Beschlagnahmt und vergessen
Ausstellung „Beschlagnahmt. Verschleiert und vergessen | NS-Raubgut in der ULB Darmstadt“
09.04.2024 von Sophie Müller und Ellen Wendel
Eine Ausstellung zum Umgang mit NS-Raubgut in der Nachkriegszeit ist in Kürze in der Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) zu sehen. Sie lenkt den Blick auf ein unrühmliches Kapitel der Darmstädter Bibliotheksgeschichte.
Die Ausstellung „Beschlagnahmt. Verschleiert und vergessen | NS-Raubgut in der ULB Darmstadt“ verfolgt zwei große Ziele. Sie thematisiert zum einen den Umgang der ULB mit NS-Raubgut in der Nachkriegszeit und zeigt, wie widerrechtlich beschlagnahmte Bücher für den Wiederaufbau kriegsgeschädigter Bibliotheken vereinnahmt wurden. Damit wird ein Schlaglicht auf ein unrühmliches Kapitel der Darmstädter Bibliotheksgeschichte geworfen.
Zum anderen erinnert die Ausstellung an die Geschichte der verfolgten Individuen und Institutionen. Jedes einzelne Buch ist durch die Merkmale seiner ehemaligen Besitzer:innen ein Mahnmal für die nationalsozialistische Verfolgung und ein stummer Zeuge für deren Abläufe. Besitzstempel der Verfolgten, häufig unkenntlich gemacht oder per „Ungültig“-Stempel als vermeintlich bedeutungslos gekennzeichnet, stehen neben den Besitzvermerken der Täter:innen und späteren Profiteur:innen.
Die Ausstellung präsentiert NS-Raubgut aus dem zivilgesellschaftlichen Umfeld. Der Schwerpunkt liegt auf Freimaurerlogen und jüdischen Institutionen aus der Rhein-Main-Region. Als Beispiel für NS-Raubgut, das aus dem Umfeld der systematischen Vernichtung jüdischen Lebens in der Region stammt, werden die Geschichte der Darmstädter Familie Homberger/Mayer und das Schicksal der Familie Sender erzählt. Die Verfolgung von regionalen Arbeitervereinigungen, Kommunisten und Sozialdemokraten ist ebenfalls Thema der Ausstellung.
Eröffnung am 10. April
Die Schau wird am 10. April 2024 um 17 Uhr im Vortragssaal der ULB eröffnet. Im Ausstellungsbereich der ULB Stadtmitte ist sie bis zum 23. Juni 2024 zu sehen.
Die Ausstellung basiert auf ersten Ergebnissen des Provenienzforschungsprojekts zu NS-Raubgut, das seit Herbst 2022 an der ULB Darmstadt umgesetzt und vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg gefördert wird. Teilbestände der ULB werden nach NS-Raubgut durchsucht, das heißt nach Büchern, die im Nationalsozialismus ihren rechtmäßigen Eigentümer:innen entzogen wurden.
Mehr als 21.000 Bände wurden bisher auf Raubgut überprüft. Dabei wurden einerseits Bücher gefunden, die vor 1945 von den Verwaltungsbehörden des NS-Staates oder von anderen Bibliotheken in die Sammlung gegeben wurden, und andererseits auch sogenanntes sekundäres Raubgut, also Bücher, die bereits zur NS-Zeit einen unrechtmäßigen Besitzer:innenwechsel durchlebten und nach dem Krieg durch legale antiquarische Käufe, Spenden oder durch Zuweisung von Behörden in den Bibliotheksbestandaufgenommen wurden.
Im Sinne der angestrebten fairen und gerechten Lösungen nach den Washingtoner Prinzipien dokumentiert das Forschungsprojekt alle Ergebnisse. Die bisher im Bibliothekssystem verzeichneten Provenienzen sind in TUfind über die erweiterte Suche im Feld Provenienzen recherchierbar. Einen Überblick über das Projekt vermittelt auch . dessen Webpräsenz auf der ULB-Homepage