Das Rätsel der visuellen Wahrnehmung
Projekt von TU-Professor Thomas Wallis wird mit ERC Consolidator Grant gefördert
31.01.2023
Wie erfasst der Mensch die einzelnen Objekte einer Szene, selbst wenn sie nur teilweise zu sehen sind? Und wie lernt der Mensch aus visuellen Erfahrungen diese sogenannte Segmentierung? Das untersuchen nun Forschende der TU-Darmstadt. Der Europäische Forschungsrat fördert das Projekt mit einem renommierten ERC Consolidator Grant im Umfang von rund zwei Millionen Euro.
Ein Foto, auf dem nur eine Motorhaube zu sehen ist, die hinter einem Haus hervorragt – trotzdem erkennen erwachsene Betrachtende sofort, dass es sich um ein Auto handelt. Denn der menschliche Verstand kann normalerweise erfassen, welche Objekte in einer Szene vorhanden sind, und sich auch verborgene Teile davon vorstellen. Doch wie genau erkennt der Verstand die Bedeutung solcher Szenen? Dieser Frage geht das Forschungsprojekt „SEGMENT“ unter Leitung des nach, das nun mit einem renommierten TU-Psychologieprofessors Thomas Wallis gefördert wird. Die Fördersumme über eine Laufzeit von fünf Jahren beträgt rund 2,1 Millionen Euro. ERC Consolidator Grant
Ausgangspunkt und erster Schritt des visuellen Verständnisses von Szenen ist die sogenannte Segmentierung: Dabei versucht das menschliche Gehirn zu erkennen, welche Teile einer dargestellten Szene zu welchen Objekten gehören. Erwachsene können das bis zu einem gewissen Grad anhand von Fotos tun – auch wenn sie als Kleinkinder nicht mit Hilfe von Fotos, sondern in einer 3D-Welt sehen gelernt haben. Informationen über die eigene Umgebung liefern unter anderem die Art und Weise, wie Szenen in das menschliche Auge projiziert werden, wie das Licht durch die Optik des Auges beeinflusst wird, wie Fotorezeptoren im Auge auf das Licht reagieren und wie die Augen bewegt werden.
Wie segmentieren Erwachsene Szenen
Wie Menschen all diese Informationen des aktiven 3D-Sehens kombinieren, um eine Segmentierung vorzunehmen, ist jedoch nicht bekannt. Das liegt daran, dass herkömmliche visuelle Anzeigegeräte diese Faktoren nicht genau nachahmen können und dass es unethisch wäre, diese Faktoren bei Kleinkindern zu manipulieren. Hier setzt das Projekt von Professor Wallis an: Im Rahmen von „SEGMENT“ sollen ein neues Anzeigegerät und experimentelle Methoden entwickelt werden, um zu untersuchen, wie Erwachsene Szenen segmentieren. Zudem sollen Stimulierungen des visuellen Systems von der frühen Entwicklung bis zum Erwachsenenalter simuliert werden. Dazu will das Darmstädter Team um Professor Wallis bahnbrechende neue Technologien auf Grundlage fortschrittlicher Computergrafik und maschinellem Lernen nutzen.
Weiter geplant sind Experimente am Computer mit künstlichen neuronalen Netzen, um das Segmentierungslernen zu verstehen. Dabei wollen die Forschenden verschiedene Faktoren wie die Optik oder die Bewegung der Augen systematisch einschränken oder manipulieren. Das erlernte Verhalten der künstlichen Netze soll schließlich mit dem Verhalten Erwachsener bei der Segmentierung bei der aktiven Erkundung von 3D-Szenen verglichen werden. „Wir wollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede nutzen, um ein grundlegendes Rätsel der Wahrnehmung besser zu verstehen: wie der Verstand den Sinn von Szenen erkennt“, erklärt Wallis.
Zur Person
ist seit 2021 Professor für Perception am Institut für Psychologie und am Thomas Wallis der TU Darmstadt. Er forscht vor allem zur visuellen Wahrnehmung bei Menschen und Maschinen, maschinellem Lernen und kognitiver Modellierung sowie zu Anwendungen der visuellen Wahrnehmungsforschung. Centre for Cognitive Science
Der Australier (Jahrgang 1983) promovierte 2010 an der University of Queensland in Australien. Anschließend forschte er am Schepens Eye Research Institute und der Harvard Medical School in den USA sowie am Zentrum für Integrative Neurowissenschaften und dem Fachbereich Informatik der Eberhard Karls Universität Tübingen. Von 2019 bis 2021 war Wallis Forscher bei Amazon Deutschland.
Hintergrund
Die werden vom ERC Consolidator Grants an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus allen Disziplinen im Zeitraum von sieben bis zu zwölf Jahren nach der Promotion vergeben. Damit fördert die Europäische Union vielversprechende Forschung: Der Consolidator Grant richtet sich an Forschende, die bereits exzellente Arbeiten vorweisen können und nun bei Ihren bahnbrechenden Forschungsvorhaben zur Erlangung wissenschaftlicher Konsolidierung unterstützt werden sollen. In der aktuellen Runde wurden 321 Grants vergeben, 2222 Anträge waren eingereicht worden. Europäischen Forschungsrat
Neben Wallis erhielten in der aktuellen Förderrunde von der TU Darmstadt auch und Professor Leopoldo Molina-Luna für das Projekt „ELECTRON“ einen ERC Consolidator Grant. Professorin Kaßens-Noor für das Projekt „scAInce“
mih