Effektiverer Brandschutz

Beitrag zur Eindämmung verheerender Unfälle: Athene Young Investigator Federica Ferraro

21.06.2023 von

Federica Ferraros Grundlagenforschung könnte Leben retten. Die Luft- und Raumfahrtingenieurin und neue Athene Young Investigatorin der TU Darmstadt befasst sich mit der Prävention von Bränden. So will sie detailliert erforschen, welche Wirkung flammenhemmende Mittel auf die Entwicklung sogenannter Grenzschichtflammen haben, die oftmals für Feuer in Decken, Wänden oder auf glatten Oberflächen wie Böden und Dächern bedeutsam sind. In Kunststoffmaterialien verbaut, könnten diese Brandverzögerer überlebenswichtig werden.

Athene Young Investigatorin Dr. Federica Ferraro

Wie wichtig ihr Forschungsthema ist, hat Dr. Federica Ferraro am eigenen Leib erlebt. In ihrer Wohnung brannte eine Sicherung durch. Darauf aufmerksam wurde die Ingenieurin erst durch den Geruch. Sie hatte Glück. Ein Brand hatte sich nicht entwickelt, „aber es stank ganz fürchterlich“, erzählt Ferraro. Seither hat sie das „Corpus Delicti“, das halb verschmorte Plastikelement, immer griffbereit, wenn sie demonstrieren will, woran genau sie forscht.

„Ohne ein flammenhemmendes Mittel in dem Kunststoff wäre sicherlich ein Feuer entstanden“, ist sie überzeugt. Wie genau diese zumeist phosphatbasierten Flammenverzögerer auf die Dynamik gleichmäßiger und auch turbulenter Grenzschichtflammen etwa in Wänden oder Decken wirken, will Federica Ferraro in ihrem Athene Young Investigator-Forschungsvorhaben ergründen. „Das wurde bisher nicht im Detail erforscht, ist aber von großer Relevanz für einen effektiven Brandschutz“, ist sie überzeugt.

Analyse chemischer Reaktionen geplant

Die gebürtige Italienerin, die an der Universität „La Sapienza“ in Rom Luft- und Raumfahrttechnik studiert hat und an der Münchner Universität der Bundeswehr ihre Promotion abschloss, will Grundlagenforschung betreiben und untersuchen, welche Wirkung die Verzögerer auf den thermo-chemischen Zustand der Flammen, ihre Struktur und Strömungsdynamik haben. Anhand von numerischen Modellen und auch Simulationen will Ferraro die chemische Reaktion der Mittel in der gasförmigen Phase und auch auf der Oberfläche von Kunststoffen (Polymeren) untersuchen und analysieren. „Das wird eine wichtige Lücke in der Forschung füllen.“

Polymere finden sich in vielen Materialien und fast überall in Büros, Wohnungen oder Gebäuden: In Kabeln beispielsweise, in Steckdosen, Sicherungen, Computergehäusen oder Möbeln. Die TU-Forscherin, die am Fachbereich Maschinenbau am Institut für die Simulation reaktiver Thermo-Fluid-Systeme arbeitet, nennt ein tragisches Beispiel: Den Brand im Grenfell Tower in London im Sommer 2017. In dem 24-stöckigen Hochhaus kamen 72 Menschen ums Leben. Brandursache war die durchgebrannte Sicherung eines defekten Kühlschranks.

„Ein Wohnungsbrand entwickelt sich superschnell, weil einfach alles brennt“, sagt Federica Ferraro. „Wenn wir besser verstehen können, wie in Polymere eingebettete Brandschutzmittel wirken und einen Brand beeinflussen, könnten verheerende Unfälle in Zukunft vielleicht besser verhindert oder eingedämmt werden.“ Zumindest, so die Forscherin, würden sie die Ausbereitung der Flammen bekämpfen und die Fluchtzeiten für Menschen verlängern. Viele Tote durch Rauch- und Kohlenmonoxid-Vergiftungen ließen sich so vielleicht vermeiden.

Dr. Federica Ferraro,
Athene Young Investigator

Wenn wir besser verstehen können, wie in Polymere eingebettete Brandschutzmittel wirken und einen Brand beeinflussen, könnten verheerende Unfälle in Zukunft vielleicht besser verhindert oder eingedämmt werden.

Dr.-Ing. Federica Ferraro am Schreibtisch in ihrem Büro am Fachgebiet Simulation reaktiver Thermo Fluid Systeme.
Bild: Katrin Binner

Föderung durch das Athene Young Investigator Programm

Ihr Athene Young Investigator-Projekt,, das in den SFB/TRR 150 eingebunden ist, sei daher von gesellschaftlicher Relevanz, betont Ferraro. Die TU-Wissenschaftlerin möchte mit ihrer Forschung dazu beitragen, Leben zu retten. Sie hofft, dass Unternehmen und Hersteller die von ihr entwickelten Modelle und Methoden für ihre Produkte übernehmen und für mehr Brandschutz einsetzen. Auch an ihrem Institut am Fachbereiches Maschinenbau, an dem Ferraro seit 2019 arbeitet, will sie mit ihrer Brandschutz-Forschung einen neuen wichtigen Bereich aufbauen.

Seit 2021 ist die junge Wissenschaftlerin an der TU-Gruppenleiterin für „Multidimensional simulations of chemically-reactive flows“ im Team von Professor Christian Hasse. Sie forscht unter anderem zu alternativen Verbrennungssystemen und alternativen Kraftstoffen. Zuvor war sie fast drei Jahre lang am DLR in Köln beschäftigt, am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, „Als Kind wollte ich Astronautin werden“, erzählt sie und lacht. Sie wurde Luft- und Raumfahrt-Ingenieurin und forschte im Bereich Antriebs- und Verbrennungstechnik. „Das war eine gute und hilfreiche Erfahrung“, sagt sie.

Doch ihre Leidenschaft gilt auch der Lehre, weshalb sie an die TU und die Universität zurückkehrte. „Ich schätze den Kontakt zu den Studierenden.“ Ihr Ziel heute ist es, Professorin zu werden. Sie möchte im Hörsaal stehen, Promovierende und Studierende betreuen, unabhängige Forschung betreiben. Die Förderung als Athene Young Investigatorin ist ihr daher sehr wichtig. „Es ist eine Perspektive in der akademischen Laufbahn für mich.“

Das Programm Athene Young Investigator

Das Programm Athene Young Investigator (AYI) der TU Darmstadt soll herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fünf Jahre lang auf ihrem Karriereweg unterstützen. Ziel ist es, die frühe wissenschaftliche Selbstständigkeit der Nachwuchsforschenden zu fördern und ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, sich durch die eigenverantwortliche Leitung einer Nachwuchsgruppe für die Berufbarkeit als Hochschullehrerin beziehungsweise Hochschullehrer zu qualifizieren. Die Nachwuchsgruppenleiterinnen und -leiter werden mit bestimmten professoralen Rechten und einem eigenen Budget ausgestattet.

Die TU Darmstadt hat 2023 weitere vier exzellente junge Forschende als Athene Young Investigators ausgezeichnet. In den kommenden Wochen werden wir die vier Forschenden im Webauftritt der TU Darmstadt vorstellen.