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Humboldt-Forschungspreisträgerin zu Gast an der TU Darmstadt

Professorin Milica Radisic forscht bei „FLOW FOR LIFE“

25.06.2024

Professorin Milica Radisic von der University of Toronto ist international führend auf dem Gebiet des kardialen Tissue-Engineerings und der Organ-on-a-Chip-Technologie sowie der Entwicklung neuer Biomaterialien, die die Gewebeheilung fördern und die Narbenbildung mindern. Im Rahmen eines Humboldt-Forschungspreises der Alexander von Humboldt-Stiftung ist Radisic nun im Juli zu Gast an der TU Darmstadt. Zusammen mit TU-Professorin Ulrike Nuber und weiteren Mitgliedern des LOEWE-Forschungsschwerpunkts „FLOW FOR LIFE" wird sie an der Entwicklung vaskularisierter Gewebemodelle arbeiten. Im Interview spricht sie über ihre Forschungsprojekte und Ziele.

Professorin Milica Radisic
Professorin Milica Radisic

„Mein Forschungsgebiet ist faszinierend.“ Der beste Weg, es Nicht-Fachleuten zu erklären, ist…?

Meine Arbeit konzentriert sich auf die Herstellung menschlichen Gewebes im Labor, ausgehend von Stammzellen, mit besonderem Schwerpunkt auf Herzmuskelgewebe. Menschliche Herzzellen können sich nicht selbst erneuern, was den Fortschritt bei der Entdeckung neuer Therapeutika und der regenerativen Medizin einschränkt. Unter Verwendung von Zellen, die von Patientinnen und Patienten stammen, hat mein Labor Ansätze entwickelt, um menschliches Herzgewebe ähnlich dem eines Erwachsenen für die Entdeckung von Arzneimitteln und Therapeutika herzustellen. Diese Technologie hat weitreichende Anwendungen in der Chemie, Biologie, im Ingenieurwesen und letztlich in der Medizin.

An welchen Forschungsfragen arbeiten Sie derzeit?

Ich leite ein Forschungsprogramm, das sich auf die Entwicklung von Mikroumgebungen für die kardiovaskuläre Regeneration konzentriert. Wir arbeiten mit Kardiomyozyten, die aus menschlichen pluripotenten Stammzellen stammen, und entwickeln mikrogefertigte Systeme für deren Reifung. Wir entwickeln vaskularisierte und perfundierbare Modelle von menschlichem Herz-, Leber- und Tumorgewebe für die Erforschung von Arzneimitteln und Toxizitätstests. Ein wichtiger Aspekt unserer Forschung ist die Entwicklung neuer elastischer und immunmodulatorischer Polymere.

Was ist Ihr bislang wichtigster Forschungserfolg?

Meine wichtigsten Beiträge liegen in der Entwicklung von Heart-on-a-Chip-Modellen, mit denen sich menschliche Reaktionen auf Medikamente und Chemikalien besser vorhersagen lassen, wodurch Präzisionsprüfungsansätze vorangetrieben und die Abhängigkeit von Tierversuchen verringert werden. Ich habe das Feld durch die Entwicklung neuer Polymer-Verbundwerkstoffe vorangetrieben, die sich für den 3D-Druck von Organ-on-a-Chip-Vorrichtungen eignen, was deren schnelle Herstellung ermöglicht, und habe Pionierarbeit bei der elektrischen Stimulation zur Zellreifung geleistet.

Humboldt-Forschungspreis für Professorin Milica Radisic

Mit dem Humboldt-Forschungspreis, der mit 60.000 Euro dotiert ist, würdigt die Alexander von Humboldt-Stiftung jedes Jahr bis zu 100 international führende Forschende aller Fachrichtungen aus dem Ausland für deren bisheriges Gesamtschaffen. Die Ausgezeichneten werden zusätzlich eingeladen, selbst gewählte Forschungsvorhaben an einer wissenschaftlichen Einrichtung in Deutschland gemeinsam mit den dortigen Fachkolleg:innen durchzuführen.

Die Alexander von Humboldt-Stiftung verlieh 2023 Milica Radisic den renommierten Forschungspreis. Für den Preis wurde sie von Professorin Ulrike Nuber vom Fachbereich Biologie der TU Darmstadt nominiert. Neben dem Aufenthalt von Radisic im Juli 2024 sind für die kommenden Jahre weitere Forschungsaufenthalte an der TU Darmstadt in Planung.

Werden die Ergebnisse Ihrer Forschung jetzt oder zu einem späteren Zeitpunkt konkrete Auswirkungen auf unser tägliches Leben haben?

Unsere Arbeit wird die Identifizierung sichererer und wirksamerer Arzneimittel ermöglichen und den Einsatz von Tieren bei der Arzneimittelprüfung und -entwicklung verringern. Unsere Technologie bietet eine auf menschlichen Zellen basierende Plattform zur Bewertung der physiologischen Auswirkungen von Medikamenten und Chemikalien auf menschliches Gewebe und Organe. Tiermodelle sind oft nicht in der Lage, die genetische Vielfalt und die physiologischen Reaktionen des Menschen zu erfassen, was mit unserer Technologie überwunden werden kann.

