Liebe Leserinnen und Leser,

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Fähigkeit zur Entwicklung neuer und verbesserter Materialien zählt sicherlich in zunehmendem Maße zu den Schlüsselkompetenzen einer modernen Industrie- und Wirtschaftsnation. Um es aber gleich zu sagen: einen Intelligenztest mit Günther Jauch würden die hier vorgestellten Materialien bestimmt nicht bestehen. Trotz der begrifflichen Unschärfe der Adjektive „intelligent“ oder „smart“ im Zusammenhang mit Materialien bezeichnet man so in durchaus treffender Weise Materialien, die die Fähigkeit besitzen, auf verschiedene Umwelteinflüsse unterschiedlich zu reagieren. Ein bekanntes Beispiel, das Brillenträger vielleicht auf der Nase sitzen haben, sind sogenannte phototrope Gläser, die sich bei großer Helligkeit tönen und in Dunkelheit aufhellen: Das Material reagiert in „intelligenter“ Weise auf die jeweils vorherrschenden Lichtverhältnisse. Ein weiteres prominentes Beispiel sind sogenannte Formgedächtnislegierungen, die sich an ihre geometrische Gestalt „erinnern“ können. Verformt man eine solche Legierung bei einer bestimmten Temperatur, so nimmt sie bei einer höheren Temperatur wieder ihr ursprüngliches Aussehen ein. Zwar wissen die wenigsten Menschen, dass hier eine martensitische Phasenumwandlung stattfindet, erfreulich ist aber, dass Infarkt gefährdeten Personen mit einer Stütze aus einer solchen Formgedächtnislegierung die Herzkranzgefäße lebensrettend aufgeweitet werden können.

Dass Wissenschaftler der TU Darmstadt auf dem Gebiet der intelligenten Materialien forschen, ist nicht nur eine Reverenz an Athene, die Schutzpatronin unserer Universität und griechische Göttin der Weisheit und Intelligenz. Natürlich wollen die Materialwissenschaftler der TU Darmstadt sich auch an den Bemühungen beteiligen, unsere Zukunft durch leistungsfähige und intelligente Materialien zu verbessern. In diesem Heft versuchen wir, Ihnen aktuelle Ergebnisse im Bereich moderner Materialforschung aus über zehn Fachgebieten und vier Fachbereichen der TU Darmstadt anschaulich zu machen.

Einen breiten Raum nehmen dabei piezoelektrischeMaterialien ein, die mechanischen Druck in elektrische Spannung und umgekehrt übersetzen können. In der Elektrotechnik ist man an intelligenten Dielektrika und Halbleitern interessiert, die unsere mobilen Kommunikationsmöglichkeiten weiter optimieren werden. Und in der chemischen Materialwissenschaft arbeitet man an smarten Polymeren, Kunststoffen und Katalysatoren. Nanomaterialien fehlen ebenso wenig wie magnetische Materialien, in denen man den Spin der Elektronen nutzen möchte, sowie Materialien, die man aus der Tintenstrahlpatrone gleich in einen Schaltkreis drucken kann. Ein weiterer an der TU Darmstadt betriebener, zukunftsweisender Ansatz ist die Untersuchung von intelligenten Komposit- und Hybridwerkstoffen, hier am Beispiel der Energiegewinnung durch Photovoltaik. Wenn schon einzelne Materialien das Attribut „intelligent“ erhalten haben, was können wir dann erst bei einer Verbindung mehrerer dieser Materialien erwarten?

Damit bleibt mir nur noch, Ihnen eine unterhaltsame und vor allem bildende Lektüre zu wünschen – und vielleicht sehen Sie dann an der einen oder anderen Stelle in Ihrem Alltag, sei es beim Autofahren, beim Telefonieren oder beim Arztbesuch, klarer, wo „intelligente“ Materialien jetzt schon Ihr Leben verbessern.

Prof. Dr. rer. nat. Lambert Alff

thema forschung 2/2006