Die Inhalte dieser Seite sind nur auf Englisch verfügbar.
Zur englischen Version dieser Seite wechseln

„Meine Studienzeit war sehr interdisziplinär geprägt“

Für den Informatik-Alumnus Kai Beckmann waren Fachwissen und Wegbegleiter an der TU Darmstadt wichtige Impuls für seine berufliche Karriere bei Merck

16.01.2025 von

Kai Beckmann studierte in den 1980er Jahren Informatik an der TU Darmstadt. Zehn Jahre später promovierte er berufsbegleitend im Bereich Wirtschaftswissenschaften. Seine Laufbahn beim Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck begann Beckmann als IT-Systemberater. Heute ist der Alumnus als Mitglied der Geschäftsleitung für den Halbleiter und Spezialchemie-Bereich Electronics, den Standort Darmstadt, den Patentbereich und die Interne Unternehmensberatung verantwortlich.

Dr. Kai Beckmann ist seit April 2011 Mitglied der Geschäftsleitung der Merck KGaA und verantwortlich für den Unternehmensbereich Electronics, den er seit September 2017 als CEO leitet.

1668 erhielt Friedrich Jacob Merck die Erlaubnis, eine Apotheke in Darmstadt zu betreiben. 356 Jahre ist das her und seither ist Merck nicht nur das älteste pharmazeutisch-chemische Unternehmen der Welt, sondern auch eines der größten. Auf eine ziemlich lange Zeit blickt auch Kai Beckmann schon bei Merck zurück. Vor 35 Jahren stieß er zu dem Familienunternehmen. Frisch von der Uni trat er als IT-Systemberater eine Stelle in der Darmstädter Zentrale an. Informatik war da eine noch verhältnismäßig junge Disziplin. „Ich war einer der wenigen Diplom-Informatiker in der IT-Abteilung bei Merck. Das war damals neu“, erinnert sich der Alumnus.

Vieles war für den jungen Uni-Absolventen neu und anders: „Merck war ein Großunternehmen, die Arbeit dort unterschied sich in Puncto Komplexität, Formalismen und auch Hierarchien erheblich von der akademischen Welt der TU, die ich bis dahin kannte“. Den Aufgaben der ersten Festanstellung fühlte er sich dennoch gewachsen. „Durch mein Studium und meinen Hintergrund konnte ich die Sprache der Informatik in das Unternehmen einbringen. Inhaltlich hat mich eigentlich jedes Thema aus Studientagen weitergebracht. Auch bei Geschäftsentscheidungen kann systemisches, algorithmisches Denken manchmal helfen“, sagt der heute 59-Jährige.

Schon früh von Computern begeistert

Kai Beckmann stammt aus Hanau. Die TH Darmstadt, wie die TU damals hieß, hatte er sich als Studienstandort gewünscht, „doch damals wurde die Vergabe von Studienplätzen im Fach Informatik zentral geregelt, sodass die endgültige Entscheidung für Darmstadt nicht vollständig in meiner Hand lag. Dennoch war die TU meine klare Präferenz, da sie bereits zu dieser Zeit einen ausgezeichneten Ruf in der Informatik genoss“, erzählt er. Computer begeisterten ihn schon während der Schulzeit. Seinen ersten Rechner baute er sogar selbst. „Das war ein Sinclair ZX80, der kam als Bausatz.“ Um sich die neue Technologie leisten zu können, übernahm er als Schüler Ferienjobs. Viele Stunden tüftelte der Teenager an dem Gerät. In einer Computer-AG sammelte er erste Programmiererfahrungen. Anfang der 1980er Jahre wurde Informatik im Rahmen eines hessischen Pilotprojekts als Schulfach in der Oberstufe eingeführt. „Das vertiefte mein Interesse und mir wurde klar: Ich möchte Informatik studieren.“

Gleich nach dem Abitur schrieb sich Kai Beckmann für das Studium ein, das ihn dann doch an seine Wunschuni führte. Gut sind ihm die ersten Wochen in Erinnerung: „Einige der Kommilitonen entsprachen durchaus dem gängigen Klischee, das viele von Informatikern haben“, lacht er. Die Vorlesungen im Audimax waren gut besucht, „hatten aber sicherlich nicht die heutige Größenordnung“. Von Anfang an war seine Studienzeit „sehr interdisziplinär geprägt“, erzählt er. „Ich habe Informatik studiert, mit dem Nebenfach Datentechnik, das zur Elektrotechnik gehört. Meine Diplomarbeit habe ich in der Halbleiterschaltungstechnik, also im Bereich Chip-Entwurf, verfasst, wodurch mein Studium grundsätzlich sehr technisch ausgerichtet war. Parallel dazu habe ich als Hiwi in den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften gearbeitet – konkret bei den Volkswirten.“ Eine Tätigkeit, die Ausgangspunkt war für die spätere Promotion in diesem Bereich. Insgesamt erlebte er an der TU Darmstadt vier Fachbereiche. „Und ich finde nach wie vor alle spannend. Sogar heute halte ich noch Vorlesungen für Chemiker“, berichtet der Alumnus, der bis 2024 auch Präsident des Chemie Arbeitgeberverbandes war.

