Effizientere E-Autos dank Gangschaltung

22.02.2024 von

Elektroautos fahren üblicherweise mit einem Gang. Das Start-up InnoShiftIng ist überzeugt: Ein optimiertes Mehrganggetriebe mit ihrem innovativen Schaltungssystem hat ein großes Einsparpotenzial in Batterie- und Motorgröße bzw. erlaubt eine höhere Reichweite.

Die InnoShiftIng-Gründer Daniel Schöneberger (links) und Daniel Franz haben ein innovatives Schaltungssystem für effizientes Mehrganggetriebe für Elektroautos entwickelt.

Klassische Benziner oder Diesel benötigen ein Getriebe mit verschiedenen Gängen, um die Motor-Drehzahl einigermaßen konstant zu halten. Elektromotoren hingegen liefern ihre Kraft über einen extrem weiten Bereich: Ihre Drehzahl liegt bei über 15.000 Umdrehungen pro Minute – das Dreifache eines Verbrennungsmotors. Sie besitzen bei niedrigen ebenso wie bei hohen Umdrehungen ein ähnliches Drehmoment. Elektroautos fahren daher bisher üblicherweise mit einem Eingang-Getriebe, das die Drehzahl des Motors um einen festen Faktor verringert, meist auf ein Zehntel.

Schaltung erhöht Effizienz

Dennoch entwickelte Daniel Schöneberger während seiner Promotion ein Schaltungssystem speziell für elektrische Antriebe. Der Mechatroniker ist überzeugt, dass dies die Effizienz von Elektroautos erhöhen kann: „Damit lassen sich fünf bis zehn Prozent Energie einsparen.“ Das bedeutet eine entsprechend kleinere, leichtere und damit umweltfreundlichere Batterie – oder eine entsprechend höhere Reichweite. Das Kernelement des Schaltungssystems ist der Aktor, der den Schaltvorgang ausführt. Er übernimmt bei einem Automatikgetriebe das Wechseln der Gänge, wie man es von einem klassischen Schaltgetriebe kennt. Bei Verbrennungsmotoren mit Automatikgetriebe werden die Drehzahlen mechanisch synchronisiert, in einem Elektroauto lässt sich dies mit Hilfe des Elektromotors regulieren.

Damit lassen sich fünf bis zehn Prozent Energie einsparen.

Diesen Effekt demonstrieren Schöneberger und sein Geschäftspartner Daniel Franz in der großen Versuchshalle des Instituts für Mechatronische Systeme (IMS) der TUDa. Schon von weitem ist ihr Logo „InnoShiftIng“ in einer Ecke der Halle zu sehen. „Innovatives Schalten (englisch shift) und „Ing“ für Ingenieur“, erklärt Franz den gewählten Namen. An ihrem schicken beleuchteten Vorführmodell für Messebesuche zeigen die beiden Gründer das schnelle und effiziente Schalten ihres Systems. Am größeren Prüfstand dahinter optimieren sie vollständige Schaltungssystem. „Der von uns verbesserte Aktor ermöglicht 10-20 Mal schnelleres Schalten“, so Schöneberger.

Die Zweigangschaltung von InnoShiftIng: Auf Impuls des Steuergeräts verschiebt der Aktor (links) die Klauenkupplung, sodass die positionsgeregelt ineinandergreift. Die Daten zum Schaltvorgang werden aufgezeichnet.
Die Zweigangschaltung von InnoShiftIng: Auf Impuls des Steuergeräts verschiebt der Aktor (links) die Klauenkupplung, sodass die positionsgeregelt ineinandergreift. Die Daten zum Schaltvorgang werden aufgezeichnet.

Mehr Fahrkomfort durch ruckfreies Schalten

Dazu trägt als zweites Element die verwendete Klauenkupplung bei: Wenn die „Klauen“ beim Schalten präzise ineinandergreifen, benötigt dies beim Schalten weniger Kraft als bei klassischen Kupplungen. Am Modell lässt sich beobachten, wie die Zähne sanft ineinandergreifen. Um Klauenkupplungen sicher und komfortabel schalten zu können, müssen die Winkel für das Ineinandergreifen perfekt miteinander synchronisiert werden. Dafür werden Sensoren benötigt, die diese Winkel messen. Bisher stören häufig Verschmutzungen die Genauigkeit solcher Sensorfunktionen.

Das Team von InnoShiftIng hat daher einen speziell angeordneten Differenzialwinkelsensor entwickelt, mit dessen Hilfe die Klauenkupplung zuverlässiger, kostengünstiger und einfacher arbeitet. Das winkelgenaue Einpassen verringert zudem den Verschleiß im Vergleich zu herkömmlichen Schaltsystemen. Für dieses komplett ruckfreie, präzise Gang-Einlegen hält InnoShiftIng mittlerweile ein Patent. „Unser System erhöht durch schlaues Schalten den Fahrkomfort“, sagt Franz. Der Maschinenbauer beschäftigte sich im Rahmen seiner Promotion unter anderem mit Aktoren und deren Regelung

Die beiden Gründer haben sich vor acht Jahren als wissenschaftliche Mitarbeiter am IMS an der TUDa kennengelernt und gemeinsam die Idee für verbesserte Schaltungssysteme für Elektroautos verfeinert. Im Januar 2023 gründeten sie mit Hilfe eines EXIST-Stipendiums des Bundes die InnoShiftIng GmbH. Das HIGHEST-Team unterstützte sie bei den Förder- und mittlerweile sechs Patentanträgen. Und die TUDa stellt ihnen Platz zum Forschen und Konstruieren sowie Bürofläche zu Verfügung. Am Antriebsprüfstand des IMS in derselben Halle können sie ihr Schaltsystem unter verschiedenen Bedingungen testen.

