Leichter ins All
Start-up Metalonn reduziert Satelliten-Komponenten um mehr als das Zehnfache
18.07.2024 von Anja Störiko
Viel mehr als uns bewusst ist, wird heute von Satelliten aus gesteuert: Vom Navigationsgerät über die Wettervorhersage bis hin zur Übertragung von Fernsehen und Internet liefern sie wertvolle Daten für unseren Alltag. Und das nimmt exponentiell zu: „In den letzten drei bis vier Jahren starteten drei Mal mehr Satelliten ins All als bis dahin existierten“, beschreibt Emrah Fuat Talan diesen wachsenden Markt. Hier kommt das Start-up Metalonn ins Spiel, das er und Arshad Mehmood Mitte 2023 gründeten.
Im Weltraum zählt jedes Gramm
baut spezielle Komponenten für Satelliten leichter und damit kostengünstiger, geeignet für die Massenproduktion. Der Elektroingenieur Mehmood und der Automatisierungstechniker Talan entwickeln Hochfrequenzkomponenten speziell für die Luft- und Raumfahrt. „Gerade bei Satelliten zählt jedes Gramm“, erklärt Talan. Jedes Kilogramm mehr kostet beim Start bis zu 25.000 US-Dollar – das Einsparpotenzial ist also hoch. Weit über 10.000 Satelliten wurden seit 1957 ins All geschickt, davon fast die Hälfte in den vergangenen zwei Jahren. „Der Markt wächst enorm – und wir wollen helfen, vom Nischen- zum Massenmarkt zu kommen“, unterstreicht Talan. Metalonn
Die beiden lernten sich bei ALCAN Systems kennen, einem Start-up, das sich auf Antennen mit Flüssigkristall-Technologie spezialisiert hatte. Sie beschlossen, Metalonn als Spin-off zu gründen. „Wir sind also nicht die typischen jungen Hochschulabsolventen“, so Mehmood, „sondern ein bereits erfahrenes Duo“. Herzstück ihrer Entwicklung sind ausgeklügelte Metallbeschichtungen von hochkomplexen Formteilen – so entstand der Name Metalonn, der für „metal on nothing“ bedeutet und auf das hohle Material hinweist.
Ende 2023 erhielt das Start-up Fördermittel vom Business Incubation Centre (BIC) der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Neben der Finanzierung erhielten sie Büroräume, Beratung sowie optionalen Zugang zu den ESA-Laboratorien. „Wir glauben an unseren Traum – und investieren unsere eigenen Ersparnisse“, sagt Talan. Am Markt seien ihre Ideen mit Begeisterung aufgenommen worden, das habe sie zusätzlich motiviert.
„Antennen sind heute überall“, erklärt Talan – in Handys, Autos, Flugzeugen und Satelliten. Modernes Leben ist ohne Antennen unvorstellbar, die das Rückgrat aller Telekommunikationssysteme bilden. Sie werden ständig weiterentwickelt: kleiner, günstiger, effizienter und leichter. Mit seinen kostengünstigen und leichten Antennenkomponenten will Metalonn den Markt der Satellitenkommunikation erobern.
Innovatives Rezept für Ultraleichtbauweise
Mit ihren Kenntnissen von Material und Verarbeitung entwickeln die Gründer von Metalonn besonders leichte Antennenkomponenten. Mit der Hälfte bis Drittel des Gewichts gelten sie als Leichtbauteile; doch ihre ultraleichten Komponenten wiegen sogar nur ein Fünfzehntel. Die Leichtbaumaterialien sind für Raumfahrt und Flugzeugbau äußerst wertvoll. In der Raumfahrt sind die Materialien zudem extremen Temperaturen ausgesetzt. „Und sie müssen beim Start Erschütterungen wie bei einem Erdbeben aushalten“, sagt Mehmood. Mit der Leichtbauweise scheint das kaum vereinbar. Doch ihre Materialkenntnis sei einzigartig und speziell. Am Computer simulieren und entwickeln sie die Materialien, Beschichtungen und die gesamte Rezeptur für den Herstellungsprozess, abgestimmt auf die Anwendungen. Mehrere Auftragsfirmen setzen dann Schritt für Schritt das Bauteil zusammen. „Jeder einzelne Auftragnehmer macht das, was er kann – aber nur wir haben das Gesamtrezept“, verrät Mehmood die Geheimhaltungsstrategie. Grundlage sind spezielle Werkstoffe oder Polymere, die mit Metallen beschichtet werden. Je nach Anwendung passt Metalonn die Rezeptur mit einem zum Patent angemeldeten Verfahren an.
An einem Antennenbaustein demonstrieren die beiden Gründer diese Unterschiede: Üblicherweise besteht das Bauteil aus Aluminium. Die nächste Generation aus einem beschichteten Polymer wiegt schon nur noch die Hälfte. Die dritte Generation mit etwa einem Sechstel des Gewichts besteht aus einem glasähnlichen Material, das stabiler gegenüber Temperaturschwankungen ist. Das Gewicht des hochmodernen Ultraleicht-Bauteils der vierten Generation ist auf der Hand kaum noch spürbar: Der Hohlkörper aus einer speziellen Materialmischung wiegt nur noch einen Bruchteil seines klassischen Vorgängers.
