Eisen statt Kohle verfeuern – umweltfreundlich!
Projekt Clean Circles erforscht neue Wege zur nachhaltigen Stromversorgung
06.02.2025 von Anja Störiko
Kohlekraftwerke nicht abreißen, sondern ohne CO2-Ausstoß weiternutzen: diese Vision wollen die Wissenschaftler von Clean Circles an der TU Darmstadt ermöglichen. Dahinter steckt das einfache Prinzip der Verbrennung von Eisen samt Recycling mit erneuerbaren Energien. Mit „MetalH2eat“, der Idee, dass bei der Oxidation von Eisen mit Wasserdampf verwertbarer Wasserstoff für die Energiewende entsteht, gewann das Team kürzlich zwei Preise beim TU-Ideenwettbewerb. Die Forschenden peilen an, die Idee innerhalb der nächsten drei Jahre zu einer Ausgründung zu führen.
Eisen kennen wir in zwei Formen: als reines Eisen und als Rost. Rost ist im Wesentlichen Eisen, das Sauerstoff gebunden hat. Dieser Prozess lässt sich durch Verbrennung beschleunigen: Eisenwolle oder -staub brennt, einmal angezündet, lichterloh und bindet dabei Sauerstoff aus der Luft. Ähnlich wie bei der Verbrennung von Kohle entsteht so Wärme, die sich als Energiequelle nutzen lässt. Diesen Prozess kann man mit Hilfe von Energie umkehren: Aus grünem Strom hergestellter Wasserstoff löst den Sauerstoff wieder heraus und verwandelt das Eisen in seine reine Form zurück. Dieses Hin und Her von Eisen und Rost in einem „sauberen Kreislauf“ lässt sich als Speicher grüner Energie nutzen, so die Idee des Teams von . Clean Circles
Solche Überlegungen gibt es schon länger, berichtet an der TU Darmstadt. Im Rahmen der Bewerbung für Clusterprojekte des Landes Hessen im Jahr 2020 konkretisierten er und Andreas Dreizler, Professor für Reaktive Strömungen und Diagnostik, dies in einem Antrag zusammen mit dem Karlsruher Institut für Technologie. Clean Circles war geboren. Die Idee wuchs weiter und mündete in einen aktuellen DFG-Transregio-Antrag, zusammen mit Kolleg:innen aus Darmstadt, Karlsruhe, Düsseldorf und Braunschweig. Christian Hasse, Professor für die Simulation reaktiver Thermo-Fluid-Systeme
Das Metallkraftwerk
Das Potenzial ist enorm und könnte weltweit große Bedeutung bekommen: Eisen als Speicher für elektrische Energie aus erneuerbaren Quellen. Solar- und Windenergieüberschüsse können Rost – chemisch korrekter: Eisenoxid – in Eisen verwandeln. Die darin gespeicherte Energie ist einfach und sauber transportabel und kann durch Verbrennung wieder freigesetzt werden. Der Clou: diese Verbrennung lässt sich problemlos in stillgelegten Kohlekraftwerken durchführen. „Klassisch Kohle- oder eben alternativ Eisenstaub verbrennen ist vergleichbar“, so Hasse.
Noch dieses Jahr will das Team im Demonstrationskraftwerk auf dem Gelände der TU Darmstadt beweisen, was im kleinen Laborreaktor bereits funktioniert. Das drei Stockwerke große Kraftwerk wird bislang für Versuche mit Abfallstoffen und Biomasse genutzt und soll jetzt ein Megawatt „Eisenenergie“ liefern. Der nächste Schritt ist schon in Vorbereitung: Zusammen mit einem Energieversorger will Clean Circles Planungen konkretisieren, in Berlin ein zentrales Wärmekraftwerk, das bislang mit Kohle betrieben wurde, auf Eisenverbrennung umzustellen. Es versorgt einen ganzen Stadtteil mit Nahwärme. „Damit wollen wir zeigen, dass Eisen eine Option für die Energieversorgung der Zukunft ist“, so Dreizler.
Ein großer Vorteil ist der unproblematische Transport von Eisen und Rost: Schon jetzt werden jährlich weltweit 27 Millionen Tonnen Eisen und 1,6 Milliarden Tonnen Rost oder Eisenerz per Bahn und Schiff verfrachtet. „Dem Ziel Energiesicherheit kämen wir damit deutlich näher“, betont Hasse. Denn die Speicherung von Energie – sei es über Nacht oder den ganzen Winter – sei der zentrale Punkt der Energiewende. Eisen ist dafür eine ideale Lösung, denn das Metall wird nicht verbraucht und kann wie eine Batterie wieder aufgeladen werden. Zudem ist kein Kohlenstoff beteiligt, sodass kein CO2 freigesetzt wird.
