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Systematisch Unsicherheiten erkennen

Athene Young Investigator Dr. Henning Bonart im Porträt

26.06.2024 von

Dr. Henning Bonart ist Gruppenleiter am Fachgebiet Nano- und Mikrofluidik des Fachbereiches Maschinenbau und neuer Athene Young Investigator der TU Darmstadt. Der Fluidverfahrenstechniker will statistische Methoden der Unsicherheitsquantifizierung und physik-getriebenes maschinelles Lernen dafür nutzen, um Simulationen am Computer und aufwendige Laborexperimente oder Prozesse in der Mikrofluidik zuverlässiger als bisher aufeinander abzustimmen.

Dr.-Ing. Henning Bonart, Athene Young Investigator 2024

Henning Bonart ist auf Mikrofluidik spezialisiert, das heißt, auf gleitende Tropfen auf mikrostrukturierten Oberflächen, auf dünne Filme oder Strömungen in Mikrokanälen. Die Bandbreite der Anwendungen ist groß. Mikrofluide Biosensoren können Viren detektieren oder rutschende Tropfen als elektrischer Bioreaktor dienen. „Hier gibt es viel zu entdecken und viele Erklärungen für Effekte stehen noch aus“, findet der Forscher. Bonart mag es besonders, wenn es kompliziert wird. Herausforderungen motivieren ihn. „Ich wende gerne anspruchsvolle Mathematik und Statistik auf fluiddynamische Probleme an und entwickele und kombiniere für die Lösung dann verschiedene Methoden und Software-Codes miteinander“, erklärt er.

In den Ingenieurwissenschaften, berichtet der 35-Jährige, gebe es sehr viele technische Systeme, die sich nur schwierig experimentell vermessen lassen. „Es ist meist sehr teuer und aufwendig bis unmöglich, bestimmte Prozesse im Labor oder in der praktischen Anwendung in der Industrie detailliert zu beobachten. Moderne Simulationen ermöglichen zwar, die interessanten Abläufe und Interaktionen gut im Computer abzubilden. Leider ist aber unklar, wie sicher diese Modelle und Vorhersagen sind.“ Der Athene Young Investigator setzt auf die Kombination aus experimentellen Daten und detaillierten Simulationsmodellen, die zusammen erst die erwünschten Informationen über das System und auch den Grad der Unsicherheit ergeben. „Darauf lässt sich dann die weitere Vorgehensweise aufbauen. Das macht es schneller und billiger“, ist Bonart überzeugt.

Moderne Simulationen ermöglichen zwar, die interessanten Abläufe und Interaktionen gut im Computer abzubilden.

Die systematische Kombination aus Computer, Experiment oder Messung, die zuverlässige Informationen liefert, wird bereits angewandt. „Allerdings lassen sich komplexe Modelle wegen begrenzter Rechenkapazitäten und Methoden nur sehr schlecht verwenden – es dauert einfach zu lange. Meist wird deshalb auf einfachere, aber weniger genaue Modelle zurückgegriffen“, berichtet der Forscher. Das will er als Athene Young Investigator ändern. In seiner AYI-Forschung will er Software-Sensoren mit teuren Simulationen entwerfen: „Das heißt, man nimmt eine Größe eines echten Systems, die sich gut vermessen lässt, steckt diese in ein detailliertes, komplexes Modell und erhält so Informationen, die sich schlecht messen lassen. Diese virtuellen Messungen kann ich dann nutzen, um das echte System besser zu verstehen, zu designen und zu steuern“, erläutert er.

Simulationen am Computer und aufwendige Messungen aufeinander abstimmen

Der Athene Young Investigator setzt auf die Kombination aus experimentellen Daten und detaillierten Simulationsmodellen.
Der Athene Young Investigator setzt auf die Kombination aus experimentellen Daten und detaillierten Simulationsmodellen.

