KI-Roboter für alle
Telekinesis sichert Produktionsstandort Deutschland
18.09.2025 von Anja Störiko
Das TUDa-Start-up Telekinesis bringt Roboter mit Künstlicher Intelligenz (KI) in klein- und mittelständische Unternehmen. Die KI- Roboter lassen sich einfach für verschiedene Aufgaben in der Produktion einsetzen und ohne tiefere Kenntnisse bedienen. Derart automatisierte Arbeitsprozesse unterstützen bei Fachkräftemangel die effiziente Produktion.

„Wir bringen die Zukunft in die deutsche Industrie“, sagt und Berater des Jan Peters, Professor für Intelligente Autonome Systeme (IAS) an der TU Darmstadt. „Unsere Kunden haben alle das Problem, dass sie nicht genug Menschen für bestimmte Tätigkeiten finden“, ergänzt Gründer Suman Pal. Die Lösung sind Roboter, die sich einfach installieren und bedienen lassen und mit KI komplexe Prozesse vereinfachen. Start-ups Telekinesis
Menschliche Finesse umsetzen
Ein Pilotkunde des Darmstädter Gründerteams liefert ein aktuelles Beispiel: die Herstellung von Steuerungselementen für Weichen der Deutschen Bahn. Dazu müssen große Kabelbäume mit unzähligen Steckern genau in die richtigen Buchsen verdrahtet werden. „Das ist anspruchsvolle Fieselarbeit“, so Peters. Derzeit arbeiten bei Siemens und der Deutschen Bahn rund 100 Menschen jeden Tag daran, die unzähligen nadelfeinen Kontakte genau zuzuordnen. Diese Aufgabe ist mit herkömmlichen Robotern nicht zu automatisieren. Das ändert Telekinesis dank seiner Roboter mit „Hirn“: Sie können mit Hilfe von Kameras und KI-gesteuerter Software auch komplizierte und ungenaue Arbeitsschritte präzise und zuverlässig erledigen.
Telekinesis entstand im Dezember 2024 als Ausgründung aus der TUDa. Pal als Unternehmer und Peters als Technologe, der seit Jahren an künstlicher Intelligenz für Robotor forscht, bezeichnen selbst als „perfect match“. Suman Pal hatte Informatik in Indien studiert und anschließend einen Master mit Doppelabschluss in Advanced Robotics über mehrere EU-Länder hinweg abgeschlossen. 2019 kam er im Rahmen seiner Masterarbeit an den Lehrstuhl von Jan Peters und wollte im Anschluss promovieren und darauf basierend ein Start-up gründen. Doch Peters riet ihm, dann lieber gleich die Ausgründung zu starten, was andere Fähigkeiten als eine Promotion erfordere. Zudem war das Timing ideal. „Ein super Ratschlag“, wie Suman heute bestätigt. Mit Hilfe einer EU-Horizon-Förderung entwickelte er die KI-Roboter-Technologie an der TUDa. „In der Academia ist man technologisch der Industrie um Jahre voraus“, erklärt der 30jährige. Es sei Zeit, dieses Wissen zu kommerzialisieren. Denn der Markt in Deutschland für Roboter sei riesig.
Unterstützung durch HIGHEST
Schon früh kam ins Spiel: 2020 unterstützten sie die Idee mit einem Gründerstipendium. „Das Team hat als erste an unsere Idee geglaubt, sie haben das in Gang gebracht, uns vielfältig unterstützt – das war ganz entscheidend“, so Pal. Mit Peters und dem Computerspezialisten Arjun Vir Datta ebneten sie den Weg für einen „Transition Grant“ des European Innovation Council (EIC). Dieses Förderprogramm hilft, Technologien vom Labor in die Anwendung zu bringen. Ihr Antrag bekam die höchstmögliche Bewertung, berichtet Pal stolz. Sie hätten auch noch andere hochrangige Förderzusagen gehabt und daher die beste Option auswählen können. HIGHEST
Die Ausgründung von Telekinesis brachte zudem Investorenkapital in Höhe von mehreren Millionen Euro ein, vor allem von den ehemaligen Geschäftsführern der Roboterfirmen KUKA und Universal Robots. Heute besteht das Team aus klugen Köpfen aus den Bereichen KI, Robotik, Informatik und Business Development.
Hinter der Geschäftsidee steckt die mit künstlicher Intelligenz gekoppelte Software „Brainwave“: Sie dient als Gehirn (brain) für alle Roboter. Brainwave lässt sich in jede marktübliche Hardware integrieren und kann verschiedene Aufgaben lernen. Das Telekinesis-Team organisiert den passenden Roboter, installiert das System und lernt es an. Die weitere Bedienung und Optimierung schaffen die Kunden alleine. Die neue Generation an Robotern soll jedem zugänglich sein: „Wir demokratisieren die Roboter“, ist ein Motto von Telekinesis.
