Elektrobusse optimal laden – und dabei sparen
TUDa-Start-up Fenexity entwickelt smarte Ladestrategien
08.05.2025 von Anja Störiko
Die Elektromobilität ist auch bei Bussen und LKWs angekommen. Die intelligente Software von Fenexity optimiert das Laden – abgestimmt auf Fahrpläne, Strompreise und weitere Anforderungen. Das ermöglicht große Einsparungen.

„Es sind neue Denkweisen nötig“, fordert Benjamin Blat Belmonte für eine nachhaltige Verkehrswende. Seine Idee: „Wir koppeln den Verkehrs- und Stromsektor“. In Darmstadt fahren bereits 65 Prozent der Linienbusse elektrisch. Ihre großen Batterien lassen sich gleichzeitig als Stromspeicher nutzen. „Die Betreiber können richtig Geld sparen, wenn sie die Busse zum richtigen Zeitpunkt aufladen“, erklärt der Maschinenbauer.
In seiner Dissertation am am Fachbereich Maschinenbau der TU Darmstadt befasste sich Blat Belmonte mit der ökonomischen Optimierung von Busflotten am Strommarkt. Anfangs ging es darum, wo die Ladepunkte im Busdepot am besten platziert werden. Der Ladevorgang dauert länger als die bisherige Dieselbetankung, und die Busse müssen in zum Fahrplan passender Reihenfolge geladen und geparkt werden. Institut für Mechatronische Systeme
Busdepots der Zukunft
Am Beispiel des ÖPNV-Anbieters HEAG mobilo in Darmstadt mit seinen 80 Bussen simulierte der 30-Jährige schließlich anhand von realen Fahrplänen und den Daten der Strombörse eine optimale Ladestrategie. Das Ergebnis war erstaunlich: Die berechneten Vorgaben – nach Anforderungen des Fahrplans und angepassten Ladezeitpunkten – sparten auf Anhieb 40 Prozent der Stromkosten. Ein vollständig in den Strommarkt integriertes „energieflexibles Depot“ könnte nach Blat Belmontes Berechnungen sogar Geld verdienen: Die großen Busbatterien sind ideale Speicher, die Energie nicht nur zum Fahren nutzen, sondern beispielsweise auch kurzfristig zu günstigen Zeiten wieder ans Netz abgeben können.
Die Busse werden also nicht mehr sofort vollgeladen, wenn sie abends ins Depot kommen und morgens zur nächsten Fahrt starten sollen, sondern die Software ermittelt den nötigen Ladestand und -zeitpunkt für die nächste Strecke. Zwischenzeitlich kann die Batterie beispielsweise Sonnenenergie speichern und abends zu einem teuren Tarif wieder ins Netz abgeben. Dieses „bidirektionale Laden“ ermöglicht weitere Einsparungen von 20 Prozent, errechnete Blat Belmonte. Wird der Strommarkt durch Handel mit Energie optimal genutzt, ist laut seiner Kalkulation im Idealfall ein Gewinn möglich.
Mit dieser Idee eine Gründung zu wagen, lag nahe. „Warum macht das eigentlich keiner?“, habe er sich gegen Ende seiner Doktorarbeit gefragt. Seinen noch ein halbes Jahr laufenden Vertrag nutzte der Darmstädter neben der Projektarbeit, um den Markt und den Gründungsprozess zu studieren. Viel habe er über Youtube erfahren. Über einen Freund und deren gemeinsames Hobby Snowboarden lernte er David Mandel kennen. Der Softwareentwickler und KI-Experte hatte gerade seinen Job gekündigt: „Ich wollte irgendwo klein starten und immer schon Richtung Gründung gehen – das war ein glücklicher und passender Zufall“.
