Liebe Leserinnen und Leser,

der fast unbegrenzte Zugriff auf elektronische Information über das Internet ist heute selbstverständlich. So zugänglich diese Information auch sein mag, erfordert der Zugriff immer noch eine bewusste Handlung. Heute finden wir jedoch Computer in vielen Geräten, ohne sie bewusst wahrzunehmen. Besonders spannend wird es, wenn sich diese unsichtbaren Computer miteinander vernetzen, um uns im täglichen Leben zu unterstützen. Die Kooperation und Interaktion von intelligenten Geräten und die Nutzung der in der Umgebung, dem Ambiente, verborgenen Intelligenz eröffnen ungeahnte Möglichkeiten. Erste Ansätze sieht man schon heute in isolierten Anwendungsgebieten – PKWs der Luxusklasse, umweltgerechte Gebäude, intelligente Wohnungen für Behinderte oder sensorgesteuerte Logistikprozesse. Um die Vision der Ambient Intelligence jedoch in allen Bereichen unseres täglichen Lebens – Beruf, Freizeit, Wohnen, Gesundheit, Mobilität – durchgängig umzusetzen, muss noch intensiv an einer Vielzahl von Themen geforscht werden. Deshalb ist Ambient Intelligence ein zentrales Thema im siebten Rahmenprogramm der Europäischen Union.

Das AmbientWeb ist unsere gemeinsame Vision der Ambient Intelligence an der TU Darmstadt. Das AmbientWeb ist ein Geflecht von intelligenten Objekten und Diensten, die uns umgeben und uns in unserem täglichen Leben unterstützen. Besonderen Wert legen wir auf die Durchgängigkeit der Dienste über Anwendungsbereiche und Orte hinweg. Das AmbientWeb muss außerdem zuverlässig, sicher, immer verfügbar und in seinem Verhalten voraussagbar sein. Um sich aber auf breiter Front durchzusetzen, muss Ambient Intelligence nicht nur technische, sondern auch wirtschaftliche, rechtliche und ethische Anforderungen erfüllen. In diesem Heft werden einige der relevanten Themen und die Forschung auf diesen Gebieten an der TUD skizziert.

In dem Beitrag „Ambient Intelligence – Forschung und Anwendung“ beschreiben Encarnação, Mühlhäuser und Wichert die Vision und einige Anwendungen. Für diese werden auch Überlegungen zu spezifischen Architekturen angestellt. Darauf aufbauend gehen in dem Beitrag „Architektur für Ambient Intelligence“ Buchmann, Mezini und Schürr auf die Integration von Domain- und Technologie- spezifischen Architekturen ein und beschreiben den notwendigen Rahmen, um heterogene, historisch gewachsene Insellösungen zu integrieren.

Ein wesentlicher Baustein in der Integration von heterogenen Systemen ist die Middleware, die notwendige Abstraktionen und standardisierte Schnittstellen bereitstellt. In dem Beitrag „Middleware für Ambient Intelligence“ gehen Buchmann, Mühlhäuser und Suri auf die Probleme der Middleware ein, insbesondere auf die Dienste, die die Middleware anbieten muss und auf die besonderen Probleme, die sich aus der extremen Heterogenität der Geräte und Plattformen in Bezug auf Speicherkapazität, Rechenleistung, Bandbreite und Stabilität in der Kommunikation und der verfügbaren Energieversorgung ergeben. Die Bedeutung der Sicherheit und die besonderen Probleme, die sich aus der Allgegenwärtigkeit unzähliger (Kleinst)rechner ergeben, werden in dem Beitrag von Eckert „Ambient Intelligence (AmI): Neue Herausforderungen für die IT-Sicherheit“ dargestellt.

Steinmetz, Gershman, Hollick, Johannsen und Klein widmen sich in ihrem Beitrag „Ubiquitär verfügbare Kommunikationsdienste“ den Netzarchitekturen mit Technologien zur Selbstorganisation (im weiteren Sinne) und der Fähigkeit der Umweltwahrnehmung. Ferner werden erweiterte Basistechnologien zur drahtlosen Kommunikation diskutiert. Van Laerhoven und Schiele gehen in ihrem Beitrag „Energieeffiziente Datenverarbeitung auf modularen Sensorknoten“ auf die Problematik der Datenübertragung bei Sensorknoten ein. Daraus resultiert die Notwendigkeit, Daten auf den Sensorknoten zu aggregieren und zu interpretieren.

Mit dem Beitrag von Bruder und Schiele verlassen wir die rein technisch geprägten Aspekte und widmen uns mehr den humanen Perspektiven. Im Beitrag „Intelligente Schnittstellen“ gehen die Autoren auf die Problematik der Mensch-Maschine-Interaktion ein, die viele unterschiedliche Interaktionsmodi und menschliche Fertigkeiten und Bedürfnisse berücksichtigen muss. Die wirtschaftlichen Aspekte werden im Beitrag von Buxmann, Pfohl und Rürup „AmbientWeb – eine ökonomische Perspektive“ beleuchtet. Diese reichen von der Betrachtung, wie Ambient Intelligence eine rasch alternde Gesellschaft unterstützen kann, über die Wirtschaftlichkeit von Ambient Intelligence in der Logistik bis zu den notwendigen Anreizsystemen, um Ambient Intelligence sowohl für Konsumenten als auch für Anbieter attraktiv zu machen. Den letzten Beitrag dieses Themenhefts verfassen ein Philosoph und ein Soziologe. Nordmann und Schmiede gehen in „Ethische und soziale Implikationen von Ambient Intelligence“ auf wesentliche Fragestellungen ein, die parallel zu den technischen erforscht und beantwortet werden müssen.

Eine interessante Lektüre mit vielen neuen Anregungen wünscht Ihnen

Prof. Alejandro Buchmann, Ph.D.

thema forschung 1/2007