Aus dem Labor zur Anwendung

Das Förderprogramm „Pioneer Fund“ unterstützt zwei weitere Projekte

16.12.2020 von

Neue wasserabweisende Papiere und ein Smartphone-gestützter Test auf Antibiotika in Lebensmitteln – damit beschäftigen sich die beiden Projekte der sechsten Förderrunde des Pioneer Fund. Das gemeinsame Innovationsförderprogramm der TU Darmstadt und des ENTEGA NATURpur Instituts unterstützt den Transfer von der Forschung in die Anwendung seit 2017 mit insgesamt 600.000 Euro jährlich.

SilicaCoat-Papier: Nachhaltige Beschichtung für Pappbecher & Co.

Ob für Verpackungen, Einmalgeschirr oder Trinkhalme: Papier statt Plastik liegt im Trend. Doch anders als Kunststoffe weicht das Zellulosematerial bei Kontakt mit Wasser auf. TU-Forschende um die Professoren Dr. Annette Andrieu-Brunsen und Dr. Markus Biesalski (beide Fachbereich Chemie) verhindern genau das mit einer nachhaltigen Beschichtung aus Siliziumdioxid, jener Substanz, aus der auch Quarzsand besteht. „Wir kombinieren im Prinzip zwei natürliche Materialien zu einem wasserabweisenden Papier“, sagt TU-Chemikerin Nicole Rath, die das Pioneer Fund-Projekt gemeinsam mit ihrem Kollegen Dr. Maximilian Nau koordiniert.

Wegen der geringen Stärke von weniger als 100 Nanometern ist die neuartige Beschichtung biegsam und weder sicht- noch spürbar. Aufgebracht wird sie durch Eintauchen des Papiers in die wässrige Lösung einer Substanz, die chemisch verwandt ist mit Kieselsäure. Unter dem Einfluss von Säure und Wärme bildet sich daraus die auf den Namen SilicaCoat getaufte Schutzschicht aus Siliziumdioxid.

Bislang werden die für Einmalbecher und ähnliche Produkte verwendeten Papiere mit einer dünnen Plastikfolie überzogen. Das aber führe zu Problemen beim Recycling, erklärt Nau, die Siliziumdioxid-Beschichtung hingegen störe die Wiederverwertung nicht: „Außer einer Prise Sand verbleibt nichts auf dem Papier.“

In ihrem Pioneer Fund-Projekt, das im Januar startet, wollen die TU-Chemikerinnen und -Chemiker zukünftige Einsatzmöglichkeiten prüfen und Demonstratoren sowie Prototypen entwickeln. Einmalgeschirr, Verpackungen und Backpapier könnten aus dem innovativen Papier ebenso hergestellt werden wie Membranen für technische Anwendungen. Einige anwendungsrelevante Fragen sind aber noch zu klären, etwa zur Beschichtung verschiedener Papiersorten. Der Fokus des Pioneer Fund-Projekts liege klar auf der praktischen Umsetzung, betonen Rath und Nau. Mit der Förderung wollen sie die Brücke zwischen akademischer Forschung und kommerzieller Anwendung schlagen und die Basis für eine Ausgründung schaffen.

APTASENSE: Ein Schnelltest auf Antibiotika in Lebensmitteln

In der Massentierhaltung werden Antibiotika nicht nur gegen Krankheiten eingesetzt, sondern auch zur Steigerung der Fleischproduktion – ein bedenkliches Vorgehen, das Antibiotika-Resistenzen fördert. Verbraucherinnen und Verbraucher können nicht feststellen, ob sie mit Antibiotika belastete Produkte kaufen. Forschende um Professorin Dr. Beatrix Süß (Fachbereich Biologie) und Professor Dr. Heinz Koeppl (Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik) entwickeln in ihrem Pioneer Fund-Projekt, das im Juni startete, einen Schnelltest auf Antibiotika in Lebensmitteln. Die Methode eigne sich für Trinkwasser, Milch und viele andere Lebensmittel, aber auch für Fleischsaft, erklärt Projektkoordinatorin Dr. Christiane Hübner: „Man muss die flüssige Probe dafür nur mit einer Reagenzlösung vermischen. Bei Anwesenheit von Antibiotika ändert sich die Farbe von rot zu blau.“ Der Farbumschlag wird mit dem Smartphone fotografiert. Die Auswertung erfolgt über eine App, die Koeppl und seine Mitarbeitenden entwickeln.

Die Nachweisreagenzien bestehen aus kurzen RNA-Fragmenten, sogenannten Aptameren, die an Gold-Nanopartikel gebunden sind. Die wässrige Lösung dieser Aptamer-Gold-Teilchen ist rot. Bei Anwesenheit von Antibiotika lösen sich die Aptamere von den Gold-Partikeln und die nun ungebundenen Gold-Partikel erscheinen blau. Mit einem Screening-Verfahren haben Süß und ihre Mitarbeiter bereits potenziell geeignete Aptamere ausgewählt. Das Team um Koeppl optimiert deren molekulare Struktur mit Methoden des maschinellen Lernens. Die chemische Synthese erfolgt schließlich im Labor von Süß.

Mit den Mitteln des Pioneer Funds wollen die Forschenden unter anderem klären, wie empfindlich der Antibiotika-Nachweis ist und ob er durch Proteine oder andere Lebensmittelbestandteile gestört wird. „Unser Ziel ist ein verlässliches und einfach benutzbares Testsystem für den Endverbraucher“, betont Hübner. Das Interesse daran ist groß, zumal bisherige Kontrollmethoden zeitaufwändig sind und sich nicht für den Hausgebrauch eignen.

Pioneer Fund

Der Pioneer Fund ist Teil des umfangreichen Unterstützungsangebotes von HIGHEST, welches als Innovations- und Gründungszentrum der TU Darmstadt den Fund managt und sämtliche Aktivitäten während der gesamten Antrags- und Förderungsphase koordiniert. Die Entscheidungen zur Förderung trifft eine Kommission, die paritätisch aus jeweils vier Vertretern der ENTEGA AG und der TU Darmstadt besetzt ist.