Eine Stimme für die Frauen in Afghanistan

Umweltingenieurin Fatima Akbari ist zweite Hilde-Domin-Stipendiatin an der TU

10.02.2023 von

Mit Unterstützung des DAAD-Programms konnte Fatima Akbari in Darmstadt ihre Promotion beginnen. Das Dezernat Internationales der TU Darmstadt steht gefährdeten Akademikerinnen wie der jungen Afghanin zur Seite.

Fatima Akbari
Fatima Akbari

Die Eindrücke sind noch ganz frisch. Seit Oktober erst lebt Fatima Akbari in Darmstadt und forscht an der Technischen Universität. Alles ist neu: die Stadt, die Kultur, die Menschen, die Sprache. Doch ihren Platz an der TU hat die junge Afghanin schon gefunden. „Die Unterstützung der Universität ist sehr gut“, lobt sie. Ankerpunkt in den ersten Wochen war das Dezernat Internationales .

Mit der Zentralen Koordinierungsstelle für Flüchtlingsintegration (ZKF) und dem Welcome Centre stand Fatima Akbari schon in Kontakt, bevor sie nach Deutschland und Darmstadt kam. Hier half man nicht nur bei so wichtigen Vorrausetzungen wie der Aufnahme in das Hilde-Domin-Programm, der Aus- und Einreise sowie Unterkunft, sondern brachte die junge Frau in Darmstadt auch gleich mit anderen internationalen Studierenden und Promovierenden zusammen. „Das war sehr hilfreich“, betont die 34-Jährige. Bei „TUtor International“ oder „Big Sister“ traf sie unter anderem auf Frauen, die ähnliche Erfahrungen gemacht hatten, und die Tipps geben konnten für das Studium und Leben in einem noch fremden Land. „Das erleichtert den Start als Doktorandin“, sagt Fatima Akbari.

Das Hilde-Domin-Programm des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) will Akademikerinnen und Akademikern, die in ihren Heimatländern von Krieg oder Verfolgung bedroht sind, den Fortgang ihrer wissenschaftlichen Karriere ermöglichen. Die junge Ingenieurin Akbari kann nun in Darmstadt ihre Laufbahn bei TU-Professorin Susanne Lackner am Fachgebiet Wasser und Umweltbiotechnologie des IWAR-Instituts fortsetzen. Professorin Lackner hat während der Corona-Pandemie mit Forschungsarbeiten etwa zum Nachweis von Covid-19-Viren im Abwasser von sich reden gemacht. Als Doktormutter betreut sie jetzt Fatima Akbaris Promotionsthema zur Modellierung von Abwasserprozessen.

„Das Thema begeistert mich“

In einem Team mit elf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern analysiert und erforscht die Hilde-Domin-Stipendiatin Wirkung und Regulierung von Distickstoffmonoxid (N₂O), das auch als Lachgas bekannt ist, im Abwasser. N₂O ist Bestandteil des globalen Stickstoffkreislaufs und gilt – wenn es in die Atmosphäre freigesetzt wird – als Mitverursacher des Klimawandels. „Das Thema begeistert mich“, erzählt die 34-Jährige.

Das akademische Umfeld ist Fatima Akbari vertraut, der Unterschied zu ihrer früheren Alma Matar nicht allzu groß. Die junge Afghanin aus Kabul hat ihren Bachelor in angewandter Chemie und den Masterabschluss in Umweltingenieurwesen an der angesehenen Universität Teheran im Iran gemacht. Nach dem Studium ging die frischgebackene Ingenieurin 2014 zurück in ihre Heimat, weil sie Berufserfahrung sammeln wollte. Acht Jahre lang arbeitete sie als Teamleiterin für das Umweltprogramm der Vereinten Nationen und als Beraterin für die Schweizer Non-Profit-Organisation Zoï Environment Network. Mit der Wissenschaft und dem Privatsektor arbeitete Akbari in einer Reihe von international finanzierten Projekten, bei denen sie häufig die Stimme afghanischer Frauen gegenüber der internationalen Gemeinschaft vertrat.

Engagement für Menschenrechte

Fatima Akbari reiste nach Afrika, Europa und Asien und traf auch innerhalb ihres Heimatlandes mit offiziellen Institutionen, der örtlichen Bevölkerung und vor allem mit Mädchen und Frauen zusammen, denen sie unkompliziert und auf Augenhöhe Themen wie Umweltschutz und Umweltbewusstsein näherbringen wollte. „Ich möchte Menschen inspirieren. Ich möchte mir ihre Probleme und Ideen anhören und insbesondere Mädchen und Frauen dabei unterstützen, ihre Kompetenzen auszubauen, um ihnen das Leben zu erleichtern“, erzählt die Afghanin, die sich für die Menschenrechte engagiert.

Unterschiedliche Blickwinkel kennenzulernen, internationale und auch praktische Erfahrungen zu sammeln, das bestimmte ihren beruflichen Alltag. Doch der Wunsch, künftig auch Führungspositionen zu übernehmen und Entscheidungen mitbestimmen zu können, ließ den Gedanken an eine Promotion reifen. Eine Zukunftsvision, der die radikalislamischen Taliban mit ihrer erneuten Machtübernahme 2021 jäh ein Ende setzten. Fatima Akbari floh außer Landes nach Pakistan.

Traum vom Doktortitel

Ihren Traum von einem Doktortitel wollte sie jedoch nicht aufgeben und suchte im Exil nach neuen Möglichkeiten. Vom Hilde-Domin-Stipendium erfuhr sie im Internet, nahm Kontakt zum DAAD und dann zu Universitäten und Hochschulen auf. Die FH Bielefeld und die TU Darmstadt arbeiteten eng zusammen, um die junge Afghanin nach Deutschland holen zu können. Auch ihr früherer Arbeitgeber Zoï unterstützte sie auf ihrem Weg. In Bielefeld verbrachte Akbari ein halbes Jahr, bis sie als Stipendiatin in das Hilde-Domin-Programm an der TU aufgenommen wurde.

Darmstadt wählte sie, weil sie an einer renommierten Universität forschen wollte. Dass sich eine professionelle junge Akademikerin als Doktorandin um ein Stipendium bewarb, war auch TU-Mitarbeiter Aaron Szczerba sofort klar. Er leitete die Anfrage über das Dezernat Internationales an den Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwesen weiter, woraufhin sehr schnell gleich von mehreren Seiten eindeutige Rückmeldungen kamen, dass man Fatima Akbari als Promovendin annehmen wolle. In ihrem neuen Forschungsteam bei Professorin Lackner fühlt sich die 34-Jährige sehr gut aufgehoben. Drei Jahre hat sie als Stipendiatin nun Zeit, in Ruhe ihre akademische Karriere voranzutreiben.

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