Start-up zu IT-Sicherheit erfolgreich aufgebaut und verkauft

Zehn Jahre IT-Seal aus Darmstadt

03.04.2025 von

Gründer David Kelm ist glücklich: Zehn Jahre haben er und seine Kollegen das Start-up IT-Seal in Darmstadt aufgebaut und schließlich erfolgreich an ein internationales E-Mail-Security-Unternehmen verkauft.

Gründer David Kelm

Die Erfolgsgeschichte begann mit einer Seminararbeit im Bereich Informatik und IT-Sicherheit an der TUDa: „Ich fand es spannend, wie Unternehmen angegriffen werden und sich dagegen schützen“, erzählt Kelm. Er wählte das Thema folglich für seine Masterarbeit. Für ein Unternehmen simulierte er mögliche Angriffe – angefangen vom Gebäudezugang, der Verkabelung der Hardware bis hin zu Phishing-Emails und dem Umgang der Mitarbeitenden damit. Dabei fiel ihm auf, dass es keine Maßstäbe gab, um Sicherheit zu erfassen und zu messen. „Ich habe verschiedene Angriffe simuliert und dann eine Art Bewertung erstellt, wie hoch der Aufwand für Angreifer ist – schlussendlich also eine Bestandsaufnahme der Sicherheit des Unternehmens aufgenommen“, so Kelm. Daraus leiteten sich Handlungsempfehlungen ab, etwa die Mitarbeitenden zum Umgang mit Emails zu trainieren.

Von der Faszination im Studium zum Start-up

Als er seinem Freund Alex Wyllie davon berichtete, war der gleich begeistert: „Cool, lass uns das als Start-up probieren“, regte der Biotechnologe an. Zusammen mit HIGHEST feilten sie an einem Konzept: Die damals noch junge Start-up-Beratung der TUDa habe ihnen gut geholfen und sie auch herausgefordert. Es entstand ein Business-Modell. Bei Messebesuchen unterhielten sich die zukünftigen Gründer mit möglichen Kunden: Haben Firmen das Thema auf dem Schirm? Sind sie bereit zu zahlen? Die Resonanz ermutigte das Team – mittlerweile war Yannic Ambach dazugestoßen, ein Sportsfreund und „Hacker“, der die Entwicklung vorantrieb. Mit Unterstützung von HIGHEST bewarben sie sich 2015 für das damals noch junge EXIST-Gründerstipendium des Bundes.

Schulung für Mitarbeitende zum Thema Phishing: Eine der Säulen von IT-Seal.
Schulung für Mitarbeitende zum Thema Phishing: Eine der Säulen von IT-Seal.

Nach der Zusage von EXIST gründete das Trio 2016 „IT-Seal“. Seal steht für Social Engineering Analysis Labs – und für das englische Wort für Siegel. „Der Gründungszeitpunkt war perfekt“, so Kelm im Rückblick: „Studium beendet, aber noch an das günstige Studentenleben gewöhnt, ohne familiäre Verpflichtungen, risikobereit“. Vor allem waren auch die Unternehmen auf das Thema Cybersicherheit aufmerksam geworden. Auf den vom Stipendium finanzierten Stellen feilten die drei jungen Gründer an ihrem Produkt.

„Aber eigentlich waren wir am Ende der Vertragslaufzeit zu spät dran; wir hatten die Dauer des Vertriebsprozesses total unterschätzt“, schüttelt Kelm rückblickend den Kopf. Zwar hatten sie begonnen, Sicherheits-Überprüfungen (Audits) zu verkaufen, aber bis das Geld auf dem Konto ankam, dauerte es. Mit solchen Audits machten sie die ersten Schritte und merkten schnell, dass sich die Mitarbeiter-Trainings eigentlich viel besser verkauften: „Die Unternehmen wollten nicht nur ihren Sicherheits-Level testen, sondern sicherer werden“, so das Fazit.

Stabile Geschäftsgrundlage schaffen

Als nächstes Problem stellte sich heraus, dass die Kunden diese Sicherheit als Einmal-Investition sahen. „Es dauerte, bis der Groschen gefallen war und wir es geschafft hatten, das Produkt umzustellen“, so Kelm: „Für ein Geschäftsmodell brauchten wir wiederkehrende Umsätze“. Obwohl das Geschäft sich trug und selbst wuchs, kontaktierten sie Business Angels, um solch ein Wachstum-orientiertes Geschäft aufzubauen. Dabei gab es auch Rückschläge: So platzte die Zusage eines größeren Investors nur zwei Tage vor dem Notartermin.

Schließlich gelang es, in zwei Finanzierungsrunden Marketing und Vertrieb zu stärken und für Kunden einen langfristigen Wert in Form eines dauerhaften Sicherheitsniveaus samt entsprechenden Trainings anzubieten. Erst spät hätten sie sich auf Unternehmen mit 500 bis 5000 Mitarbeitenden fokussiert, kritisiert Kelm rückblickend: „Vom kleinen Anwalt bis zum riesigen Automobilhersteller haben wir allen zugesagt“. Auch wäre es sinnvoll gewesen, sich erstmal auf Branchen mit hohem IT-Sicherheitsbedarf zu beschränken, rät heute der erfahrene Gründer möglichen Nachahmern.