Prägende Persönlichkeiten

Kai Beckmann erinnert sich an Persönlichkeiten, die ihn auf seinem Weg nachhaltig beeindruckten. Darunter finden sich Namen wie Professor Hans Tzschach und Professor Robert Piloty, die als Gründungsväter der Informatik an der TU Darmstadt gelten. Professor Manfred Glesner war sein Diplomarbeitsbetreuer, später übernahm er bei ihm eine Assistenzstelle. „Eine Erfahrung, die mir sehr geholfen hat.“ Doch auch sein Doktorvater, Professor Hans-Dieter Heike, habe eine wichtige Rolle gespielt. Noch immer in Kontakt steht der Merck-Geschäftsführer mit dem emeritierten Professor José Encarnação, der das Zentrum für Graphische Datenverarbeitung ins Leben rief, aus dem das Fraunhofer IGD hervorging. Heute sitzt Kai Beckmann selbst als Vorsitzender im Kuratorium des IGD. „Diese Menschen haben mich fachlich und menschlich stark beeinflusst und mir wichtige Impulse für meine berufliche Laufbahn gegeben.“

Ein Wegbegleiter im Studium, Achim Kaufmann, damals Forschungsassistent am Institut für Statistik und Ökonometrie, später Professor an der TH Mittelhessen, weckte Kai Beckmanns Interesse für seinen heutigen Arbeitgeber. „So kam ich 1989 zu Merck und meiner ersten Stelle“, betont er. Danach arbeitet er sich kontinuierlich in die Führungsebene des Familienunternehmens vor. 1999 bis 2004 wurde er Hauptabteilungsleiter für Informationsmanagement und Beratung. Danach folgte die Tätigkeit als Geschäftsführer der Merck-Gesellschaften in Singapur sowie Malaysia und ab 2007 leitete er als erster „Chief Information Officer“ die Abteilung Corporate Information Services von Merck. Danach wurde er 2011 als Personalvorstand Mitglied der Geschäftsleitung und vor sieben Jahren CEO für den Unternehmensbereich Electronics.

Dr. Kai Beckmann,
Mitglied der Geschäftsleitung Merck KGaA | CEO Electronics

„Die TU hat mir nicht nur tiefgehendes technisches Wissen vermittelt, sondern auch die Fähigkeit, interdisziplinär zu denken und komplexe Probleme aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.“

Bild: Merck KGaA/Bernd Roselieb

Komplexe Herausforderungen

Heute steht Beckmann vor einer Vielzahl komplexer Herausforderungen, die eng mit der rasanten Entwicklung in der Halbleiterindustrie sowie der Digitalisierung der globalen Wirtschaft verbunden sind. „Die Technologien, die wir entwickeln, sind entscheidend für zukunftsweisende Bereiche wie Künstliche Intelligenz, Quantencomputing, Bioelektronik, Biokonvergenz oder synthetischer Biologie“, erklärt er. Die Herausforderung sieht er darin, „nicht nur technologisch an der Spitze zu bleiben, sondern auch als Unternehmen erfolgreich in einem zunehmend komplexen und wettbewerbsintensiven globalen Markt zu agieren“. Aufgaben, auf die ihn das Studium vorbereiten konnte? Seine Antwort kommt prompt: „Obwohl viele Technologien wie Smartphones oder AR-Brillen zu meiner Studienzeit noch nicht vorstellbar waren, beruhen diese Entwicklungen auf denselben physikalischen und chemischen Prinzipien, die ich während meines Studiums erlernt habe.“ Grundlagen, die ihm heute helfen würden, fundierte Entscheidungen zu treffen. „Die TU hat mir nicht nur tiefgehendes technisches Wissen vermittelt, sondern auch die Fähigkeit, interdisziplinär zu denken und komplexe Probleme aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.“ In einer Branche, die von schnellen technologischen Veränderungen geprägt sei, hält er diese Fähigkeiten für entscheidend, „um innovative Lösungen zu entwickeln und gleichzeitig nachhaltige, langfristige Unternehmensstrategien umzusetzen“.

Seiner Almer Mater ist der Alumnus noch eng verbunden, durch seine Mitgliedschaft im Hochschulrat der TU Darmstadt oder etwa durch zahlreiche Projekte und Kooperationen, die die TU und das Darmstädter Unternehmen unterhalten. „Einige meiner ehemaligen Kommilitonen arbeiten heute ebenfalls bei Merck, was mich besonders freut.“ Das sei eine gemeinsame Basis, „die eine starke Vernetzung schafft“, findet Kai Beckmann.