Lernen in der Fabrik von morgen

An TU gestartetes Modell wurde international zum Vorbild

18.10.2022

Gerade in technischen Studiengängen können Vorlesungen und Seminare die komplexen Zusammenhänge eines Industrieunternehmens nicht aufzeigen. Lernfabriken auf dem Campus schaffen hier Abhilfe.

Das Center für industrielle Produktion (CiP) wurde 2017 am Campus Lichtwiese als erste Lernfabrik aufgebaut.

Qualifizierung für einen erfolgreichen Berufseinstieg nach dem Studium – das ist gerade im technischen Bereich eine sich ständig wandelnde Herausforderung. Neue Themen wie „Digitalisierung der Produktion“, „Additive Manufacturing“, „nachhaltige Gestaltung der Wertschöpfungsketten“ und „Energieeffiziente Fabrik“ erfordern neue Lehrinhalte und innovative didaktische Ansätze.

Klassische Lernwege wie Vorlesungen und Seminare sind bei diesen interdisziplinären und komplexen Themen mit stark prozessoralen Charakter zur Wissensvermittlung nur begrenzt geeignet. Notwendig sind vielmehr Einblicke in die jeweiligen Prozessabläufe und Verfahren anhand einer möglichst realen Umgebung – einer sogenannten Lernfabrik. Der frühere Leiter des Instituts für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) der TU Darmstadt, Professor Eberhard Abele, brachte nach seiner Berufung aus der Industrie diesen Gedanken mit an die TU Darmstadt.

Anfänglich sei es schwierig gewesen, Unternehmen, Förderträger aber auch Mitarbeitende am Institut und der TU für diese Idee zu begeistern, erinnert sich Abele. Zum Teil sei die Gefahr gesehen worden, dass die Lernfabrik nach kurzer Zeit „zu einem Museum verstauben“ werde.

Die erste Lernfabrik im Jahr 2007

Nachdem aber im Jahr 2005 die ersten Industrieunternehmen, Förderträger sowie das Präsidium für das Vorhaben gewonnen werden konnten, wurde am Campus Lichtwiese 2007 die erste Lernfabrik aufgebaut, das Center für industrielle Produktion (CIP). Inzwischen haben schon mehrere tausend Studenten in Master- oder Promotionsprogrammen des Maschinenbaus das Zentrum genutzt.

Die Bedenken bezüglich eines Museums sind inzwischen Vergangenheit. Ganz im Gegenteil. Die Dynamik der Entwicklung zeigt sich auch darin, dass PTW-Institutsleiter Professor Joachim Metternich die Lernfabrik erweitert mit der sogenannten Flowfactory, die von Mitte 2023 an einsatzbereit sein wird. Sie wird die Basis für die Erforschung neuartiger technischer und organisatorischer Umsetzungsmöglichkeiten der digitalisierten, schlanken Produktion und Logistik an der TU Darmstadt sein.

Aufbauend auf diesen positiven Erfahrungen mit der ersten Lernfabrik initiierte das PTW 2009 die ETA-Factory, die inzwischen sowohl im akademischen als auch industriellen Umfeld als Musterbeispiel für ein forschendes, energieeffizientes Produktionsunternehmen angesehen wird. Institutsleiter Professor Matthias Weigold baut auf dieser Grundlage aktuell das Thema „nachhaltige Produktion und Energieeffizienz“ weiter aus.

Der Aufbau und der Betrieb einer Lernfabrik am Campus sind geradezu ideale Felder für internationale Kooperationen. Denn jede Universität kann hier nur begrenzte Ressourcen einbringen, und für alle Beteiligten können erhebliche Synergiepotenziale entstehen. Dies war der Anlass für das PTW, im Jahr 2011 die International Association of Learning Factories (IALF) an der TU Darmstadt zu initiieren. Aus anfänglich acht Partneruniversitäten ist inzwischen ein weltumspannendes Netzwerk aus mehr als 20 renommierten Instituten und Hochschulen entstanden, die in aktivem Austausch Inhalte, Prozesse und Didaktik für Lernfabriken weiterentwickeln. Aktuell sind etwa zahlreiche technische Universitäten in Asien dabei, die von Darmstadt ausgehenden Konzepte auf hiesige Industriebranchen wie die Halbleiterindustrie zu übertragen.

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