„Ich habe früh gelernt, hart zu arbeiten“
Maschinenbau-Alumnus Markus Schäfer ist heute Chief Technology Officer im Vorstand der Mercedes-Benz-Group
07.01.2025 von Astrid Ludwig
Vor über 30 Jahren hat Markus Schäfer am Fachbereich Maschinenbau der TU Darmstadt sein Diplom gemacht. Seine erste Stelle nach der Uni führte ihn zu Mercedes-Benz, wo der Alumnus seither eine steile Karriere gemacht hat. Heute ist er der Technikvorstand des Automobilkonzerns, verantwortlich für das Ressort Entwicklung und Einkauf. Dazu zählt auch die Transformation zur Elektromobilität. Das an der TU vermittelte Grundlagenwissen und der Praxisbezug „waren für mein späteres Berufsleben extrem relevant“, sagt der 59jährige Chefentwickler.
Noch heute fährt Markus Schäfer manchmal an seiner alten Studentenbude in Weiterstadt vorbei. Meist kommt er aus Stuttgart und immer ist er in Eile. Doch für einen kurzen Abstecher von der Autobahn in die Nachbarstadt Darmstadts reicht manchmal die Zeit – vor allem, wenn der Spargel reift. „Genau vor dem Fenster meines Studentenzimmers lag ein großes Spargelfeld.“ Dort kauft der TU-Alumnus drei Jahrzehnte später das köstliche Gemüse ein, bevor er weiterfährt. Als Student hatte er dafür weder Sinn noch Geld. „Meist habe ich Fertiggerichte oder Spaghetti gegessen“, schmunzelt er. Seine Alma Mater ist jedoch oft auch bei der täglichen Arbeit präsent. Wie die Zufälle im Leben so spielen, ist der Sohn seines ehemaligen Professors für Fahrzeugtechnik heute einer der Direktoren in seinem Management-Team. „Immer wenn ich ihn sehe, denke ich an Darmstadt“, sagt Markus Schäfer. Der Vater, Professor Bert Breuer, war in seinem Fachgebiet eine Koryphäe, der er viel zu verdanken habe. Fahrzeugtechnik war schon damals Schäfers Interessenschwerpunkt.
„Schon früh hatte ich den Drang, meinen Radius zu erweitern“
Der Mann, der seit 2019 als Technikvorstand die Entwicklung und den Einkauf bei Mercedes verantwortet, stammt aus einem kleinen Ort im strukturschwachen Sauerland. Als Schüler reiste er bei einem Austauschprogramm erstmals ins Ausland und nach England, lernte eine andere Kultur kennen. Zudem trainierte er Leichtathletik auf Wettkampf-Niveau. „Schon früh hatte ich den Drang, meinen Radius zu erweitern“, sagt Markus Schäfer. Das ging in Teenagertagen am besten mit dem Moped. Der Vater des besten Freundes besaß eine Autowerkstatt. Dort verbrachten sie viele Stunden damit, die Mofas zu „optimieren“. Unabhängigkeit durch Technik, doch das kostete Geld. Schäfers Eltern arbeiteten bei der Post. Sie unterstützten ihn, aber seine Zweirad-Leidenschaft musste er sich selbst finanzieren. „Ich habe in den Ferien durchgearbeitet. Das hat mich geprägt. Ich habe früh gelernt, hart zu arbeiten, um mir etwas leisten zu können.“
Der Vater des Freundes lieh ihm anspruchsvolle Bücher über Fahrzeugtechnik, die Markus Schäfer verschlang. „Ich war in der Schule gut in Mathe, Chemie und Physik. Diese Verbindung aus Wissenschaft und Praxis hat mich begeistert.“ Mit 16 stand sein Berufswunsch fest: „Ich wollte Testfahrer bei Porsche werden und Fahrzeugtechnik studieren“. Gemeinsam gingen die Motorrad-Freunde nach dem Abitur auf einen Uni-Road- Trip durch Deutschland. Markus Schäfer nennt das seine „ABCD-Auswahl“. Die Freunde klapperten die Universitätsstädte ab, wo man Maschinenbau mit Schwerpunkt Kraftfahrzeugtechnik studieren konnte. Nach Aachen, Braunschweig, Clausthal-Zellerfeld landeten sie „an einem sonnigen Tag in Darmstadt. Die Uni lag mitten in der Stadt, zwei Gärten gleich daneben und die Fußgängerzone war nicht weit.“ Die Entscheidung war gefallen.
Erinnerungen an ein hartes Grundstudium
„Das Grundstudium“, erinnert sich der Alumnus, „war extrem hart.“ Sein Einser-Abitur in technischen Fächern hatte er mit wenig Aufwand bestanden, doch hier musste er plötzlich Nächte durchpauken und manche Klausur ging auch daneben. „Das war eine ganz neue Erfahrung für mich“, erzählt er und erinnert sich, wie er mit bangem Blick vor den Notenaushängen stand. In den 1980er Jahren war die Auswahl streng, über die Hälfte der Studierenden kam nicht durchs Grundstudium. Auch der Freund wechselte an die FH Darmstadt, weil ihm Praxis und Anwendung mehr lagen. Markus Schäfer blieb: „Es war eine der bisher größten Anstrengungen für mich.“
Im Hauptstudium fiel dann vieles leichter. „Da folgte die Mischung aus Theorie und Praxis, die mir viel Spaß gemacht hat.“ Am Institut für Kraftfahrzeugtechnik arbeitete er als wissenschaftliche Hilfskraft in der Werkstatt. „Es war hochspannend und ich verdiente nebenher Geld.“ Er erinnert sich an den Campus Lichtwiese in den späten 1980ern. „Eine tolle Umgebung mit neuen Laboren und Werkstätten. Gute Erinnerungen verbindet er mit Professoren wie dem unterdessen verstorbenen Bert Breuer oder Professor Günter Hohenberg, der zu Verbrennungsmotoren und Fahrzeugantrieb lehrte. Kritische Dozenten, die viel forderten und bei denen er viel lernte. „Darmstadt stach heraus beim Grundlagenwissen und Praxisbezug. Das war extrem relevant für mein späteres Berufsleben“, betont der TU-Alumnus.
