Wellen für besseren Durchblick
Terahertz-Strahlung ermöglicht unschädliche Einblicke
22.05.2025 von Anja Störiko
Unbedenkliche Untersuchungen von Gewebe und Materialien: diese Lücke könnten Terahertzwellen schließen. THzNanoVision nutzt neuartige Quellen zur Erzeugung und Nutzung dieser Strahlung zwischen Mikrowellen und Infrarot. Sie ermöglicht störungsfreie Materialprüfungen, Qualitätsuntersuchungen von Medikamenten und Lebensmitteln oder Sicherheitskontrollen von Personen – und langfristig den Einsatz in der Telekommunikation.

„Ein Körperscanner am Frankfurter Flughafen arbeitet bei etwa 70 Gigahertz“, erklärt , „während Terahertz-Wellen ab 100 Gigahertz beginnen“. Diese höhere Frequenz erlaubt eine bessere Auflösung: „Damit sieht man alles und kann schneller – einfach im Vorbeigehen – scannen“. Und das völlig unschädlich. Ahid Hajo
Elektromagnetische Wellen haben bereits unsere Welt verändert: im Megahertz-Bereich das Radio, im Gigahertz-Bereich das Handy. Doch die noch enger getakteten Terahertz(THz)-Wellen waren bisher schwer zu erzeugen und zu empfangen. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass Wasser die Terrahertz-Strahlung fast vollständig absorbiert. Die Sender benötigten also eine hohe und damit teure Ausgangsleistung.
Diese Lücke schließt das Team um Hajo am der TU Darmstadt. Mit Hilfe von Halbleitermaterialien aus Galliumnitrid (eine Gallium-Stickstoff-Verbindung) entwickelten sie biokompatible, preiswerte, leistungsstarke und einfach installierbare THz-Quellen. Fachbereich Elektro- und Informationstechnik
Forschungstraum von Terahertzwellen wird Realität
Mit diesen im Rahmen seiner Doktorarbeit entwickelten Strahlungsquellen will Hajo auf den Markt gehen und möglichst noch dieses Jahr ausgründen. „Geschäftsführer wollte ich immer schon werden“, lächelt er. Sein Vater und sein Onkel hatten ein Investment-Unternehmen im Irak, das nach ihm „Al-Ahid“ benannt war, allerdings mussten sie es in den Neunzigerjahren aufgeben.
Nach seinem Bachelor in Physik kam er als Iraker mit kurdisch-türkischen Wurzeln vor 14 Jahren zum Masterstudium nach Marburg – nach fleißigem Deutschlernen vorab. „Das Studium war so theoretisch wie im Irak“, stellte er fest. Da er sich schon damals für Terahertz- und Nanotechnologien interessierte – „ich wollte die selbst herstellen“ – suchte er nach einer passenden Universität und fand sie nach einem persönlichen Gespräch mit Hartmut Roskos in der Terahertzphysik der Goethe-Universität Frankfurt: „Ein toller und motivierender Mentor“. Er schrieb seine Masterarbeit über „Terahertz-Detektoren auf Basis von Galliumnitrid“.
Für die Promotion wechselte er an den Fachbereich Elektro- und Informationstechnik der TU Darmstadt unter Leitung von Franko Küppers und Sascha Preu. „Das waren anfangs harte Zeiten, aber ich wollte keinen enttäuschen“, berichtet Hajo von schlaflosen Nächten. Aber Preu und der Mitarbeiter Oktay Yilmazoglu unterstützten ihn und ließen gleichzeitig Freiraum für Ideen, stellten Infrastruktur und Team.
Start-up „THzNanoVision“
Die ersten Hürden ließen sich überwinden, die Promotion war erfolgreich, er blieb als Postdoc – und ist nun mit auf dem Weg, ein Start-up auf Basis seiner Forschung zu gründen. Grundlage sind die von ihm optimierten Gunn-Dioden für Terahertzwellen. Er zeigt ein Zigarettenpäckchen-kleines Kästchen, das mit einer Batterie die vorher aufwendigen Apparaturen ersetzen kann. Die Herstellung koste nur noch 200-300 Euro, anstelle der bislang nötigen mehreren tausend Euro teuren THz-Geräte. „Hardware, Software, Gehäuse – alles in einem Stück“, betont Hajo stolz. „THzNanoVision“
Die 5-20 Mikrometer kleinen Dioden sind nur noch im Mikroskop darstellbar, haben aber eine sehr hohe Leistung. Man könne damit einen Kinofilm in Millisekunden herunterladen, zieht Hajo einen Vergleich. Dabei sind diese Bauelemente im Mikro-Nanobereich intuitiv nutzbar, ohne aufwändige Schulungen, Sicherheitsvorkehrungen und kostenintensive Infrastrukturen wie bisher bei den Laser- und Kryotatsystemen üblich. Die Batterie-Spannung reicht, um die Dioden im Terahertz-Bereich oszillieren zu lassen. Diese Strahlung wird von kleinen Antennen abgestrahlt. Ein Detektor, den Hajo ebenfalls im Rahmen seiner Doktorarbeit entwickelte und bei THzNanoVision anbieten wird, empfängt das THz-Signal.
