Zeitmaschine: Zum 100. Geburtstag von Gerd Fesel

Architekt der Maschinenbauhalle auf dem Campus Lichtwiese

02.08.2024 von

Wer sich am Campus Lichtwiese umschaut, wird schnell auf ein auffälliges Gebäude stoßen, das von außen fast gänzlich in den Farben Rot und Gelb gehalten ist: die Maschinenbauhalle. Über den Architekten Gerd Fesel, der in diesem Jahr 100 geworden wäre.

Die Farbgebung der Maschinenbauhalle ist wohlbegründet. Ihre einzelnen Systeme sind Farben zugeordnet. So ist die Primärstruktur (das Tragwerk) in Blau gehalten, die Sekundärstruktur (konstruktive Teile nicht tragender Wände) ist schwarz; raumbildende, nicht tragende Innenwände sind weiß, die Füllungen der Außenwände sind außen rot und innen sandfarben, die Füllungen der Schächte sind orange, die Kranbahnen chromgelb und die Betonkerne neapelgelb. Den Innenräumen gab der Architekt einen Überschuss an Gelb, um ein möglichst warmes Klima zu erzeugen.

Im Gegensatz zu der damals üblichen getrennten Behandlung der einzelnen Komponenten, wie Treppen, Tragwerk, nichttragende Trennwände, Außenhaut, et cetera, bearbeitete der Architekt die einzelnen Systeme während der gesamten Planung zusammen. Dies entsprach seiner Auffassung, die Technik in die alltägliche Umgebung einordnen zu wollen, durch »Überwindung des Gegensatzes zwischen Maschine, Ausstattung und Bauwerk« und unter Nutzung des aktuellen Stands der naturwissenschaftlich-technischen Entwicklung. Mit diesem Ansinnen war der Architekt nicht allein: Das 1976 fertiggestellte Gebäude wurde 1978 mit dem Europäischen Stahlpreis ausgezeichnet. Doch wer war der Architekt der Maschinenbauhalle eigentlich?

Nationale und internationale Anerkennung

Gerd Fesel wurde am 24. Januar 1924 in Hannover geboren. Hier studierte er auch Architektur. Seine 1954 erfolgte Promotion, wie auch ein Teil seines weiteren Wirkens, beschäftigte sich mit der Beleuchtung von Gebäuden. Das daraus resultierende Wissen nutzte er später unter anderem bei der Errichtung von Schulen im Raum Frankfurt, die als »fensterlose Schulen« bekannt wurden und beim Bau viel Aufsehen erregten. Fensterlos waren diese Schulen nicht, doch hatte Fesel sich – mit Blick auf den Fluglärm – dazu entschieden, die Fensterflächen möglichst klein zu dimensionieren und optimal auszurichten.

Nach seiner Promotion ging Gerd Fesel in die USA, wo er am Illinois Institute of Technology in Chicago forschte und in einem Architekturbüro arbeitete. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland plante er ab 1960 als leitender Architekt und Regierungsbaudirektor die Medizinische Fakultät der Universität Göttingen.1966 wurde Fesel als Professor für das Fach »Entwerfen und Technologie im Hochbau« an die damalige TH Darmstadt berufen. Seinen ehemaligen Studierenden zufolge lehrte er sie, ihre Aufgaben immer am Menschen orientiert und an die jeweiligen Konditionen (Ort, Zeit, Wissenschaft, Technik, Mentalität) gebunden zu lösen. Ein Schwerpunkt seiner Forschung und Lehre waren auch Aspekte der Technologie in der Architektur. Fesel war in zahlreichen Verbänden engagiert, zum Beispiel beim DIN-Normenausschuss für Tageslicht und Kunstlicht.

Engagement über die TH Darmstadt hinaus

Fesels Engagement in der Lehre ging über die TH Darmstadt hinaus. So sorgte er immer wieder für internationale Austausche und gründete 1980 die »UIA-Sommerschule für Architekten«. Ende der 1970er-Jahre initiierte er eine Kooperation der TH mit der Universität Bagdad. Diese internationale Komponente zeigte sich auch in seiner architektonischen Arbeit neben der Universität. So plante er Gebäude für die Universitäten in Benghasi und Basra und wirkte am internationalen Flughafen in Bagdad mit.

Gerd Fesel starb am 19. September 1984 im Alter von 60 Jahren. Sein Wirken reicht jedoch länger und hat bis heute Bestand. So zeugen nicht nur die Maschinenbauhalle an der TU Darmstadt sowie die Medizinische Fakultät an der Universität Göttingen von seiner Tätigkeit, sondern allein in Deutschland noch das Elektrotechnische Institut der TU Berlin sowie mehrere Schulen im Rhein-Main-Gebiet (unter anderem in Neu-Isenburg und Pfungstadt). Das als Doppelinstitut bekannte Produktionstechnische Zentrum der TU Berlin und der Fraunhofer-Gesellschaft war zum Zeitpunkt von Fesels Tod noch im Bau; nach der Fertigstellung erhielt er 1987 für den Bau posthum den Deutschen Architekturpreis.

Der Autor studiert an der TU Darmstadt Geschichte mit Schwerpunkt Moderne.

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