Gute Arbeit, sagt er, werde bei Mercedes gesehen und belohnt. Zurück in Stuttgart wurde der TU-Alumnus 2014 Bereichsvorstand für Produktion und Einkauf. Seit 2019 ist er Vorstandsmitglied der Mercedes-Benz AG und leitet den Bereich Konzernforschung und Mercedes-Benz Cars Entwicklung. Seit Sommer 2019 ist er dort auch für den weltweiten Einkauf verantwortlich und folgte zudem Niki Lauda in die Position des Aufsichtsratsvorsitzenden der Mercedes-Benz-Grand Prix Ltd, die das Formel 1 Team steuert.
Seit über 30 Jahren bei Mercedes-Benz
Bei seiner ersten Studienarbeit kam Markus Schäfer in Kontakt mit seiner künftigen Arbeitgeberin, der damaligen Daimler-Benz AG. „Ich arbeitete in der Entwicklung, deren Chef ich heute bin“, lacht er. Externe Praktika waren für ihn eine große Motivation und „gute Brücke ins Berufsleben“. Seine Diplomarbeit schrieb er 1990 bei Porsche, bewarb sich für ein Trainee-Programm aber bei Mercedes. Seit über 30 Jahren arbeitet Schäfer jetzt im selben Unternehmen. „Ich war immer aktiv, habe immer etwas Neues kennengelernt.“ Mercedes war weltweit vertreten – mit PKW, Lastwagen, Vans, Luxuslimousinen oder teilweise damals auch in der Luftfahrtindustrie. „Die Vielfalt war groß und ich habe alles erkundet.“ Mit Ende 20 wurde er Projektleiter in Ägypten. In der Wüste unweit von Kairo baute er ein PKW-Montagewerk auf. „Erst sollte ich es nur bauen, doch dann habe ich es fünf Jahre lang auch geleitet.“ Beruflich und kulturell eine prägende Zeit. „Je länger ich dort war, umso begeisterter war ich.“ Die Neugierde für eine andere Kultur habe ihn beflügelt.
Das sah man in der Zentrale in Stuttgart wohl auch so, weshalb man ihn anschließend fünf Jahre in die USA schickte, wo Markus Schäfer als CEO für den Ausbau des Produktionswerks von Mercedes-Benz US International in Tuscaloosa in Alabama verantwortlich war. Ein absolutes Kontrastprogramm: „Von der 20 Millionen Metropole Kairo in die damals noch sehr ländlichen amerikanischen Südstaaten“. Doch auch Alabama sei für ihn im Lauf der Zeit zweite Heimat geworden. „Wir haben das Werk und die vorwiegend ländliche Region industriell weiterentwickelt.“
Aktuelle Herausforderungen
Hierarchie und Aufstieg, betont der 59-Jährige, habe sein Denken nicht geleitet. „Ich war immer an der Aufgabe interessiert und daran, sie maximal gut zu erledigen.“ Herausforderung sei für ihn „zu zeigen, dass man über Grenzen hinausgehen kann“. Die aktuelle Transformation vom Verbrenner- zum Elektroantrieb, von der analogen zur digitalen Ausstattung, bezeichnet der TU-Alumnus als „die derzeit spannendste Zeit überhaupt“. Seine Erfahrung in Ägypten, den USA und auch in China seien unentbehrlich für die heutigen Managementaufgaben und Herausforderungen. Im internationalen Wettbewerb mit Herstellern von Elektroautos sieht Schäfer sich und den Konzern gut vorbereitet. „Das umfassendste Entwicklungsteam von Mercedes-Benz außerhalb Deutschlands arbeitet in China. Dort, aber auch in den USA und Indien sind wir massiv aufgestellt.“ Europa liege inmitten dieses Spannungsfeldes. „Europa muss die richtigen Randbedingungen schaffen. Wir müssen mit der Politik im ständigen Dialog bleiben.“ Auch darin sieht Markus Schäfer seine Aufgabe.
TU-Alumni in der Leitung von DAX-Konzernen
Markus Schäfer ist einer von neun Absolventen der TU Darmstadt, die derzeit im Vorstand eines DAX-Unternehmens sind. Wir freuen uns, einige dieser TU-Alumni und ihren Werdegang, der an der TU Darmstadt begann, vorzustellen:
Frank Weber, Maschinenbau-Alumnus der TU, entwickelt als Vorstandsmitglied bei BMW eine neue Generation Elektroautos
TU-Alumnus Nikolai Setzer ist seit 15 Jahren in der Leitung des DAX-Konzerns Continental
TU-Alumnus Dr. Tobias Meyer ist Vorstandsvorsitzender der DHL Group und Chef von weltweit fast 600.000 Beschäftigten