Montage ohne Schrauben und Bolzen
Neben dem passenden Materialmix kommen auch Konstruktionsideen zum Einsatz: So müssen die aus einem Stück gefertigten Hochfrequenzkomponenten bei Metalonn nicht mehr verschraubt werden – was Platz und Dicke für Gewinde einspart. Dadurch sinkt das Risiko mechanischer Ausfälle, verbessert sich die elektrische Leistung und erleichtert so die Montage. Wie sie die Materialien verbinden, verraten die beiden Tüftler nicht. Das Rezept zu verbessern, ist ihr täglich Brot. Aufwändig und teuer sind hingegen Tests und die Qualitätsprüfungen. Dafür wäre Risikokapital hilfreich und beschleunigend.
Das habe sie sehr unterstützt, berichten die Ingenieure – etwa bei der Patent-Anmeldung: Ein Patent ist bereits eingereicht, ein zweites im Anmeldeprozess. Mehrere Monate Aufwand investierten Metalonn und HIGHEST in die Bewerbung für zwei Förderprogramme, die beide trotz sorgfältiger Vorbereitung und Anfrage abgelehnt wurden. Der Frust ist den beiden Gründern noch anzumerken – nicht, weil sie abgelehnt wurden, sondern weil die Information trotz Vorklärung erst nach kostbaren Monaten kam. Team von HIGHEST
„Für ein großes Unternehmen zählt so ein Zeitraum vielleicht nicht, für ein kleines Start-up sind das entscheidende und kostbare Wochen“, betont Mehmood. Die Träger staatlicher Förderprogramme in einem detaillierten Antrag und einem Pitch zu überzeugen, kann eine Herausforderung sein, und die langen Feedbackfristen können die Geduld eines Start-ups auf die Probe stellen. „Umso mehr freuen wir uns, dass Metalonn mit der Förderung durch BIC, einem Partner des Darmstädter Ökosystems, einen bedeutenden Schritt nach vorne gemacht hat,“ sagt Gudrun Lantelme, HIGHEST.
Wesentlich schneller, unkomplizierter und erfolgreich verlief die Bewerbung beim eher US-orientierten ESA-Gründungsprogramm in Darmstadt. Dort werden sie sich auch für das Folgeprogramm bewerben, idealerweise zusammen mit einem Partner. Noch in diesem Jahr hofft Metalonn einen Investor zu finden. Oder einen Projektauftrag: „Wir wollen Kunden gewinnen“, so Talan – etwa Satelliten- oder Drohnenhersteller. Dazu fokussieren sie sich derzeit auf ultraleichte Bauteile. Außerdem wollen sie Personal einstellen, um die Entwicklung zu beschleunigen. Vielleicht sind dann schon in ein oder zwei Jahren Gewinne möglich.
Satelliten: ein Zukunftsmarkt
„Unternehmen für moderne Satelliten auf niedrigen Umlaufbahnen (LEO) wie SpaceX revolutionieren gerade die Raumfahrt – Deutschland sollte Teil dieses neuen Wettlaufs im All sein“, fordert Mehmood. Diesem strategischen Markt gehöre die Zukunft. Und die Kosten müssten sinken. Derzeit seien die Transportkosten zehnmal so hoch und es würden mehr Satelliten benötigt als bei den üblichen stationären Satelliten in höheren Umlaufbahnen. Die Lebensdauer von LEO-Satelliten betrage nur drei bis vier Jahre. Jedes eingesparte Kilogramm spare also Treibstoff und CO2 beim Raketenstart, wirbt Mehmood für die (ultra)leichten Komponenten von Metalonn.
Mit ihrem Aufbruchsgeist und Ehrgeiz fühlen sich die beiden Gründer „unternehmerischer“ und risikofreudiger, als sie es bei vielen ihrer Kommiliton:innen wahrnehmen. Das hänge vermutlich auch mit ihrer Herkunft zusammen, meinen sie: Mehmood kam 2007 aus Pakistan an die TUDa, wo er seinen Master machte und über Antennen aus speziellen glaskeramischen Materialien promovierte. Neun Jahre arbeitete er im Start-up Alkan Systems. Dort traf er auf Talan, der in der Türkei seinen Master in Automatisierungstechnologie gemachte hatte, bevor er 2012 nach Deutschland kam und einige Jahre als Ingenieur bei Ford arbeitete. Aus dem vorigen Start-up haben sie einiges mitgenommen: „Entwickle ein Produkt, keine Technologie. Nicht zu schnell wachsen. Investoren von der Idee überzeugen, nicht von den Details“, zählt Mehmood auf. Die beiden sind von ihrem Know-how, ihrer Idee und der Umsetzungsfähigkeit überzeugt, und die begeisterten Reaktionen aus der Fachwelt geben ihnen Auftrieb. Daher schauen sie äußerst zuversichtlich in die Zukunft von Metalonn.