strategische Passung ins Investoren-Portfolio und die Kernkompetenz der Gründer:innen. In genau dieser Reihenfolge.

„Ich empfehle meinen Studierenden, sich durchaus die Sendung anzuschauen,“ sagt Carolin Bock. Sie können dabei viel lernen, auch was man alles falsch machen kann beim Pitchen. „Was machen die Teilnehmenden gut, was machen sie weniger gut? Womit beginnen die ihre Präsentation? Ist das ein witziger oder ein unerwarteter Einstieg? Da können Sie schon einiges rausziehen“, ist Carolin Bock überzeugt. Auch wenn man sich selbst nicht in „Die Höhle der Löwen“ wagt: die Sendung tauge als Blaupause für alle anderen Pitches. Löwen gibt es auch auf Gründer- und Start-up-Messen. Und sie werfen nie mit Wattebällchen.