So starteten die beiden ihr Projekt – eine Mischung aus Flexibiltät, Energie und in die Zukunft weisendes „next“. Das Innovations- und Gründungszentrum der TU Darmstadt hatten sie nicht in Darmstadt, sondern in München kennengelernt: Im Start-up-Bereich einer Energie-Messe empfahl ihnen ein anderer Gründer die Unterstützung durch HIGHEST. Nach einem ersten Kontakt wuchs daraus ein hilfreicher Austausch über alle Fragen und die Möglichkeit, sich für den TU-Ideenwettbewerb anzumelden. In der Kategorie Wissenschaft erreichte das Team 2024 den zweiten Platz. Auf dem INODAY24 im Herbst holten sie sich wertvolles Feedback von Expert:innen zu ihrer Idee – „unser erster Schritt nach außen“, so Mandel. „Fenexity“
Preise für dynamisches Laden
Im Dezember gewann Fenexity den Preis „Mobility Solutions“ der Promotion-Nordhessen. Das innovative Konzept für die Verkehrs- und Energiewende überzeugte die Jury. Von den 10.000 Euro finanzierten die beiden wichtige Reisen und Messestände. Seit Dezember ist Fenexity Teil des Hessen-Ideen-Programms: Ein halbjähriges Stipendium erlaubt den beiden Tüftlern, an ihrer Idee weiterzuarbeiten und sich in Workshops weiterzubilden.
Aktuelles Ziel ist das Hessische Förderprogramm Distr@l, für das sie sich mit Unterstützung von HIGHEST bewerben. Derzeit optimieren sie die Algorithmen der Software, die vielfältige Aspekte wie Fahrpläne, Verspätungen, Fahrzeugdefekte, Witterung, Heizbedarf und (prognostizierte) Strompreise vereint. „Mit unserem Wissen und entsprechenden Vorhersagen können wir die Energieaufnahme klug koordinieren“, so Blat Belmonte. So steht jedes Fahrzeug morgens passend zum Fahrplan mit der berechneten Lademenge bereit – nicht immer mit den Batterie-belastenden vollen 100 Prozent. Die finale Software ist aktuell in der Entwicklung und soll in der realen Umgebung der HEAG und weiterer Interessenten getestet werden.
„Jetzt ist der Zeitpunkt für intelligentes Energiemanagement“, betont Blat Belmonte. „Viele Bus- und LKW-Unternehmer kaufen E-Fahrzeuge und merken, dass sie die koordinieren müssen“. Fenexitys Kernprodukt „BirdsEye“ ist da eine ideale Unterstützung: Das Monitoring für Fahrzeuge, Ladestationen und Fahrpläne liefert beispielsweise den Fahrer:innen Informationen, welche Parkplätze und Lademöglichkeiten sie idealerweise wann ansteuern sollten. „Das wollen wir mit den Kund:innen weiterentwickeln“, so Mandel. Intelligentes Laden spare Energie, aber auch hohe Anschaffungskosten für die Ladeinfrastruktur, da weniger Ladesäulen pro Fahrzeug benötigt werden.
Geld sparen und Netze stabilisieren
Das Fenexity-Produkt der Zukunft ist „ArrowPulse“, das energetisch optimale Laden im Hintergrund: Ab über 20 Fahrzeugen lohnt sich der direkte Handel am Strommarkt. So will Fenexity künftig Mobilität und Energieversorgung direkt koppeln: Die großen Batterien haben ein großes Ladepotenzial und können helfen, Stromspitzen durch Speichern auszugleichen sowie bei Bedarf Strom einzuspeisen. Das ermöglicht kostengünstiges Laden für die Betreiber und dient zudem der Netzstabilität.
„Die einfache Hälfte haben wir geschafft“, sagt Blat Belmonte. Jetzt gehe es darum, den Strommarkt mit einzubeziehen und dessen Flexibilität optimal zu nutzen. Mit Pilotkunden und einem wachsenden Team will Fenexity in den kommenden Jahren seine Software in realer Umgebung testen und entwickeln. Dazu müssen sie die Schnittstellen zwischen Software und Geräten weiterentwickeln. Derzeit sind Mandel und Blat Belmonte viel auf Messen unterwegs, sprechen mit potenziellen Partnerfirmen und Kunden. Schon bald, so hoffen sie, trägt Fenexity zur Energie- und Verkehrswende bei.