Aus der Studenten-WG in den Wasserstoffmarkt
TUDa-Start-up HTM Hydro Technology Motors denkt Mobilität neu
10.04.2025 von Heike Jüngst
Die vier Gründer wagen mit HTM Hydro Technology Motors den Sprung in eine Branche, die gerade erst durchstartet: Wasserstoffmobilität. Ihr Ziel: Nutz- und Spezialfahrzeuge nicht durch neue Modelle ersetzen, sondern durch ein eigens entwickeltes Hybridsystem umrüsten – effizient, emissionsfrei und wirtschaftlich.

Was als Vision zweier Schulfreunde begann, wurde im Umfeld der TU Darmstadt konkret: In einer WG in Griesheim wurden erste Prototypen gebaut, heute testet der Flughafen Hamburg den ersten umgerüsteten Gepäckschlepper im Echtbetrieb. Möglich wurde das durch enge Zusammenarbeit mit dem Institut für Verbrennungskraftmaschinen (VKM) unter Professor Beidl, der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB), strategische Investoren wie DILO und gezielte Förderungen. ist ein Paradebeispiel für forschungsgetriebene Gründungen an der TU Darmstadt – und zeigt, wie technisches Know-how, Unternehmergeist und ein klarer Fokus auf Nachhaltigkeit zusammenwirken können. HTM Hydro Technology Motors
Wasserstoff statt Diesel. Nachrüsten statt Verschrotten. Maximilian Wack, Silas Hofmann, Jonas Kahl und Daniel Mescheryakov konzentrieren sich auf ein Ziel, das aktueller kaum sein könnte: den emissionsfreien Umbau von Nutz- und Spezialfahrzeugen. Ihr Konzept basiert auf einem modularen Antriebssystem, das aus einem Wasserstoff-betriebenen Verbrennungsmotor und einem elektrischen Antrieb besteht. Dieses Hybridsystem lässt sich in unterschiedlichsten Fahrzeugtypen einsetzen – von Gepäckschleppern am Flughafen über Gabelstapler bis hin zu mobilen Stromgeneratoren. Das Besondere: Der Antrieb wird in vorhandene Fahrzeuge eingebaut, die bislang mit Diesel oder Erdgas unterwegs waren. „Wir schaffen so eine zweite Nutzungsdauer für bestehende Fahrzeuge. Statt sie zu verschrotten, erhalten sie ein neues Leben mit Wasserstoff“, sagt Maximilian Wack, einer der vier Gründer.
Die Innovation: Warum HTMs Technologie mehr ist als ein alter Hut
Wasserstoffbetriebene Fahrzeuge und der Wankelmotor sind beileibe keine Erfindungen von gestern. Schon in den 60er-Jahren wurde in den USA an Wasserstoffverbrennung gearbeitet, auch deutsche Forschungseinrichtungen lieferten wertvolle Vorarbeiten. HTM greift dieses Know-how auf – und geht den nächsten Schritt: Die Kompaktheit und Leistungsdichte ihres Rotationskolbenmotors machen ihn besonders geeignet für den Einsatz im Hybridsystem für kleinere Fahrzeuge mit beengtem Bauraum. „Wir erreichen die gleiche Leistung wie größere Dieselmotoren, aber bei vollständiger CO2-Neutralität und in einer kompakten Bauform“, erklärt Silas Hofmann.
Zudem setzt HTM nicht auf Plug-in-Lösungen, sondern auf ein eigenentwickeltes System, das Energie intern über den Wasserstoffmotor erzeugt und zwischenspeichert. Durch Rekuperation beim Bremsen und intelligente Steuerung optimiert das System Energieverbrauch und Leistung. Jonas Kahl, dritter im Gründerteam, hebt hervor: „Unsere Fahrzeuge tanken in drei Minuten und fahren eine komplette Schicht. Das kann kein batteriebetriebenes System in dieser Klasse leisten.“
Unternehmerseelen: Von der Schulbank zur Start-up-WG
Maximilian Wack und Silas Hofmann verbindet mehr als die Begeisterung für Wasserstoff: Schon in der Schule, in der Nähe von Montabaur, begannen sie zu diskutieren, wie sich nachhaltige Mobilität verwirklichen ließe. Klar war: Die Universität ihrer Wahl sollte technisch stark sein und unternehmerisches Denken fördern. Die Entscheidung fiel gezielt auf die TU Darmstadt.
