„Ich bin froh, dass ich diesen Schritt gewagt habe“

Zielstrebig und kämpferisch – TU-Alumnus Michael Fitzke im Porträt

15.12.2022 von

Michael Fitzke ist eine Kämpfernatur. Mit viel Motivation und festem Willen hat er sich als Kind einer Nichtakademiker-Familie mit Fachabitur sein Mathematikstudium an der TU Darmstadt erarbeitet. „Die ersten zwei Semester waren hart“, sagt der Alumnus, „aber danach habe ich es genossen“. Seine Zielstrebigkeit hat ihn heute auf einen Leitungsposten beim US-amerikanischen Konzern Mars geführt. Spezialisiert auf Maschinelles Lernen und die Analyse großer Datenmengen arbeitet Fitzke an der Entwicklung von KI-Systemen in der Tiermedizin, die Veterinär:innen eine schnellere, präzisere Diagnose etwa bei Krebs, Herzerkrankungen oder Gelenkproblemen von Haustieren ermöglichen sollen.

TU-Alumnus Michael Fitzke
TU-Alumnus Michael Fitzke

Es hätte alles auch ganz anders laufen können. Als Jugendlicher hatte Michael Fitzke keine Lust mehr auf Schule und ging nach der 10. Klasse ab. Bei einer großen Versicherung machte er dann zunächst eine kaufmännische Lehre. Doch der tägliche Umgang mit Zahlen und Beitragsberechnungen brachte ihm die Freude am Lernen und vor allem an der Mathematik zurück und ließ den Gedanken an ein Studium reifen. Der gebürtige Bremer beschloss, sein Fachabitur nachzuholen.

„Nachdem ich in der Schulbibliothek auf ein Buch über Galoistheorie, ein Teilgebiet der Algebra, gestoßen war, wollte ich unbedingt an einer Uni studieren“, erzählt er. In Hessen und Darmstadt war eine Zulassung auch mit Fachhochschulreife möglich. Es waren der wissenschaftliche Anspruch und der theoretische Ansatz, die Michael Fitzke an einer Universität reizten. Er wusste, dass es kein Spaziergang werden würde, „aber es war eine Challenge für mich. Ich wollte mich herausfordern“, betont er.

„Die ersten zwei Semester waren hart"

Für die TU Darmstadt sprach ihr guter Ruf und gute Rankingergebnisse in der Informatik. Wirtschaftswissenschaften und Informatik hatte sich Michael Fitzke als Nebenfächer für sein Hauptfach Mathematik ausgesucht. 2008 begann er in Darmstadt sein Bachelorstudium in Mathematik.

„Ich war so aufgeregt, an eine Universität zu gehen. Die Zeit war unheimlich spannend für mich“, erinnert er sich im Videointerview mit einem Lachen. Doch schnell merkte er auch, dass ihm die Grundlagen eines Mathe-Leistungskurses fehlten und er viel nacharbeiten musste. Hinzu kam, dass er auf die Hürden, die ein Studium bereithalten kann, nicht vorbereitet war, weil in seiner Familie niemand zuvor studiert hatte.

„Die ersten zwei Semester waren hart. Ich musste viel aufholen. Doch ich war hochmotiviert und wollte das auf jeden Fall schaffen.“ Auftrieb gab zudem, dass er in seinem Nebenfach Wirtschaft viel von seiner kaufmännischen Lehre profitieren konnte.

Gut vorbereitung für die Forschung

Ab dem dritten Semester war die schwere Zeit vorbei. „Wenn man es einmal verstanden hat, wird es in der Mathematik einfacher“, lacht er. Das Studium habe er danach in vollen Zügen genossen. Gern erinnert sich Michael Fitzke an Professor Michael Kohler, der Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik lehrte und dessen Vorlesungen sein Interesse an maschinellem Lernen weckten.

Ab dem Master spezialisierte sich der TU-Alumnus daher auf Schwerpunkte wie Wahrscheinlichkeitstheorie, Mustererkennung und Maschinelles Lernen. „Damals haben sich schon die Weichen für mein späteres Berufsleben gestellt“, sagt er. Dankbar ist er nicht nur für die fundierte Ausbildung in Mathematik und Informatik, die er an der TU genossen hat, sondern auch für die gute Vorbereitung auf die Forschung. „Ich arbeitet heute sehr forschungsnah und kann das Gelernte jeden Tag anwenden.“

Maschinelles Lernen einsetzen um Tieren zu helfen

Die ersten Stationen im Berufsleben führten den 38jährigen Familienvater als Data Scientist zu Commerz Finanz in München, Deloitte Consulting und auch als Dozent an die Hochschule Osnabrück. Seit 2018 arbeitet Fitzke von Verden bei Bremen aus für „Next Generation Technologies“, das zum Mars-Konzern gehört. Das US-Unternehmen, das so bekannte Produkte wie Milky Way, M&Ms, Ben's Original, Whiskas oder Frolic herstellt, unterhält über 400 Standorte in 80 Ländern. Seit vielen Jahren ist Mars auch in der Tiergesundheit aktiv und besitzt unter anderem die europäische Tierarztkette Anicura.

Und hier kommt Michael Fitzkes Expertise als Experte für Mustererkennung und Maschinelles Lernen ins Spiel. So war er etwa Projektleiter von „OncoPetNet“, bei dem ein System für eine schnellere und präzisere Krebserkennung bei Hunden oder Katzen entwickelt wurde. „Künstliche Intelligenz ist ein wichtiges Werkzeug, um bei Haustieren die richtige Diagnose möglichst früh stellen zu können“, berichtet er. Die wenigsten Tierärzt:innen seien bisher auf den Bildgebungsbereich, etwa in der Radiologie, spezialisiert. Das Mars-Unternehmen verfüge über eines der weltweit größten digitalen Pathologielabore, wo digitale Scans und Gewebeproben kranker Haustiere untersucht werden.

„Pro Scan fallen Gigabytes an Daten an, die ein KI-System ungleich schneller analysieren kann als ein Mensch“, so Michael Fitzke. Ob ein Tier an Krebs leidet, lässt sich etwa daran festmachen, wie schnell die Zellteilung voranschreitet. Mithilfe eines KI-Systems, wie es der TU-Alumnus mitentwickelt hat, kann die Zellvermehrung schneller quantifiziert und eine Krebserkrankung somit rascher erkannt werden.

Menschen aus Nichtakademiker-Haushalten Mut machen

Mit einem eigenen Team arbeitet Michael Fitzke auch weiterhin an den Einsatzmöglichkeiten von KI-Systemen im Veterinärbereich. Algorithmen können auch bei der Diagnose von Herz- oder Gelenkproblemen bei Haustieren helfen. Er selbst sitzt am Standort in Verden, aber sein internationales Team ist über die Welt verstreut. Der TU-Alumnus liebt seine Arbeit. „Vieler meiner Interessen kann ich hier leben und mein Universitätswissen anwenden. Ein toller Job, der auch noch eine ethische Komponente hat, weil ich Tieren helfen kann.“

Ein Grund, warum Papas Job sicherlich auch bei seinen Kindern gut ankommt. Er selbst möchte mit seinem Beispiel anderen jungen Menschen aus Nichtakademiker-Haushalten Mut machen für ein Studium. „Ich bin froh, dass ich diesen Schritt gewagt habe“, betont er.