Einbindung von Wasserstoff: MetalH2eat
Mit einer zusätzlichen Nutzungsidee gewann das Team kürzlich zwei Preise beim TU-Ideenwettbewerb 2024: Der Energiespeicher Eisen kann nicht nur viel Wärme liefern, sondern auch den begehrten Wasserstoff. Wird Eisen mit Wasserdampf – also H2O – oxidiert, entsteht neben Eisenoxid auch Wasserstoff (H2). Dieser Forschungsidee gab das Team den Namen „MetalH2eat“ für Metall zu H2 und Wärme. Das Team unter Leitung von , promovierter Ingenieur der TU Darmstadt und Geschäftsführer von Clean Circles, überzeugte die Jury mit ihrer nachhaltigen Idee. Laut Schmidt könnte dies ein weiterer Baustein für die Energiewende und Wasserstoffstrategie sein – „zum Beispiel für eine Glashütte im tiefen Schwarzwald, die Energie in Form von Wasserstoff und Wärme nutzen kann, aber nicht an entsprechende Netze angeschlossen ist“. Solche Betriebe könnten dezentral Energie aus Eisen einsetzen. Marius Schmidt
Schmidt hofft, dass die Ideen innerhalb der nächsten drei Jahre zu einer Ausgründung führen. Im Moment sei die TU Darmstadt ideal für die Kombination aus Grundlagen- und Anwendungsforschung in kleinen bis großen Skalen. Neben den an der TU Darmstadt vorhandenen Großanlagen lobt Schmidt die erfolgreichen Simulationen dank effizienter Hochleistungsrechner und das technische Know-how etwa im Bereich der Brenner für die bestmögliche Energieumwandlung. Das Team hat zudem begonnen, sich für einige Ideen Patente zu sichern.
Hasse sieht noch viele Fragen, die zielgerichtet in der Grundlagenforschung geklärt werden können. So experimentieren sie beispielsweise mit der Größe der Eisenstaubkörner oder mit der Rückgewinnung von Eisen aus Eisenoxid. Denn diese „rostigen Krümel“ sind ist nicht nur um etwa 40 Prozent größer als reines Eisen, sondern auch porös und teilweise nicht ideal wiederverwendbar. „Hier wird die genaue Prozessführung entscheidend sein“, so Hasse. Zudem gibt es Ideen, die Rückgewinnung mit den Prozessen der grünen Stahlerzeugung zu koppeln.
Mit Eisenspeichern die Dunkelflaute bannen
Die Wissenschaftler von Clean Circles sind sich sicher, dass die Zukunft der Energieversorgung in einem Technologiemix liegt. Dabei sei die Langzeitspeicherung ein wichtiger Aspekt, den Eisen ermöglichen könne, so Schmidt. „Darin lassen sich extrem große Mengen Energie über lange Zeit speichern“, betont Hasse – etwa für die berühmte Dunkelflaute im europäischen Winter. Eisenspeicher im großen Maßstab sind für diese Zwecke ideal. „Die ersten Umrüstungen von Kohlekraftwerken kommen ab 2030“, ist sich Hasse sicher.
Anders als bei Wasserstoff sind die Alltagsprobleme – vor allem der Transport – bereits gelöst. Denn Eisen ist ein alltäglicher Werkstoff mit funktionierender Infrastruktur – vom Roherz aus Australien und Brasilien bis hin zum Recycling als Altmetall. Erfahrungen aus dem Bereich Wasserstoff steuert , als neues Teammitglied zuständig für das Transfermanagement, bei. Der Politikwissenschaftler ist vom Wasserstoff zum Eisen „bekehrt“: „Im Eisenspeicher steckt so viel Potenzial! Viele beim Wasserstoff noch ungeklärte Fragen sind hier bereits gelöst“. Ein wichtiges Ziel sei es, Entscheidungsträger und Zielgruppen aus Wirtschaft und Politik anzusprechen und zu überzeugen. „Wir wollen sichtbarer werden“, betont Hofmann. Rainer Hofmann
„Wir planen erfolgreich an Fallbeispielen und binden politisch-gesellschaftliche Fragen mit ein“, so Dreizler. Teil von Clean Circles ist auch die soziökonomische Betrachtung. Die Wissenschaftler hoffen, dass ihre Idee Eingang in die wirtschaftspolitischen Konzepte findet: „Zur Technologieoffenheit sollte auch Eisen zählen“. Der Nachwuchs lässt sich jedenfalls für das Thema begeistern: „Die kommen gerne zu uns und wollen unbedingt an diesem Zukunftsthema mitarbeiten“, freut sich Schmidt.