Im Innovations-HUB31 waren sie damals die ersten Mieter. „Das war toll, aber im HUB fehlt aktuell noch der Vergleich und Wettbewerb mit großen, erfolgreichen Start-ups“, gibt Kelm zu bedenken. Schritt für Schritt vergrößerte sich IT-Seal, anfangs mit Praktikanten und Werksstudierenden aus der TU. „Es war erstmal Spaß und Hobby, Uni-Leben, unter Freunden, mit Motivation und entsprechenden Freiheiten“, beschreibt Kelm diese Zeit. IT-Seal wuchs so im Laufe der Jahre auf etwa 50 Mitarbeitende.

IT-Seal überzeugte Kunden mit messbaren IT-Sicherheitskontrollen und -schulungen und seiner hohen Automatisierung: Eine Mischung aus Bausteinen wie E-Learning, Phishing-Simulation im Postfach und gezielter Mitarbeiter-Schulung je nach Bedarf ergänzten sie mit messbaren Zahlen, die für das Management die Sicherheitslücken und -verbesserungen widerspiegelt. Etwa 1000 Kunden hatte das Start-up 2022. „Unser Maßstab war immer: Wie viele Menschen haben wir im Training?“ – und das waren schließlich erstaunliche 400.000.

Mit diesen Erfolgen stand 2022 die nächste Finanzierungsrunde an und damit Gespräche mit möglichen Investoren. „Da kam Hornetsecurity auf uns zu: Das war gutes Timing und ein perfektes Match“, so Kelm. Das deutsche Unternehmen für IT-Sicherheit wollte sein Produktportfolio erweitern, IT-Seal international skalieren. Geschäftsführer Daniel Hofmann habe gleich erklärt, dass er keine halben Sachen mache, und eine Übernahme angeboten. „Wir haben ein bisschen gerungen, waren aber gleichzeitig auch Feuer und Flamme“, beschreibt Kelm die damalige Stimmung.

Die Gründer und Finanzierer waren sich recht bald einig, dass das Angebot Potenzial habe: „ein vielversprechender Weg, um mehr Kunden und noch mehr Menschen zu erreichen“. Die nötige zukünftige Skalierung habe ihnen durchaus Respekt eingeflößt. Mit dem Wachstum habe sich auch die Denkweise geändert, und der Zeithorizont für den Ausstieg war für die Investoren ohnehin erreicht. Zudem habe es auch privat gut gepasst: „Mittlerweile hatte ich Familie, benötigte mehr private Flexibilität und finanzielle Sicherheit“, beschreibt Kelm das typische Nach-Universitäts-Leben.

Ein attraktives Kaufangebot zum passenden Zeitpunkt

IT-Seal – heute integriert in Hornetsecurity – bietet automatisierte Schulungen, die das Bewusstsein der Mitarbeitenden gegenüber elektronischen Angriffen auf Firmen zu erhöhen.
IT-Seal – heute integriert in Hornetsecurity – bietet automatisierte Schulungen, die das Bewusstsein der Mitarbeitenden gegenüber elektronischen Angriffen auf Firmen zu erhöhen.

Mitte 2022 kam es zum Verkauf. Alle Anteile von IT-Seal gingen an Hornetsecurity über. Kelm und seine Mitgründer blieben noch etwa ein Jahr dabei, waren aber nun weisungsgebunden, hatten also einen Chef. „Das Produkt ist eine interessante Ergänzung unseres Produktportfolios, die wir gut in unser bestehendes Angebot integrieren konnten“, begründet Josefine Sendzik, Vorstandsassistentin von Hornetsecurity, das Kaufinteresse.

Unternehmen hätten großen Bedarf für Mitarbeiterschulungen, die Phishing simulieren und durch solche Simulationen das Bewusstsein der Belegschaft für Cyberangriffe wecken. Überzeugt habe vor allem die hohe Automatisierung bei gleichzeitiger Individualisierung. Das Produkt werde weiterentwickelt und mittlerweile weltweit angeboten; die Nutzerzahlen wurden deutlich ausgeweitet. Im Fokus des Unternehmens mit knapp 700 Mitarbeitenden steht der Schutz der Microsoft 365-Umgebung, etwa E-Mail-Sicherheit, Backups und Datenschutz.

Kelm ist mit dem Verkauf zufrieden: Die zehn Jahre für IT-Seal haben sich für ihn und die Mitstreiter gelohnt – „wir haben extrem viel gelernt und erlebt, das hätte ich mir in jeder Hinsicht in derselben Zeit angestellt nicht erarbeiten können“. Zudem hätten sie das Glück gehabt, dass ein Käufer auf sie zukam – „das hat uns die mühsame Suche erspart“.

Das „Glück des Tüchtigen“ habe auf der gesamte Start-up-Reise eine wichtige Rolle gespielt. 2023 verabschiedeten er und die Mitgründer sich aus ihrem Projekt. Kelm unterstützt derzeit freiberuflich andere Start-ups, betätigt sich als Business Angel, Berater und Coach. „Solange meine Kinder klein sind, werde ich mich nicht ins nächste Abenteuer stürzen“, betont er. „Aber wenn sie in der Schule sind, kann ich mir ein neues Unternehmen gut vorstellen“.