Die ersten Schritte in Richtung HTM gingen sie noch während des Studiums. In ihrer Studenten-WG in Griesheim wurde nicht nur gekocht, sondern auch konstruiert, geplant und diskutiert. „Wir haben damals ein Leichtfahrzeug entwickelt und selbst zusammengebaut. Es war unser erstes Testlabor“, erinnert sich Silas. Jonas Kahl, Elektroingenieur, stieß über eine Ausschreibung zum Team. „Ich saß damals bei Max und Silas auf der WG-Couch, und sie haben mir erzählt, was sie vorhaben. Ich wusste sofort: Da will ich mitmachen“, sagt er. Heute leitet Jonas als CIO die Elektronik- und Softwareentwicklung.
Mit dem TUDa-Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Fahrzeugantriebe zum eigenen Motor
Die TU Darmstadt war nicht nur der akademische Ausgangspunkt für HTM, sondern ist bis heute zentraler Technologiepartner. Insbesondere das unter Leitung von Professor Dr. Christian Beidl begleitete die Entwicklung des HTM-Motors intensiv. „Wir haben am VKM einen kompletten Motorenprüfstand angemietet. Dort optimieren wir unsere Antriebe mit wissenschaftlicher Unterstützung“, erzählt Silas. Die Kooperation ist eine klassische Auftragsforschung: HTM bezahlt für die Nutzung der Infrastruktur, wird aber zugleich von der Expertise und dem Netzwerk des Instituts getragen. Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Fahrzeugantriebe (VKM)
Ein Unternehmen wie HTM braucht mehr als nur gute Ideen: Es braucht Geld, Partner und Vertrauen. Die ISB Rheinland-Pfalz unterstützt HTM mit Mitteln aus dem Innovationsfonds, zusätzlich fließen Förderungen über das HOLM-Programm. Besonders wertvoll ist die strategische Beteiligung der DILO Armaturen- und Anlagen GmbH. „Wir arbeiten mit einem extrem schlanken Budget“, sagt Maximilian. „Vergleichbare Unternehmen investieren zehn- bis zwanzigmal so viel. Wir sind stolz, was wir mit unseren rund 1,8 Millionen Euro aufgebaut haben.“
Der Markteintritt: Ein Pilotprojekt hebt ab
Seit Frühjahr 2025 testet der Flughafen Hamburg ein von HTM umgerüstetes Gepäckschleppfahrzeug im Echtbetrieb. Das Pilotfahrzeug wurde zuvor in Griesheim auf dem August-Euler-Flugfeld gemeinsam mit dem TÜV optimiert. „Wir konnten zeigen, dass unser System funktioniert – nicht im Labor, sondern unter realen Bedingungen“, sagt Maximilian. Ziel ist es, eine komplette Fahrzeugflotte umzurüsten. Hamburg hat allein 80 Fahrzeuge dieser Klasse im Einsatz. Der „Second Life“-Ansatz – Umbau statt Neukauf – spart nicht nur Geld, sondern reduziert auch den CO2-Fußabdruck massiv.
Aktuell bietet HTM zwei Produktlinien an: den modularen Antrieb für Spezialfahrzeuge und einen Wasserstoffgenerator für netzferne Stromversorgung. Beide Systeme basieren auf der gleichen Motortechnologie. Damit ist HTM mehr als ein Start-up – es ist eine Denkweise. Weg vom Wegwerfen, hin zur Wiederverwendung. Weg von fossilen Brennstoffen, hin zu emissionsfreier Mobilität. Und das alles entwickelt aus einer WG in Griesheim heraus, getragen von TU-Know-how, wissenschaftlicher Neugier und unternehmerischem Mut.