Digitales Energiemanagement spart Geld und CO2
Intelligentes Energiesparen mit der Softwarelösung des Start-ups I3DEnergy
14.12.2023 von Anja Störiko
Energiesparen wird für Betriebe und Kommunen immer wichtiger. Digitale Zähler und deren Vernetzung erleichtern die Übersicht und ermöglichen ein optimales Energiemanagement, das Schwachstellen aufdeckt und Einsparpotenziale aufzeigt. Eine passende Software dafür entwickelte das Start-up I3DEnergy: „intuitiv, interaktiv, innovativ und digital“.
Am Anfang stand eine Schnapsidee, so Geschäftsführer Christopher Ripp. Doch daraus erwuchs ein visionäres Start-up, das schon einige Preise und Projektfördermittel gewonnen hat. Die Wurzeln liegen im TUDa-Campus Lichtwiese, für den das ein Computermodell aller dortigen Energieversorger und -verbraucher entwickeln sollte. Für diesen „digitalen Zwilling“ des Energiesystems hatte ein interdisziplinäres Forschungsprojekt 1,4 Millionen Euro aus Bundesforschungsmitteln erhalten. Mehr als zweihundert digitale Strom- und Wärmemessgeräte mussten dafür am Fachgebiet für Energieinformationsnetze und -systeme installiert werden. Doch eine geeignete Energiemanagement-Software, um die Daten zu speichern und abzubilden, fand sich nicht. „Dann entwickeln wir das halt selbst“, beschloss Ripp. Doch wie unfassbar viel Arbeit hinter dieser „Schnapsidee“ steckt, habe er völlig unterschätzt. Campus Lichtwiese
Zum Glück unterstützten das Forschungsteam und einige Studierende den Physiker. Zumal es auch ganz praktische Probleme zu lösen galt, etwa die vergebliche Suche nach Handwerkern zur Installation der Wärme- und Kältezähler – eine Aufgabe, die schließlich einige Studierende übernahmen.
Zwei Studenten aus dem Forschungsprojekt wurden im Juni dieses Jahres Mitgründer der : Imed Tayeche ist Webentwickler und Datenanalytiker, Richard Säuberlich zuständig für IT-Infrastruktur und Sicherheit. Das Team komplettiert Rachel Maier, die sich um die Optimierung der Energiesysteme kümmert. I3DEnergy GmbH
Energie, CO2 und Aufwand deutlich reduziert
Gemeinsam programmierten sie die gesamte Kommunikation aller Messpunkte. Eine komplett neue Software entstand. Sie verarbeitet bis zu 380 Millionen Datenpunkte am Tag, die aus den installierten Zählern stammen. Bis dahin wurden die Verbräuche überwiegend von Hand abgelesen und mit Excel aufwendig analysiert und entsprechend auch nur oberflächlich ausgewertet. „Anfangs mussten wir uns das Vertrauen der TUDa-Verwaltung erstmal erkämpfen, aber die Skepsis wich schnell“, berichtet Ripp. Schon bald kam ein zufriedenes Feedback von allen Beteiligten, und die Zusammenarbeit wurde eng und vertrauensvoll.
Die Daten, die bislang mühsam in zwei Tagen zusammengetragen werden mussten, liefert das System nun in wenigen Minuten. Der Zugriff ist einfach und anschaulich: Eine Landkarte zeigt alle Gebäude und Bereiche. Ein simples Ampel-System signalisiert, ob alles optimal läuft (grün) oder ungewöhnliche Energieverbräuche (rot) vorkommen. „Das System ist einfach und intuitiv“, so Ripp. Die Überwachungsbereiche lassen sich einzeln anklicken und liefern klare Daten, die auf einen Blick beispielsweise unterschiedliche Verbräuche nachts oder an Wochenenden wiedergeben – und eben auch Abweichungen.
Zudem berechnet das System mittels der gesammelten Verbrauchsdaten und einem KI-Modell den Energiebedarf für die nächsten Tage. Dabei berücksichtigt die Software, wann Strom günstig zu kaufen ist und wann dieser besonders CO2-arm ist, weil er aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Für den Stromeinkauf ermittelt sie den optimalen Einsatz der Eigenerzeugung und vorhandener Energiespeicher, um die gesamte Energieversorgung Kosten- und CO2-günstig zu optimieren.
Die CO2-Emissionen am Campus Lichtwiese sanken mit Hilfe der im Forschungsprojekt entwickelten Energiemanagement-Plattform um zwölf Prozent – allein durch die Anpassung der Energieversorgung (bei gleichbleibendem Energieverbrauch). Die einfach verfügbare Datenaufbereitung und -visualisierung auf einer Landkarte sparte „ganz nebenbei“ mehrere zehntausend Euro Energiekosten: Sie identifizierte ineffizienten Energieverbrauch durch falsch eingestellte Maschinen nach einer Wartung, aber auch Abrechnungsfehler. Zudem sank der Verwaltungsaufwand für das Energiemanagement um 90 Prozent. Ripp findet: „Besonders beeindruckend ist die Möglichkeit, auf Knopfdruck die durch den Energieverbrauch verursachten CO2-Emissionen für jeden beliebigen Zeitraum und jedes Gebäude abrufen zu können“.
Energie-Ampel: Einfach und wirkungsvoll
Laut einer aktuellen Markstudie des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) haben 69 Prozent aller Firmen und 80 Prozent aller Kommunen in Deutschland noch kein spezielles Energiemanagement-System. „Das läuft mit Zettel, Stift und Excel“, amüsiert sich Ripp. „Energie war in Deutschland lange Zeit so günstig, dass Investitionen sich nicht lohnten – das ist erst in den letzten Jahren in den Fokus gerückt“. Doch nun steige das Interesse, zumal vorzeigbare Daten zu Nachhaltigkeit und CO2-Emissionen immer wichtiger und beispielsweise im Zuge des EU-Green-Deal vermehrt eingefordert werden.