So entsteht ein kostengünstiges THz-System, mit dem sich die Eigenschaften beispielsweise von Geweben und verschiedenen Materialien hochpräzise erfassen lassen, ähnlich wie mit Röntgenstrahlen, aber ohne Schäden zu hinterlassen – ideal für Untersuchungen etwa von Haut, Zähnen oder Krebsarten. Das erste Ziel seien aber kontaktlose Materialprüfungen in modernen Industrieanlagen, die derzeit mit mit gefährlichen UV- und Laserstrahlen oder mit Ultraschall vorgenommen werden – und dafür Kontaktgel benötigen. In diesem Bereich gibt es bereits mehrere Absichtserklärungen von Industriepartnern, etwa zur Überprüfung von Komposit-Materialien oder in der Qualitätskontrolle von Lackschichten.
Unterstützung durch das Land Hessen und HIGHEST
Das Land Hessen unterstützte im Rahmen seiner Digitalisierungsförderung Distr@l für zwei Jahre mit 700.000 Euro. Drei internationale Patente sind angemeldet, und den Markennamen hat sich das Team schützen lassen. Dabei war das Innovations- und Gründungszentrum THzNanoVision eine große Hilfe: „Ein tolles Team“, schwärmt Hajo, und lobt die Unterstützung der TU Darmstadt. HIGHEST
Ziel ist es nun, im Laufe dieses Jahres Investoren zu finden und das Start-up auszugründen. Mit der zögerlichen und wenig risikobereiten deutschen Mentalität hadert der Physiker und Elektrotechniker etwas: „Investoren und Unternehmen reden mehr über Innovation und Digitalisierung als zu handeln“. Dabei sei ein Umdenken nötig, um im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu bleiben. Das Bewusstsein in den Ministerien und vor allem an der TU Darmstadt sei in den letzten Jahren hingegen gestiegen.
Für die Marktreife muss nun die Diode weiter optimiert werden – „noch stolpert das Herz ein wenig“, formuliert es Hajo symbolisch. Und leider müsse er im Moment mit seinem kleinen Team noch fast alles alleine machen, von der Forschung über die Finanzierung bis hin zur Gestaltung der Website. Daher suche er nun Unterstützung mit wirtschaftlichem Knowhow, um einen tragfähigen Business-Plan zu entwerfen. Erste Mitstreiter für die Ausgründung, Deniz Cicek und Philipp Güth, hat er schon gewonnen. Erfolgreich und ausbaubar ist die Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut IISB in Erlangen, das im Auftrag die Dioden im Reinraum herstellt. Eine weitere Möglichkeit, um die Ausgründung zu realisieren, ist das EXIST-Programm des BMWK.
Biokompatible, günstige und leistungsstarke THz-Quellen
Den Markt für schätzt Hajo anhand verschiedener Marktanalysen auf eine Milliarde Euro und erwartet eine Verdopplung in den nächsten drei Jahren. „Die Hälfte davon streben wir an“, sagt er selbstbewusst. Seine Argumente sind schlagkräftig: Galliumnitrid benötige keine Vervielfachung des Signals mehr, es sei problemlos käuflich und vor allem im Gegensatz zu den bisher eingesetzten Halbleitern umweltfreundlich und ungiftig, die verwendeten Materialien generell besser, die Leistung und Frequenz höher. Anfangs will THzNanoVision nur die Dioden verkaufen, etwa an Hersteller von Sensorik. Nächstes Ziel ist der Verkauf der verpackten Hard- und Software, die viel kompakter und einfacher handhabbar ist als bisherige Messgeräte. THz-Technologie
Einen attraktiven Ruf an eine Universität in Dubai lehnte Hajo kürzlich ab; er will erstmal hier THzNanoVision auf den Markt bringen. „Ich habe Hummeln in Hintern“, beschreibt er sich selbst. Neben seiner unternehmerischen Ambitionen ist er sozial engagiert: Mit einer kleinen Bildungsinitiative unterstützt er Kinder in seiner Heimatstadt Mossul und künftig in Kurdistan. Gut vorstellen könne er sich auch, nach Kurdistan zurückzukehren und dort etwas aufzubauen, etwa an der Universität Kurdistan in Erbil oder der Universität Duhok. Das autonome Gebiet entwickle sich derzeit gut und stimme ihn optimistisch.
Dabei sei er ja mittlerweile echter Hesse, habe in Limburg, Gießen, Marburg, Frankfurt und Darmstadt gelebt, studiert und gearbeitet. Auf die Arbeit und Entwicklungen vor allem der letzten zwei Jahre sei er stolz. „Jetzt will ich erstmal mein ‚Baby‘ hier aufbauen, meine Vision: Nanotechnologie zu verwenden, um Terahertz-Strahlung besser nutzen zu können“. Das spiegelt der Markenname perfekt wider. THzNanoVision