Anwenden will er diese Methode vor allem auf sehr aufwendige, tagelange Simulationen von Tropfen, die auf Oberflächen prallen. Dazu verwendet er aktuelle Methoden des maschinellen Lernens wie physik-basierte Modellreduktion und stochastische Ersatzmodelle. Rückschlüsse erhofft sich Bonart auf diese Weise auch auf das optimale Design von Experimenten. Simulationen am Computer und aufwendige Messungen könnten so künftig zuverlässiger als bisher aufeinander abgestimmt werden.

Und hier kommt Thomas Bayes und die Uncertainty Quantification (UQ) ins Spiel. Bayes war ein englischer Statistiker, Philosoph und Geistlicher im 18. Jahrhundert. Er entwickelte eine Formel zu Berechnung bedingter Wahrscheinlichkeiten, einen systematischen Weg, um Hypothese oder Aussagen an gemachte Erfahrungen oder Erlebnisse anzupassen. Das Feld der Unsicherheitsquantifizierung (UQ), so Bonart, liefere statistische Methoden, um systematisch Messfehler und Unsicherheiten erst zu quantifizieren und dann zu reduzieren. „So können wir zum Beispiel herausfinden, wo wir nochmal nachmessen sollten, um eine sichere Aussage über einen beobachteten Effekt treffen zu können. Und wir können auch sagen, wie sicher wir uns mit der Prognose sind.“

Zu diesem Zweck vertiefte er sich in die Bayessche Statistikphilosophie. Den Anstoß dazu gab sein erster Forschungsaufenthalte 2019 in der Uncertainty Quantification Group von Professor Youssef Marzouk am Massachusetts Institut of Technlogy (MIT) in Cambridge. Bayessche Statistik führe zu leicht interpretierbaren Wahrscheinlichkeitsaussagen und sei perfekt für die Ingenieurwissenschaft und Lehre geeignet, findet er.

Ein Signal für mich, dass es sich lohnt, an der Universität und im akademischen Betrieb zu bleiben.

Henning Bonart hat einen Bachelor in Chemieingenieurwesen und Verfahrenstechnik am Karlsruher Institut für Technologie erworben, seinen Masterabschluss und seine Doktorarbeit an der Technischen Universität Berlin am Fachgebiet Dynamik und Betrieb technischer Anlagen gemacht. 2020 wechselte er an die TU Darmstadt und das Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz. 2021 trat er seine eigene Walter Benjamin-Stelle an der TU Darmstadt an und verbrachte 2022 als Walter Benjamin-Stipendiat erneut acht Forschungsmonate am MIT. Seit 2023 ist er Gruppenleiter am Darmstädter Fachgebiet Nano- und Mikrofluidik, im Zukunftscluster ETOS des BMBF involviert und nunmehr als Athene Young Investigator ausgewählt.

„Das ist eine Anerkennung meiner Arbeit und Forschung“, freut er sich, „die auch externes Feedback für meine Ideen bedeutet.“ Die Auszeichnung, hofft der Vater dreier Kinder, verbessere seine Chancen auf eine Nachwuchsgruppe der DFG und einer Professur. „Ein Signal für mich, dass es sich lohnt, an der Universität und im akademischen Betrieb zu bleiben.“

Das Programm Athene Young Investigator

Das Programm Athene Young Investigator (AYI) der TU Darmstadt soll herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fünf Jahre lang auf ihrem Karriereweg unterstützen. Ziel ist es, die frühe wissenschaftliche Selbstständigkeit der Nachwuchsforschenden zu fördern und ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, sich durch die eigenverantwortliche Leitung einer Nachwuchsgruppe für die Berufbarkeit als Hochschullehrerin beziehungsweise Hochschullehrer zu qualifizieren. Die Nachwuchsgruppenleiterinnen und -leiter werden mit bestimmten professoralen Rechten und einem eigenen Budget ausgestattet.

Die TU Darmstadt hat 2024 weitere drei exzellente junge Forschende als Athene Young Investigators ausgezeichnet. In den kommenden Wochen werden wir die drei Forschenden im Webauftritt der TU Darmstadt vorstellen.