Ihren optimierten Aktor und Sensor für die Klauenkupplung ergänzten die beiden Gründer um eine verbesserte Getriebesteuerung. Eine intelligente Software passt dabei das Schaltverhalten des Automatikgetriebes optimal an die jeweilige Fahrsituation an. Sie ermöglicht komfortable und schnelle Gangwechsel. „In dieser Kombination lässt sich für den Antrieb einiges einsparen“, so Franz. An ihrem Modell zeigt er, dass der Schaltvorgang sich von ursprünglich 500 Millisekunden mit Hilfe der Neuerungen auf 20 Millisekunden senken lässt. Mit diesem Modell waren sie schon auf einigen Fachmessen und -konferenzen: „Da finden wir das richtige Publikum für unsere Erfindung“. Um Preise und Auszeichnungen haben sie sich hingegen bewusst nicht beworben: „Dazu ist unsere Erfindung zu speziell und wenig allgemeinverständlich“.

Interessierte Industriepartner

Doch Fachleute sehen durchaus die Vorteile einer Mehrgangschaltung bei Elektroautos, wie sie bisher nur bei wenigen teuren Elektroautos eingebaut wird. Solche Schaltungssysteme stammen bislang überwiegend aus konventionellen Getrieben. InnoShiftIng habe mit ihrer speziell für Elektroautos entwickelten Kombination aus optimiertem Aktor, Sensoren, Klauenkupplung und Getriebesteuerung gute Chancen am zukünftigen Markt, sind die Gründer überzeugt: Sie sei kompakter, komfortabler und günstiger als bisherige Automatikschaltungen. Zwei Industriepartner haben sie bereits; nun gelte es, weitere Firmen für die Serienproduktion zu finden. Das weiter optimierte, fast serienfertige Modell ist nochmal um ein Drittel kleiner, zeigt Schöneberger am Beispiel des faustgroßen Aktors. Dafür suchen sie nun einen Produzenten.

Wir wollen mit Lizenzen Geld verdienen.

Ihr Ziel ist, möglichst vielen Autoherstellern und Zulieferern ihr Knowhow und ihre Patente des Schaltsystems zu Verfügung zu stellen. „Vermutlich dauert es in Deutschland etwa vier Jahre, bis so etwas in Serie geht“, schätzt Schöneberger.

Weniger CO2, Schadstoffe, Energie und Ressourcen

Je nach Auftragslage wollen sie dann ihre Produktpalette ausweiten, etwa auch auf LKWs, die bei hoher Zugkraft auf ein Mehrgang-Getriebe angewiesen sind. In diesem Jahr planen sie, eine:n Wirtschaftsingenieur:in einzustellen, auf Messen und Konferenzen neue Kontakte zu knüpfen und Partner für die Produktion zu finden. „Wir wollen mit Lizenzen Geld verdienen“, sagt Schöneberger, „zudem die Schaltung optimieren und weiterentwickeln, und Anpassungen als Dienstleistungen anbieten“. Er ist überzeugt, dass die Hersteller die Vorteile erkennen: Kleinere Batterien und Antriebe oder eben eine größere Reichweite seien attraktiv und besser für die Umwelt. Ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis und eine hohe Effizienz werden für Kunden und Hersteller von Elektroautos immer wichtiger. Das Schaltungssystem von InnoShiftIng mit innovativem mehrgängigem Schaltgetriebe verursacht schon bei der Herstellung des Elektroautos weniger CO2- und Schadstoffemissionen und verbraucht weniger Ressourcen wie Lithium und Selten-Erden. Zudem profitieren die Nutzer vom geringeren elektrischen Verbrauch und damit reduzierten Kosten.

Intellectual Property über IP4Shares von TUDa übernommen

Die beiden Mitdreißiger wirken gelassen und blicken optimistisch in die Zukunft: „Mit unserer Projekterfahrung können wir die Chancen gut abschätzen und Angebote entsprechend formulieren“. Zudem seien sie breit aufgestellt mit Patenten auf ihrer Hardware und selbst entwickelter Software. Im Februar 2024 haben sie das für ihre Gründung relevante geistige Eigentum (intellectual property, IP) nach dem Modell IP4Share von der TUDa übernommen – im Gegenzug erhält die TU virtuelle Anteile am Unternehmen. Das ist der nächste Schritt in ihre Unabhängigkeit. Das InnoShiftIng-Team ist sich sicher: Dem mehrgängigen Elektroauto gehört die Zukunft. Und sie sind dabei: „Vor einigen Jahren war die elektrische Mehrgängigkeit nur eine Randnotiz – jetzt ist sie bei elektrischen LKW voll angekommen und wird von namhaften Fahrzeugherstellern in Großserie eingeführt“, begeistert sich Schöneberger.