Eine „intuitiv-interaktiv-innovative und digitale“ Software – das versteckt sich hinter dem Kürzel I3DEnergy – treffe daher heute auf einen Markt: Ihr Datenmanagement verknüpft Erfassung und Analyse, bindet alle Arten von Messgeräten ein, bereitet die Daten auf und visualisiert diese, optimiert zwischen Energiekauf und Eigenerzeugung und liefert eine CO2-Bilanz für Nachhaltigkeitsberichte. „Wir sind Fachleute und leidenschaftliche Befürworter der Energiewende, die an die Kraft der Digitalisierung und Technologie glauben“, schreibt das Start-up auf seiner Website.
Fördermittel – nicht immer passend
Mit der Entwicklung der eigenen Software für ihr Start-up begann das Team Ende 2021 in der Freizeit, einschließlich vieler Wochenenden und Nächte, erzählt der 38-Jährige. Parallel dazu bewarb sich das Team für Förderprogramme. So erhielten sie im ersten Halbjahr 2023 das Hessen Ideen-Stipendium, das sie allerdings aus verschiedenen Gründen nicht ausschöpfen konnten: Staatsbürgerschaft, Studium und andere Zuschüsse standen den Regularien entgegen.
Das an der TU Darmstadt war und ist für Förderprogramme und Kontakte ein wichtiger Ideengeber, betont Ripp: „Es gibt so viele Möglichkeiten für Start-ups, da hilft ein Netzwerk mit Überblick sehr“. So erhielten sie kürzlich ein hessisches push!-Stipendium zur Weiterentwicklung des Geschäftsmodells, wurden Mitglied des Green Transformation Incubators des TechQuartiers in Frankfurt, des Digital Transformators Hessen, des HUB31 in Darmstadt und gewannen die Start-up-Academy der Beratungsfirma EY. Auch bei Messen ist das Team aktiv, zuletzt auf dem Innovations- und Gründungszentrum HIGHEST der TU Darmstadt und demnächst mit einem Bafa-geförderten Stand auf der E-World 2024 in Essen. Den fertigen Antrag für das Bundesprogramm EXIST hat das Team dann doch nicht eingereicht – „da man vor EXIST nicht gegründet haben darf, aber unser erster Kunde unbedingt loslegen wollte“, so Ripp. Start-up Innovation Day
Anfang September, gut zwei Monate nach der Gründung, unterschrieb I3DEnergy den ersten Kundenvertrag mit dem Bad Vilbeler Arzneimittelhersteller Stada. „Bis jetzt läuft das sehr gut, beide Seiten sind happy“, freut sich Ripp. „Wir sammeln vollautomatisiert hochaufgelöste Energiedaten, Stift, Zettel und Papier gehören der Vergangenheit an“. Der Kunde erhalte auf Knopfdruck die räumlich und zeitlich aufgelösten CO2-Emissionen seines Stromverbrauchs.
Im neuen Jahr startet I3DEnergy sein Neukundenprogramm: Etwa fünf Neukunden sind das Ziel, Firmen mit Energiegesamtkosten von mindestens 250.000 Euro im Jahr, mehreren Gebäuden oder auch Standorten. „Gerne würden wir uns bald selbst finanzieren“, so Ripp. Aktuell leben die vier Gründer:innen von Teilstellen, Eigenkapital und kleinen Jobs – „und über sparsames Studentenleben, das ist ja auch nachhaltig“, schmunzelt Ripp. Er selbst finanziert sich als selbständiger Berater im Bereich Digitalisierung Energiemanagement und gibt zudem Kurse zu KI und ChatGPT für Unternehmen.
Ein Netzwerk nimmt die Sorgen
„Ich würde alles nochmal so machen“, sprudelt es aus Ripp ohne Zögern heraus. Aber natürlich gebe es Hochs und Tiefs, und es gehöre auch Glück dazu. Den Vertragsabschluss habe das Team kräftig gefeiert, strahlt er noch zwei Monate nach diesem wichtigen Tag. Wichtig sei die gute Kommunikation untereinander und nach außen. „Einer muss den Hut aufhaben und dafür auch den Kopf hinhalten“, ist sich Ripp seiner Rolle bewusst, auch wenn intern die Verantwortung klar verteilt sei. „Ich glaube an unsere Idee!“ Und er habe die Angst verloren, sei entspannter als anfangs, als er sich jede Niederlage zu Herzen genommen habe. „Wir haben jetzt ein großes Netzwerk, das uns auffängt – das entspannt“. Nachahmer:innen empfiehlt er „keep it simple“: Details wie etwa physikalisch-technisches Fachwissen müsse man in einem Pitch nicht ausbreiten. Andererseits zögere er selbst nicht, vermeintlich „dumme Fragen“ zu stellen und Leute zu löchern.
Während unseres Gesprächs wirkt der Gründer des Start-ups entspannt und mit sich im Reinen. Aber er berichtet auch von Phasen, in denen das anders aussah, zumal zeitweise zwei Fuß-Brüche hintereinander seinen Einsatz bremsten. Doch jetzt schauen Ripp und sein Team von gespannt und zuversichtlich in die Zukunft: „In ein paar Jahren ein Millionen-Umsatz und 30 bis 40 Kunden: das wäre ein Riesenerfolg!“. I3DEnergy