„Es soll schleichend die Meinungsführerschaft übernommen werden“

Dr. Kai Denker zu Kommunikationsstrategien rechter Aktivist:innen

16.02.2024

Dr. Kai Denker forscht im Projekt „Meme, Ideen, Strategien rechtsextremistischer Internetkommunikation“ (MISRIK). Im Interview spricht er über Kommunikationsformen und -kanäle rechter Aktivist:innen – und ordnet die „Correctiv“-Recherche ein.

Dr. Kai Denker ist Verbundkoordinator im BMBF-geförderten Vorhaben „Meme, Ideen, Strategien rechtsextremistischer Internetkommunikation“ (MISRIK).

Die Recherchen der Plattform Correctiv zum „Geheimtreffen“ und „Geheimplan“ von rechten Politikern sorgen gerade für Aufsehen und haben breite Schichten der Gesellschaft in Bewegung gesetzt. Sie beschäftigen sich in Ihrer Forschung mit rechtsextremer Kommunikation. Waren Sie überrascht von den Ergebnissen?

Nein. Dass AfD und Werteunion Verbindung zur extrem rechten, neofaschistischen Szene unterhalten und man verharmlosend von „Remigration“, also von Deportationen und von „wohltemperierten Grausamkeiten“ träumt, ist seit Jahren gut dokumentiert. Dass es jetzt auch um das Einsammeln von Geld für die Szene ging, ist nicht überraschend. Zweck der „Remigration“ ist „Ethnopluralismus“. Das klingt zunächst offen und pluralistisch. Tatsächlich sollen aber ethnisch und kulturell homogene Staaten geschaffen werden. Das ist nichts anderes als eine umverpackte „Deutschland den Deutschen“-Parole.

Im Fokus des Projekts MISRIK: Eine umfassende Analyse rechtsextremer Meme.
Im Fokus des Projekts MISRIK: Eine umfassende Analyse rechtsextremer Meme.

Was genau erforschen Sie im Projekt MISRIK – gibt es schon Ergebnisse?

MISRIK untersucht memetische Kommunikationsstrategien der extremen Rechten. Gemeint ist der Einsatz von Internet-Memen, um in sozialen Medien und Messenger-Diensten Diskurse zu dominieren. Die extreme Rechte nennt dies „Metapolitik“: Im vorpolitischen Raum sollen Wertvorstellungen verschoben, Ressentiments gepflegt und schleichend die Meinungsführerschaft übernommen werden. Metapolitik erfolgt überall: in der Kultur, Zivilgesellschaft, im Ehrenamt, in der Wirtschaft, in Behörden, an Universitäten, aber auch in der Gamer- und Netzszene. Gerade hier bedient sich die extreme Rechte den Internet-Memen, also den oft lustigen Text-Bild-Arrangements, die praktisch alle schon gesehen und sicher auch weitergeleitet haben. In MISRIK haben wir gezeigt, wie die extreme Rechte dazu Emotionen, z.B. Angst und Empörung, schürt und vereinnahmt. Auch zeigten wir, wie im Zusammenhang mit dem sogennanten „Stolzmonat“, einer queerfeindlichen Kampagne, eine memetische Strategie durch rechtsextreme Wortführer:innen erdacht, online ins Werk gesetzt und schließlich von der AfD im hessischen und im bayerischen Landtagswahlkampf aufgegriffen wurde.

Welche Strategien verfolgen, welche Kanäle und Ausdrucksformen nutzen rechte Aktivist:innen heutzutage? Bleibt die Kommunikation in der rechten „Bubble“, oder erreicht sie auch breitere Schichten?

Neben Internet-Memen gibt es weitere Kommunikationsformen und -kanäle. Derzeit beobachte ich einen Youtube-Kanal, der augenscheinlich Philosophie für Laien und Studienanfänger:innen erklärt, aber dabei ständig ideologische Versatzstücke einflicht. Das betrifft auch die zweite Frage: Die extreme Rechte zielt mit Erfolg auf die breite Öffentlichkeit. Statt aber geschlossen rechte Weltbilder zu vermitteln, werden kleinere Ideologeme schleichend in den öffentlichen Diskurs „einmassiert“: Queere Menschen sind verrückt, Gendern ist Bevormundung, Zuwanderung zerstört Kultur, Geflüchtete wollen bloß Geld, der Klimawandel ist gelogen, elitäre „Globalisten“ – ein antisemitischer Code – planen den Bevölkerungsaustausch, Frauen werden nur als Hausfrau und Mutter glücklich. Was im Gesamtbild klar rechtsextrem ist, fliegt einzeln unter dem Radar, etwa wenn rechte Influencerinnen von Mutterglück sprechen oder Trolle davon, dass doch alles nur Spaß sei.

Haben die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus Ihrer Meinung nach bereits etwas bewirkt – zum Beispiel eine Reaktion in der Kommunikation rechter Akteur:innen?

Die extreme Rechte ist beunruhigt. Sie imaginiert sich als Sprachrohr der „schweigenden Mehrheit“ und hatte sich das Wahljahr 2024 als großen Durchmarsch vorgestellt. Jetzt erlebt sie erstmals Widerstand tief aus der bürgerlichen Mitte heraus und in der Fläche. Zunächst versuchte man, die Demonstrationen kleinzureden und als von der Regierung bestellt zu diffamieren. Nun ist es die Behauptung, sie seien antidemokratisch und lenkten von wahren Problemen ab, die nur die AfD offen anspräche.

Dr. Kai Denker
Dr. Kai Denker

Wenn Sie einen Blick in die Zukunft werfen – wie lässt sich gegen rechtsextreme Kommunikation gegensteuern?

Wichtig ist, dass große Teile der Bevölkerung aktiv werden und die extreme Rechte als Bedrohung für unsere Freiheit und unseren Wohlstand erkennen. Die extreme Rechte stellt die Systemfrage und es geht ihr nicht um einzelne Themen wie Sozial- oder Klimapolitik. Ein großer Fehler wäre es, die extreme Rechte weiterhin als irgendwie kleingeistig oder ewiggestrig zu verharmlosen. Sie ist „leider schlau“ und lernt aus ihren Misserfolgen. Zunehmend setzt sie zudem auf generative KI. Wir kommen in eine Situation, in der demokratische Diskurse immer weniger möglich sind. Daher ist es mit Demonstrationen allein auch nicht getan. Forschung und Zivilgesellschaft müssen am Ball bleiben, was leider oft mit der eher kurzfristigen Projektlogik von Drittmitteln kollidiert. Dennoch sollte jede:r einzelne extrem rechte Inhalte im Netz melden und in persönlichen Gesprächen offline dagegenhalten. Sich aber online in Gespräche verwickeln zu lassen, ist durchaus heikel. Die extreme Rechte geht sehr strategisch vor und verdreht Gespräche geschickt für ihre Zwecke. An echter Diskussion sind sie meist nicht interessiert. Besser ist es offline – auf der Arbeit wie privat – Gespräche zu suchen. Die Demonstrationen zeigen jedenfalls: Widerspruch und Solidarität sind möglich und funktionieren – was es aber braucht, sind langer Atem und stabile Strukturen.

Was tun bei extrem rechten Inhalten im Netz?

Extreme Inhalte online melden: z.B. bei der Meldestelle „HessenGegenHetze“

Handlungsempfehlungen, Informationen und Anlaufstellen sind in der Broschüre „Kreative, ans Werk“ (wird in neuem Tab geöffnet) der Amadeu Antonio Stiftung zu finden.

Die Fragen stellten Claudia Staub und Silke Paradowski.