Welche innovativen Entwicklungen erwarten Sie in den nächsten Jahren auf Ihrem Forschungsgebiet?

Ich freue mich auf die Zeit, in der 3D-Gewebe ein gängiges Forschungsmodell für wissenschaftliche Entdeckungen sein werden. Wir können bereits einen Wandel beobachten, bei dem mehr und mehr Herzforschungslabors eine Art von 3D-Gewebe verwenden. Ich rechne damit, dass noch mehr Modelle zum Einsatz kommen und tatsächlich zu einem gängigen Ansatz werden. Dies wird uns in die Lage versetzen, eine Fülle von Erkenntnissen über den Aufbau originalgetreuer funktionaler Gewebe zu gewinnen, die letztendlich Therapien am Menschen verändern und die regenerative Medizin vorantreiben werden.

Was hat Sie motiviert Forscherin zu werden?

Schon als kleines Kind war ich von den Wundern und der Magie der uns umgebenden natürlichen Welt fasziniert. Wenn ich den Nachthimmel betrachtete oder in ein Kaleidoskop oder ein Mikroskop schaute, ergab sich ein magisches Bild. Es ist die Magie dieser schönen Bilder, die mich motivierte, Wissenschaftlerin zu werden, um wirklich zu verstehen, was hinter ihnen steckt.

Minisymposium „Biomaterials & Tissue Engineering“ am 3. Juli 2024 mit Professorin Milica Radisic

Der LOEWE-Forschungsschwerpunkt FLOW FOR LIFE veranstaltet am Mittwoch, den 3. Juli 2024, von 13:30 bis 18 Uhr im Georg-Christoph-Lichtenberghaus das Minisymposium „Biomaterials & Tissue Engineering“ mit der Humboldt-Forschungspreisträgerin Milica Radisic von der University of Toronto. Weitere Referent:innen sind Wolfram Zimmermann von der Universität Göttingen, Katharina Landfester vom MPI für Polymerforschung Mainz und Aranzazu del Campo vom Leibniz-Institut für Neue Materialien und der Universität Saarbrücken.

Im LOEWE-Schwerpunkt „FLOW FOR LIFE“ entwickeln seit 2022 Forschende der TU Darmstadt künstliche Versorgungsnetzwerke für humane Gewebe. Ihre Forschung soll es zukünftig ermöglichen, eine ausreichende Nährstoff- und Sauerstoffzufuhr für organähnliche dreidimensionale Zellverbände zu erreichen. Das interdisziplinäre Team vereint ingenieur- und naturwissenschaftliche Expertise aus fünf Fachbereichen.

Weshalb haben Sie sich für die TU Darmstadt entschieden?

Meine Kollegin Professorin Ulrike Nuber leitet ein spannendes und bedeutsames Forschungsprogramm auf dem Gebiet der Stammzell- und Entwicklungsbiologie, das sich auch auf die Verwendung von humanen pluripotenten Stammzellen stützt. Ihre komplementäre Expertise hat mich an die TU Darmstadt gezogen.

Welches Ansehen genießt die deutsche Forschung in Ihrem Heimatland?

In Kanada gilt Deutschland als Forschungshochburg, die seit Jahrhunderten sowohl für grundlegende als auch für angewandte bahnbrechende Entdeckungen bekannt ist. Für kanadische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es von strategischer Bedeutung, die Zusammenarbeit mit deutschen Forschenden zu pflegen und auszubauen.

Zwei Fragen an Gastgeberin Professorin Ulrike Nuber (Fachbereich Biologie und LOEWE-Forschungsschwerpunkt „FLOW FOR LIFE“)

Professorin Ulrike Nuber
Professorin Ulrike Nuber

Was schätzen Sie an Ihrem Gast am meisten oder was beeindruckt Sie am meisten?

Milica beeindruckt mich als äußerst kreative, interdisziplinäre Wissenschaftlerin mit einem starken Wunsch, ihre Forschung in biomedizinische Anwendungen zum Wohle von Patientinnen und Patienten umzusetzen. Außerdem schätze ich ihre kooperative und unterstützende Persönlichkeit sehr.

Ich bewundere ihre einzigartige Fähigkeit, nicht nur disziplinäre Grenzen zu überschreiten, sondern vor allem das Potenzial zu erkennen, das in der Verschmelzung von Technologien, Materialien und Prinzipien aus verschiedenen Bereichen (Zellbiologie, Ingenieurwesen, Medizin, Chemie, Materialwissenschaften) liegt. Dies ermöglicht es ihr, völlig neue biomedizintechnische Ansätze zu realisieren.

Wie profitieren Sie, Ihr Team und die TU Darmstadt von Ihrem Gast?

Wir werden von Milicas sehr starker Forschung und Expertise auf dem Gebiet der vaskularisierten Gewebemodelle und des Organ-on-Chip-Engineering profitieren. Die University of Toronto ist eine Partneruniversität der TU Darmstadt und Milica wird dazu beitragen, diese Verbindung zu stärken.

pb