Mit Telekinesis werden Roboter schlau
„Unseren ersten Kunden haben wir über Google Maps gefunden“, schmunzelt Datta. Auf der Suche nach einem Anwender in der Metallindustrie in der Umgebung von Darmstadt stießen sie mit Hilfe des Routenplaners auf einen Zulieferer von Boeing. „Der wurde innerhalb einer Woche unser größter Fan“. Bisherigen Computern fehlt die intelligente Steuerung: „Ohne KI sind die einfach zu dumm“, bringt es der 27-Jährige auf den Punkt. „Roboter ersetzen jetzt langweilige Jobs, die keiner machen wollte – und die Firma hat deswegen keinen Mitarbeitenden gekündigt, sondern ihnen anspruchsvollere Aufgaben gegeben, die sie mehr schätzen“.
Als weitere Pilotkunden folgten Infineon und das Konsortium aus Bahn und Siemens. „Wir retten die Zukunft der deutschen Industrie“, ist Peters überzeugt. Künftig müssten dort einfach zu bedienende „schlaue“ Roboter die fehlenden Fachkräfte ersetzen. Nur so könne beispielsweise die deutsche Metallindustrie überleben, ohne ihr gesamtes Geschäft an China zu verlieren. Gerade die klein- und mittelständischen Unternehmen benötigten günstige, einfache, schnelle und flexible Roboter, die ihre Aufgaben dank KI an die Erfordernisse anpassen können. Sie sind mit Kameras und je nach Bedarf mit Armen, Förderbändern oder Greifeinrichtungen ausgestattet. Im hippen Workspace von Telekinesis – inmitten von Bankern und Finanzdienstleistern im Zentrum Frankfurts – sortiert ein Roboter kostbare Teile für Flugzeugbremsen. Eine Kamera studiert die Umgebung und ermöglicht daraufhin das präzise Zugreifen des Roboters. Das geht langsam, ist aber sicher und zuverlässig, und das Tag und Nacht. „Unseren Robotern muss man nicht mehr mühsam jeden Schritt einzeln beibringen“, so Datta. „Das fühlt sich so an, als könne man die Dinge vom Kopf steuern, ganz intuitiv“.
Dieses Jahr gingen sie als Sieger der „Deep Tech Momentum Top 100 Startup Pitches“ hervor. „Wir sind unglaublich stolz auf den ersten Platz unter den 100 besten Deep-Tech-Startups Europas – ein wichtiger Meilenstein auf unserem Weg, physische KI in die industrielle Welt zu bringen“, postete das Team im Juni.
Hoffnung für die Infrastruktur: schneller zu zuverlässigen Weichen
Im Laufe des Jahres will Telekinesis das Team von derzeit zehn auf etwa 30 Mitarbeitende erhöhen. Ziel ist es, sich vom deutschen Metall-, Auto- und Flugzeugbau auf den deutschsprachigen und dann europäischen Raum auszudehnen. „Nur mit intelligenter Automation können wir die hiesige Industrie retten“, ist Peters überzeugt. „Darauf beruht unsere Zukunft, unser Sozialstaat, unser Wohlstand“.
Der Robotik-Wissenschaftler lobt Suman Pal als „echten Unternehmer mit einzigartiger Energie und einer Vision“. So etwas finde man in Deutschland leider nur noch selten. „Wenn das alles klappt, dann macht Telekinesis den Unterschied, dann verändern sie unsere Welt.“ In jedem Wort ist zu spüren, wie die drei Robotik-Experten für ihr Projekt brennen. Sie übertreffen sich gegenseitig mit Superlativen, klingen dabei aber gleichzeitig überzeugt und überzeugend. Für ihre Vision haben sie ihr Privatleben hintenangestellt, sind täglich rund um die Uhr aktiv – einschließlich Wochenenden. Pal gibt zu bedenken, dass es auf ihrem Weg immer wieder Hindernisse und Hürden gab und gibt. Rückschläge und Fehler seien jedoch wichtig für den Lernprozess – um aus dem vielen Falschen das eine richtige zu identifizieren. „Von zehn Dingen gehen neun schief“, ergänzt Datta, „aber aus jedem Fehler lernt man“.
Ihre Tipps an Nachahmer? Nicht aufgeben. In schwierigen Situationen die eigene Zähigkeit kennenlernen. Extrem besessen sein. Fehler zulassen. Lieber schnell am Markt sein als zu lange zu perfektionieren. Ein Gründerteam sei so ähnlich wie eine Ehe, betonen Pal und Datta einstimmig: Man müsse sich aufeinander verlassen können. Ihr Schlusssatz klingt keineswegs abgehoben und übertrieben, sondern vor dem Hintergrund dessen, was sie geschaffen haben, durchaus überzeugend: „If you want to change the world, you have to dedicate“, wenn du die Welt verändern willst, muss du dich voll darauf einlassen.